Der aktuelle Sturmlauf des Taxigewerbes und seiner Verbände gegen die Anwendung der Kassensicherungsverordnung ab Januar 2024 kommt spät. Aber liegen die Versäumnisse tatsächlich im Bundesministerium für Finanzen (BMF) oder hat die Branche das Thema verschlafen? Vor allem aber steht die Frage: Gibt es noch Lösungen?
Mit einer sehr differenzierten Sichtweise kritisierte jetzt ein Leser unter anderem auch die Berichterstattung von Taxi Times über das Thema der Anwendung der Kassensicherungsverordnung auf die Taxameter ab Januar 2024. Und so dient nun diese Kritik hier als Leitfaden, um Historie und Details zum Thema noch einmal aus einer neutralen Perspektive zu hinterfragen.
Tatsächlich wird die Kassensicherungsverordnung bald sechs Jahre alt und seitdem war bekannt, dass man auch die Taxameter in diese gesetzliche Regelung mit einbeziehen möchte. Im selben Zeitraum wurde das Gewerbe allerdings parallel mit ebenfalls existenziellen Fragestellungen wie der PBefG-Novelle, der Corona-Pandemie, der Mindestlohneinführung mit unkalkulierbaren Steigerungen oder auch dem Marktzugang von MOIA, Uber und Co. und auch noch einer Verbandsspaltung überhäuft. Insofern warteten sowohl die Taxameter-Hersteller als auch die Verbände auf die Konkretisierung der Anforderungen durch die Finanzbehörden, um dann zu reagieren, was bei der Fülle von Themen sicherlich legitim ist.
Betroffen aber sind jetzt nicht die Industrie oder die Verbände, sondern die Unternehmen. Und auch diese sind beileibe keine homogene Gruppe. Nicht erst durch die Veröffentlichungen diverser Gutachten ist bekannt, dass das Gewerbe ein Problem mit semiprofessionellen Marktteilnehmern hat. Und diese haben nun mal ganz andere Interessen an eine Kassensicherungsverordnung als diejenigen, die steuerehrlich und prüfungssicher wirtschaften wollen. INSIKA schien da eine gute Lösung zu sein, in die viele – ob freiwillig oder verpflichtend – investiert haben. Dass diese Investition spätestens dann aus dem Fenster geworfenes Geld sein soll, wenn ein Fahrzeugwechsel ansteht, klingt schlichtweg nach unbegründeter Herrschaftsarroganz seitens der Autoren des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO).
Fakt ist, dass ein Taxameter ein Messgerät und keine Kasse ist. Und damit unterliegt er eichrechtlichen Vorschriften, die sich der Macht der Branche entziehen. Entsprechend ist ein Taxameter nicht der richtige Ort, an dem die anzuwendenden Umsatzsteuersätze zu hinterlegen sind. Hierauf hatte auch schon Edo Diekmann als engagierter Kassenfachmann aus der Finanzbehörde Niedersachsen hingewiesen. Dieses Übel ließe sich aber ja schnell beheben und mindestens ein Hersteller hat diese Klippe schon von vornherein umschifft.
Das größte Versäumnis aller Beteiligten liegt wohl vielmehr an dem Punkt, dass man versucht, alle Einnahmen über den Taxameter zu erfassen. Dies ist vermutlich darin begründet, dass der Taxameter neben seiner Funktion als Messinstrument für die Kunden zusätzlich vielfach auch als Abrechnungsbasis zwischen Fahrenden und Unternehmern dient. Selbst die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) differenzieren zwischen Bareinnahmen, welche sofort zu erfassen sind und Rechnungseinnahmen, für die es längere Erfassungsfristen gibt. Würden sich das Gewerbe und seine Vertreter und die Finanzbehörden allein auf die Erfassung von unveränderbaren Bareinnahmen und Kartenzahlungen konzentrieren, dann würde das Runde wohl auch in das Eckige passen. Die Korrekturnotwendigkeiten bei den vermeintlichen Einnahmeursprungsaufzeichnungen beziehen sich wohl ausschließlich auf unbare Einnahmen. Dies läuft aber der Abrechnungsfunktion zuwider und wird daher vor allem in den Metropolen als No-Go angesehen.
Entsprechend könnte sich auch das grundsätzlich sehr effektive Element der Kassennachschau ausschließlich auf den Bargeldverkehr beziehen und wäre dann problemlos realisierbar. Damit wäre die wichtigste Forderung des Gewerbes nach einer Nachbearbeitungsoption der Datensätze für unbare Umsätze auch wieder GoB-konform realisierbar, ohne dass dies dem Unternehmer negativ ausgelegt würde. Auch die Kassennachschau gelingt so.
