Gewerbevertreter Steve McNamara zur Situation im Londoner Taxigewerbe, Teil 2: Der Wettbewerb mit den Mietwagen läuft nicht mehr über den Preis, sondern über die Qualität. Eine Partnerschaft mit Uber habe man nicht nötig. Free Now vergibt Stipendien an Taxischein-Anwärter.
Obwohl emissionsfreie Taxis – rund 7.500 davon gibt es in London bereits – derzeit das Hauptthema für das Londoner Taxigewerbe sind, gibt es seit Ende November eine neue Herausforderung für die Licensed Taxi Drivers Association (LTDA), dem großen Taxiverband der britischen Hauptstadt: Uber verkündete in einer Pressemitteilung, man wolle ab Januar 2024 mit dem Londoner Taxigewerbe „zusammenarbeiten” – doch mit den Vertretern des Taxigewerbes wurde gar nicht geredet. Uber versucht, Londoner Taxifahrer individuell für sich und seine App zu gewinnen. Seit Jahresbeginn können die Fahrer, die schon mit mehreren Taxi-Apps fahren, auch Uber-Aufträge annehmen. Eine Zeitlang – die Rede ist von sechs Monaten – verlangt Uber dafür keine Kommission.
Der Uber-Konzern, der in seiner eigenen Sprache dauernd von einer „Partnerschaft“ redet, hofft, gleich im Januar mehrere hundert Taxifahrer für sich zu gewinnen. LTDA-Chef Steve McNamara sagte den britischen Medien kürzlich in einem ausführlichen Interview, dass eine Zusammenarbeit mit dem Fahrdienstanbieter Uber – der in London keinen besonders guten Ruf hat – die Londoner Taxibranche „beflecken“ würde. Es gebe „keine Nachfrage nach so einer Partnerschaft“ seitens der von der LTDA vertretenen Fahrer. Fahrer, die zugeben, für Uber zu arbeiten (und dabei auch noch angeben, dass Londoner Fahrer „Goldstandard” seien), werden als Verräter gesehen.
Hinzu kommt, dass das Gewerbe seit der Corona-Krise ein deutliches Wachstum erlebt – mit einer Rekordnachfrage nach Taxis und einer zunehmenden Nachfrage über die eigenen Taxi-Apps, begleitet von umfangreichen Investitionen in neue Elektrotaxis. McNamara glaubt, dass Uber nicht nur vom guten Ruf des Taxigewerbes profitieren will, sondern auch den eigenen Mangel an barrierefreien Fahrzeugen ausgleichen möchte. Oder, wie es Taxikollege Howard Taylor gegenüber der BBC kurz und klar aussagte: Er würde nie in Betracht ziehen, für Uber zu arbeiten. Das Taxi sei ein „sicherer, einfach zugänglicher und effizienter Service. Nach allem, was ich gesehen habe, glaube ich nicht, dass Uber diese Einstellung teilt“.
Laut McNamara gibt es mehr als 100.000 Mietwagenfahrer, eine Zahl, die relativ stabil bleibt. Er schätzt die Zahl der Uber-, Bolt- und Ola-Fahrzeuge auf 80.000 bis 82.000. Mietwagen werden im britischen Sprachgebrauch PHV (private hire vehicles) genannt. McNamara: „Aber die meisten dieser Fahrer würden aufgrund des Staus und der vielen Kameras im Zentrum lieber nicht in der Londoner Innenstadt arbeiten. Die Auswirkungen dieser PHVs sind begrenzt. Doch als Uber noch mit unrealistischen Preisen arbeitete, war der (Preis‑)Wettbewerb deutlich härter. Der Anstieg liegt auch daran, dass wir eine andere Kundengruppe gewonnen haben: jüngere Berufstätige und Geschäftsleute, die gerne in unsere Taxis steigen. Manchmal ist das Taxi günstiger als Uber, manchmal ein wenig teurer. Oft sind es nur ein oder zwei Pfund. Aber dann müssen sie sich nicht in den Fond eines alten Toyota Prius zwängen statt in ein geräumiges E-Taxi, und dann haben sie einen Fahrer, der die Londoner Straßen wie seine Westentasche kennt. Über die Busspuren gelangt das Taxi schneller ans Ziel als ein Uber-Mietwagen, und der Kunde kann jederzeit mit Kreditkarte bezahlen. Deshalb steigen manche Fahrgäste um aufs Taxigewerbe.”
McNamara blickt zurück: „Die dunklen Tage des Jahres 2015 liegen lange hinter uns. Einige kleinere Genehmigungsänderungen haben uns gegenüber den PHVs wettbewerbsfähiger gemacht. Die Preise sind seitdem ungefähr gleich. Der Wettbewerb basiert jetzt auf Qualität und nicht mehr auf dem Preis. Das liegt auch daran, dass Private-Equity-Investoren die Subventionierung von Uber, Bolt, Ola und anderen eingestellt haben. Die Leute entscheiden sich wieder für uns. Schauen Sie sich einfach die Taxibewegungen am Londoner Hauptflughafen Heathrow an: Anhand der Daten, die wir jeden Monat vom Flughafen erhalten, sehen wir, dass seit 2017 jeder Monat ein Rekordmonat war. Taxis müssen dort nie lange warten, bis sie mit Fahrgästen nach London zurückfahren können.“
Unterstützung kommt indes auch von unerwarteter Seite: Nicht nur in Deutschland hat Free Now verkündet, sich nach jahrelangem Fokus auf Mietwagen wieder auf das Taxi zu besinnen. In London will der Anbieter helfen, Mietwagenfahrer zu Taxifahrern weiterzuqualifizieren. Hier besteht allerdings noch das „Problem“ der Ortskundeprüfungen, genannt „Knowledge („Das Wissen“). Londoner Taxifahrer sind oft nach ihren eigenen Worten „die besten der Welt“ – eine Einschätzung, die von Kollegen im Ausland geteilt wird. Die Klassifizierung basiert auf dem phänomenalen Straßenwissen – „The Knowledge of London“ – der Londoner Taxifahrer.
