Leider muss man bei Taxi-Veranstaltungen nach wie vor die Kleine Fachkunde thematisieren, da man auf Seiten des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) immer noch keine Umsetzung vermelden kann. Beim TMV-Think-Tank in Bad Bayersoien wurde zu diesem Thema die zunehmende Kluft innerhalb der Branche deutlich.
Der für den gastgebenden TMV als Berater tätige Jurist Thomas Grätz hatte die Aufgabe übernommen, die rund 30 Teilnehmer des Think-Tanks in das Thema einzuführen. Er stellte in seinem Vortrag die philosophische Frage, ob die Kleine Fachkunde gemäß der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) tatsächlich notwendig sei, immerhin könne Qualität ja auch ohne Qualifizierung entstehen. Umgekehrt schaffe Qualifizierung aber auch gleich zu Anfang das Wissen, was Qualität in diesem Themen-Umfeld überhaupt ist und wo sie nötigenfalls zu erlangen ist. Insofern sei es definitiv kein Widerspruch, vorsichthalber beides parallel anzustreben.
Altpräsident Hans Meißner hatte in seinem vorangegangenen Grußwort schon kurz auf die Ursprünge der Fachkunde hingewiesen: Die Ortskundeprüfung für Droschkenfahrer wurde ursprünglich 1960 eingeführt, als Äquivalent zur schon zuvor existenten Fachkundeprüfung im Güterverkehr. Neun Jahre später erreichten Gewerbevertretungen dann, dass die Ortkundeprüfung auch auf Mietwagen ausgedehnt wurde. 1998 wurde sie organisatorisch in die Fahrerlaubnisverordnung (FEV) überführt.
2017 wurde dann der Ortskenntnis-Nachweis für Mietwagen unvermittelt aus der FEV gestrichen, was auf Seiten der Taxiunternehmen die berechtigte Sorge auslöste, dass es so einfacher sei, als Mietwagenfahrer zu starten, weil die Paukerei für die Ortskenntnisprüfung dafür entfiel. Im Rahmen der PBefG-Novelle wurde 2021 dann auch für das Taxi die Verpflichtung zu einer Ortskenntnisprüfung aufgehoben. Ersatzweise schreibt das PBefG nun die Mitführung eines Navigationsgerätes vor. Außerdem wurde so die Verpflichtung für Taxi- und Mietwagenfahrer geschaffen, zur Erlangung des Personenbeförderungsscheines (P-Schein) eine Kleine Fachkunde nachzuweisen.
Da man im BMDV nun völlig überfordert damit war, so kurzfristig die Regularien für eine Kleine Fachkunde für Taxi- du Mietwagenfahrer aus dem Hut zu zaubern, erteilten viele Führerscheinbehörden den P-Schein zunächst unter dem Vorbehalt, dass die kleine Fachkunde nachträglich nachzuweisen sei, wenn das Verfahren denn geklärt sei. Nun sind drei Jahre ins Land gegangen und noch immer wartet die Branche auf die Umsetzung durch das BMDV.
Der Hansestadt Hamburg dauert das alles zu lange. Hier hat man sich für eine eigene Prüfung entschieden, die von Verbandsvertretern abgenommen werden soll (Taxi Times berichtete). So soll auch das rechtliche Vakuum, welches durch die als vorläufig für drei Jahre ausgestellten Fahrgastbeförderungsscheine entstehen könnte, gefüllt werden.
Dabei soll in Hamburg neben den vorgegebenen Fragen zur bundesweiten kleinen Fachkunde auch weiteres Wissen abgefragt werden, welches für die Tätigkeit im Hamburger Taxigewerbe relevant sein könnte. Hier hat Hamburg allerdings auch den Vorteil nutzen können, zum einen ein Stadtstaat ohne ländliches Umfeld zu sein, und zum anderen mit dem stets engagierten Dirk Ritter einen hochkompetenten Partner in der Behörde zu haben, der diese Lösung mit vorangetrieben hat. Die Hamburger wollen ihre Insel-Lösung nun solange umsetzen, bis der Bund eine Alternative für alle Bundesländer vorgibt.
Eine solche Qualifikation durch eine Kleine Fachkunde hat drei Vorteile: Sie schafft erstens Vertrauen bei den Fahrgästen, definiert zweitens für die Fahrer ein kleines Berufsbild und schafft somit Selbstbewusstsein und bietet drittens den Unternehmern die Sicherheit, dass die Fahrer zumindest über eine gewisse Qualifikation und auch Deutschkenntnisse verfügten müssen, um die Prüfung überhaupt bestehen zu können.
Das BMDV hat einen Fragenkatalog von 175 Fragen aus dem Segment der Verkehrssicherheit erarbeitet, die – wie in Hamburg in der Realisierung – örtlich durch zusätzliche Fragenkataloge ergänzt werden können, wenn denn die Verbände die Prüfungen abnehmen dürfen. Noch ist dieser Kompromiss – bisher hatte man eher an Handelskammern als Prüfinstitution gedacht – aber auf Bundesebene noch nicht angedacht.
Grätz beendete seinen Kurzvortrag mit der Antwort auf seine Ursprungsfrage, indem er sich nach wie vor ganz klar für die Umsetzung einer wie auch immer gearteten kleinen Fachkundeprüfung für Taxi-und Mietwagenfahrer machte. Er warf ein klares „Ja, ja, ja“ an die Wand und damit in dem Raum und eröffnete so die Diskussion.