Beim Thema Belegausgabepflicht fehlen bisher vielfach schlicht die integrierten Drucker. Gibt der Markt allerdings keine gesetzeskonformen Geräte her, dann können es ja nicht die Unternehmer sein, die dafür bestraft werden. Und die örtlichen Taxiverordnungen können nötigenfalls angepasst werden, diese Frage braucht in der öffentlichen Diskussion daher wohl keinen Platz.
Der Wegstreckenzähler ist dagegen schon jetzt bei allen Mietwagen Pflicht, jedoch können die Aufsichtsbehörden der Länder dafür Ausnahmegenehmigungen erteilen. Sicherlich gibt es gute legale Gründe, ein Fahrzeug ohne Wegstreckenzähler nur für Krankenfahrten einzusetzen. Allerdings wäre dann tatsächlich wünschenswert, dass die Genehmigungsbehörden der Länder parallel eine Auflage mit Bargeld- und Kartenzahlungsverbot verfügen müssen.
Zu guter Letzt stellte der Leserkommentar noch die bedrohliche Frage in den Raum, ob man sein Taxi ab 1. Januar 2024 überhaupt noch bewegen darf, wenn man keine gesetzeskonforme Lösung im Fahrzeug verbaut hat? Nach § 379 AO sei das immerhin bußgeldbewehrt und somit stünde die persönliche Zuverlässigkeit auf dem Spiel. Außerdem sei es vielleicht auch wettbewerbswidrig, solch ein Fahrzeug dann noch einzusetzen. Hier sind nun tatsächlich die Verbände und die Finanzbehörden gefordert, vor dem Jahresende eine aufschiebende Lösung zu finden, denn die Taxameter-Hersteller und die Eichbehörde schwenken schon jetzt die weiße Fahne, da ihnen eine flächendeckende Umsetzung bis zum Jahresende unmöglich erscheint.
Natürlich haben also viele Vieles zum Thema verschlafen und das Gewerbe selbst ist bestimmt nicht unschuldig. Trotzdem ist es aber auch so, dass die Behörden offensichtlich jedes Gespräch mit Branchenvertretern von vornherein vermieden haben (Edo Diekmann aus Niedersachsen mal ausgenommen). Und auf dieser Ebene ist es diesem eben nicht gelungen, den notwendigen Realitätsbezug zum Thema in der Form zu vermitteln, dass die unmissverständliche Differenzierung „Bargeldfahrten und Kartenzahlungen = Ja, Rechnungsfahrten = Nein“ auf direktem Wege ohne zwischengeschaltete Medien transportiert werden konnte. Und falls dieser Zug inzwischen abgefahren sein sollte, dann bleibt nur noch die Option, Taxis wieder aus der Kassensicherungsverordnung herauszunehmen oder zum ersten Januar 2024 abzuschaffen. Wie anders soll es noch gehen? rw
Hinweis der Redaktion: Alle bei Taxi Times bisher veröffentlichten Beiträge zum Thema TSE-Pflicht finden Sie hier.
Beitragsfoto: Symbolbild, Quelle: Remmer Witte
Lieber Herr Witte,
1. Herrschaftsarroganz des BMF beim Thema INSIKA? Sorry aber der AE muß auf der aktuellen Rechtslage basieren, da hat das BMF keine Wahl.
2. eine Kassennachschau ist nur bei umfassender korrekter Kassenführung möglich. Andererseits haben Sie Sie die Zwänge der Tarifordnung und der Pflicht der Verwendung des Taxameters.
Beispiele:
Das fängt schon beim Wechselgeld an. Bisher war es vielerorts normal, dass die Fahrer eigenes Wechselgeld mitbringen und es in deren Geldbeutel lagern. DH. das Geld steht im Eigentum des Fahrers. Zudem wurden/werden die Tageseinnahmen in diesem Geldbeutel „gelagert“. Sprich am Ende des Tages wird rein rechtlich aus der baren Tageseinnahme eine Forderung gegen den Fahrer (bei Fahrern die in der Privatinsolvenz sind, ist das besonders heikel). Mit dieser Vorgehensweise können sie der Kassennachschau nicht nachkommen.
Diese Vermischung von privaten Geldern mit geschäftlichen Geldern ist damit ein Ende gesetzt.
Jeder Unternehmer wird seine Fahrern Wechselgeld extra zur Verfügung stellen müssen. Dies muß dann bei Schichtbeginn als Wechselgeldeinlage erfasst werden. Geht nicht.