Die Ausbildung wird wegen der Stoffmenge mit einem Hochschulstudium verglichen. Das „Wissen“ über rund 25.000 Londoner Straßen und Sehenswürdigkeiten in einem Umkreis von sechs Meilen (ca. neun km) um den Bahnhof Charing Cross ist ein Test, dem sich die angehenden Taxifahrer teilweise stellen müssen. Jeder Teil endet mit einer Teilprüfung vor einem Prüfer, der oft von der Polizei kommt. Sie müssen 320 Routen lernen, zu denen nicht nur die Straßen, sondern auch die wichtigen Gebäude gehören. „Während es früher 470 Strecken zu lernen gab“, sagt McNamara, „sind es heute weniger, aber einige dieser Strecken verlaufen in den Vororten, wo Taxifahrer normalerweise selten hinkommen. Darüber hinaus hat sich in London viel verändert.“ Seltsam, denn für diese Teile Londons gilt eine andere (gelbe) Plakette, speziell für Taxifahrten in den Vororten. Ein Allround-Taxifahrer in London hat ein grünes Abzeichen, das er oder sie stolz um den Hals oder an der Kleidung trägt.
„Wir helfen Ihnen, Black-Cab-Fahrer zu werden”, tönte Free Now im November. Die App braucht mehr richtige Taxifahrer statt nur Mietwagenfahrer. Und in einigen Tagen hatten sich schon über 500 Mietwagenfahrer für dieses Förderprogramm gemeldet. „Bei Free Now suchen wir immer nach Möglichkeiten, unsere Fahrer zu stärken und ihre Einnahmen zu steigern,” hieß es. „Aus diesem Grund haben wir ein Förderprogramm ins Leben gerufen, um die Kosten für die Ausbildung zum Black-Cab-Fahrer zu decken. Wir sind auch bestrebt, das Taxigewerbe als Ganzes zu unterstützen, indem wir Fahrer unterstützen, die in die Branche einsteigen möchten, und allen unseren PHV-Fahrern helfen, die den Wechsel wagen möchten.
Steve McNamara (LTDA) meint, dass „jede Initiative, die dazu beiträgt, mehr Menschen dazu zu ermutigen, ‚The Knowledge’ zu erlernen und darauf hinzuarbeiten, sich unseren Reihen als professionelle, gut ausgebildete, in London lizenzierte Taxifahrer anzuschließen, sehr willkommen“ ist. Die Free-Now-Initiative sei eine von mehreren, die darauf abzielen, mehr Menschen dazu zu bringen, sich bei The Knowledge anzumelden. „Die Zahl der Knowledge-Studenten ist nach der Pandemie zurückgegangen, wächst aber schnell, was auf lange Sicht eine gute Sache ist.”
Es sei großartig zu sehen, dass Free Now in die Zukunftssicherung der lizenzierten Taxis in London investiert. „Mit einer zunehmend emissionsfreien Flotte, einem wachsenden Kundenstamm und einer rekordverdächtigen Nachfrage sowie der richtigen Unterstützung und Initiativen wie dieser hat unser Gewerbe eine glänzende Zukunft vor sich. Ich möchte jeden, der einen lohnenden, flexiblen und dynamischen Job sucht und bereit ist, die erforderliche Zeit und Energie zu investieren, dazu ermutigen, sich The Knowledge anzueignen und Londoner Taxifahrer zu werden.”
Free Now lässt sich tatsächlich nicht lumpen: Der Zuschuss deckt 100 Prozent der Bewerbungskosten, Ausbildungskosten, Prüfungskosten und Lizenzkosten ab. Die Bewerber müssen einer offiziellen „Knowledge“-Schule, von denen es in London einige gibt, beitreten.
Dafür fordert Free Now auch einiges. Bewerber müssen in der Free-Now-App als PHV (Mietwagen)-Fahrer registriert sein. Free Now: „Bevor Sie sich bewerben, müssen Sie in den letzten 12 Monaten mindestens 100 Rides absolviert haben. Zum Zeitpunkt Ihrer Bewerbung müssen Sie über eine Fahrerbewertung von 4,6 oder höher verfügen. So behalten Sie Ihren Zuschuss. Sie müssen jeden Monat (einschließlich Ihres ersten Monats) mindestens 90 Rides absolvieren. Ihre Stornierungsrate darf nicht höher als 8 Prozent sein. Sie müssen ein aktiver Schüler der Wissensschule sein.” wf
Fotos: Wim Faber