Es folgte dann sofort das Gegenargument aus dem Teilnehmerkreis, dass gerade die Fahrer, die nun schon drei Jahre ohne Prüfung unterwegs seien, sich sicherlich besonders stark gegen eine nachträglich ausstehende Prüfung sträuben würden. Die Option, diesen den P-Schein bei Ablauf ohne eine auflösende Bedingung einfach ohne Fachkunde zu verlängern, sah Grätz aber als rechtlich bedenklich an. Und er stellte klar, dass jeder, der ohne Prüfung und ohne P-Schein Fahrgäste befördere, zwar selber eher nur eine bußgeldbewährte Ordnungswidrigkeit begehe, der eigentlich Betroffene sei aber der Unternehmer, der ihm das Fahrzeug überlassen habe und so seine Zuverlässigkeit in Frage stelle. Und wenn die Fachkunde erstmal installiert sei, werde wohl kein P-Schein mehr ohne verlängert.
Ein Teilnehmer brachte dann eine andere Problematik mit seiner Formulierung auf der Punkt, dass hier der Fisch vom Kopf stänke. Er erlebe immer wieder Jungunternehmer, die ja immerhin die – im Unterschied zur großen Fachkunde auch für Busunternehmer – kleine Sach- und Fachkundeprüfung für den Verkehr mit Taxi und Mietwagen absolviert haben müssten, ohne dieses Wissen jedoch an den Tag zu legen. Ohne eine brauchbare Sachkundeprüfung für die Unternehmer sei aber auch die kleine Fachkundeprüfung sowohl für Taxi als auch Mietwagenfahrer sinnlos.
Die Idee, diese so genannte Unternehmerprüfung schwieriger auszugestalten, stieß allerdings bei anderen Teilnehmern eher auf Unverständnis, da sie das Wissen, welches zum Absolvieren dieser Prüfung benötigt würde, als mehr als ausreichend betrachteten. Solange hier die Handelskammern sicherstellen könnten, dass sie auch die richtigen Personen prüften (Stichwort Identitätskontrolle), sei hier kaum Handlungsbedarf erkennbar.
Generell problematisch ist die Option, als geprüfter Unternehmer diese Qualifikation für mehrere Betriebe „verkaufen“ zu können. Diese „Dienstleistung“ sei in Teilen der Republik schon für monatlich 300 Euro zu haben und lasse sich für die Anbieter zu einem sehr effizienten Geschäftsmodell ausbauen.
Vermisst wurde von vielen Teilnehmern aber vor allem die gute alte Ortskenntnisprüfung, denn diejenigen Fahrer, die diese noch absolviert hätten, seien erfahrungsgemäß oft auch die besseren Taxifahrer. Gleichzeitig war man sich mehr oder weniger einig, dass jemand, der mit der derzeit gültigen Ausnahmeregelung schon drei Jahre hinterm Taxisteuer verbracht habe, keinen großartigen Erkenntnisgewinn durch das Absolvieren einer kleinen Fachkundeprüfung gemäß PBefG mehr erzielen könne. rw
Hinweis der Redaktion: Alle bei Taxi Times zum Thema „Kleine Fachkunde“ erschienenen Beiträge finden Sie unter diesem Link. Weitere Meldungen zur Think-Tank-Veranstaltung in Bad Baiersoyen finden Sie unter diesem Link.
Beitragsfoto-Collage: Axel Rühle
Ich bin 100% dafür das Alle die nach August 2021 den P-Schein bekommen haben die Fachkundeprüfung nachholen müssen. In Berlin ist das Niveau Extrem gesunken. 30-40% der Aktuellen Fahrer werden die Fachkunde niemals bestehen. Dann haben wir wenigstens etwas Qualität.
ich bin der Meinung, dass ein kleiner abgeschwächter Ortskenntnis neben der Fachkunde dazu gehört, es ist schon peinlich wenn die Fahrer nicht mal die großen Hauptstraßen kennen, in dem sie Wohnen. Und zweitens, ein Navi kennt keine Zusatzschilder wie „Taxi frei“ in den Innenstäden, des führt dich komplett im Kreis herum, dass zum Thema Navi
Ich fand den Artikel wunderbar ausgewogen geschrieben und informativ. Vielleicht gibt es noch einen
weiteren Aspekte bei „pro und contra Fachkunde“: alle Beteiligten sind sich ja darüber einig, daß das Niveau in der Branche schlechter wird (ich habe dazu mal Fahrgäste befragt, was sie sich unter einem guten Taxifahrer vorstellen).
Könnte es an einem fühlbaren Niedergang von Achtung und Ethik im Gewerbe liegen, der letztlich nur durch sich ändernde Zusammensetzung von Personalstrukturen erwächst? Und nicht durch mangelde Prüfungen?
Mein Ansatz: Es gab ja immer gute und schlechte Fahrer – platt gesagt. Aber die nicht-dienstleistenden Kollegen, die mit 80 km/h in der Stadt fahren, weil sie ihre Psyche nur so ausleben können, weil sie nur so ihr Selbstwertgefühl definieren und den Kunden mit ihrer Fahrweise an die Tür pressen und dann über vielleicht mieses Trinkgeld schimpfen, diese gilt es auszufiltern. Und das ist Unternehmersache (Stichwort Disziplinarausschuß mit Bestrafungskompetenz). Nicht Prüfungsthema.
Ein Rowdy lernt nicht Benehmen durch einen Kursus, er hat einfach keine Sozialkompetenz. Und ob jemand Deutsch oder vielleicht auch Englisch (Geschäftskunden) spricht, stellt man beim Vorstellungsgespräch fest. Ich meine, der Unternehmer braucht hier definitiv Hilfe. Beim Fahrer ist es – oft – zu spät und dann leidet der Kunde und auch das Gewerbe.