Besorgungsfahrten – sie entnehmen ihrer Barkasse Geld für den Kauf von Produkten – muß erfasst werden.
der Fahrer geht Tanken und zahlt bar – muß erfasst werden.
Fahrer verdrückt sich am Taxameter – muß durch eine Stornungbuchung erfasst werden.
Privatpatient fährt auf Rechnung – im Pflichtfahrgebiet muß das über den Taxameter laufen – Umsatz muß als Rechnungsfahrt erfasst werden.
Trinkgeld muß ggf. erfasst werden.
sie verkaufen Tickets fürs Ruftaxi in bar – muß erfasst werden.
Zahlart ändert sich – Stornobuchung und Neuerfassung notwendig
Pauschalpreis kann nicht erfasst werden.
Nachträglich darf man das alles nicht abändern, eine Kassennachschau ist damit unmöglich. Da wird nichts rund.
Das hätte man durchaus schon bei der Anhörung zur Änderung der Kassensicherungsverordnung klar machen können. Aber dafür müßte man sich mal tiefer mit der Materie befasst haben.
3. Die AR läßt den Herstellern den Spielraum Messgerät mit Kassenfunktion zu kombinieren, sofern im selben Gehäuse – das ist ein Ausweg.
Aber wie immer gilt, ich lasse mich gerne eines besseren belehren.
Das ganze System ist einfach nur noch paranoid. Offensichtliches Postengeschacher und dreckige Vetternwirtschaft in der Politik, aber der kleine EWU wird erst einmal unter Generalverdacht gestellt. Ein jeder kehre erstmal vor seiner eigenen Haustür. Außerdem, warum arbeiten Landeier in der Stadtverwaltung ? Nur, um die Kilometerpauschale abzugreifen.
Sollen die Ehrlichen für immer die Dummen bleiben?
TSE muss kommen. Wenn das nicht funktioniert, dann eben ersatzweise Insika und zwar sofort. Damit das was wird, gehören Sitzkontakte dazu und es muss einher gehen mit Kontrollen und Strafen bei Fehlverhalten.
Außerdem sollte es nicht mehr möglich sein, Konzessionen zu veräußern, wenn klar ist das im Vorfeld illegal gearbeitet wurde.
So etwas wie mit der Einführung des Fiskaltaxameters darf nicht nochmal passieren:
Aufschub 2017-Aufschub 2020-Aufschub 2022
Wie sollen wir Uber und Co wegkriegen, selbst aus der Schmuddelecke rauskommen, wenn in unseren Reihen jede Menge Krumme sitzen? So wird das nichts!!
Es wäre einfach nur wünschenswert das der Staat mal seine Hausaufgaben macht, die anständigen Bürger und Steuerzahler schützt.
Lieber M. R.,
Mit Interesse habe ich Ihre Kommentare gelesen, die von Ihnen dargestellten Szenarien aus dem Taxialltag werden doch in dem Anwendungserlass berücksichtig, dieser verweist auf die DsFinV-TW, in der die Handhabung genauestens beschrieben steht. Seit ca. einem Jahr hat sich die Behörde mit allen Beteiligten mehrfach in Verbindung gesetzt, was dazu führte, dass schlußendlich die Bearbeitung der Daten in einem Backoffice erlaubt ist. So wird es von vielen Unternehmen schon seit 6 Jahren gemacht, allerdings basierend auf der INSIKA Sicherung, jetzt wird dieses System durch die TSE abgelöst, dass ist nur eine Veränderung der Datensicherung, die wir in der heutigen digitalen Welt oft erleben.
Mit der zeitlichen Einführung gebe ich Ihnen Recht, das hätte man sicherlich besser planen können.
Moin Herr Weberpals,
wenn tatsächlich die Nachbearbeitung im Backoffice erlaubt ist, wie soll dann eine Kassennachschau (im Fahrzeug) bzw. eine korrekte Belegerstellung für den Kunden möglich sein?!
Was ist mit den fehlenden Eingabemöglichkeiten?
Mal vom Aufwand abgesehen dutzende wenn nicht hunderte Vorfälle pro Tag nachbearbeiten zu müssen……
Ich arbeite seit 2015 mit INSIKA und bearbeite solche Rechnungsfahrten bereits überwiegend im Auto. Das ist sehr hilfreich und erleichtert sogar meine gesamte Buchführung. Es ist KEIN Mehraufwand. Denn, die geschilderten Fälle müssten ohnehin erfasst werden. INSIKA ermöglicht eine plausible Kassenführung und Personalabrechnung. Bin zufrieden damit. Verbesserungen könnte es natürlich auch da geben.