Bei der heutigen digital durchgeführten Taxi Driving Innovation stand der erste Themenblock unter dem Motto „Uber & Co.: Neue Mobilität statt gute Arbeit?“ Den Impulsvortrag hierzu hielt Alex Rosenblat, bei der Diskussion hinterher ging es auch immer wieder um die PBefG-Novelle.
Als der Fahrdienstleister bzw. Fahrtenvermittler Uber im Frühjahr 2019 an die Börse ging, gehörte die amerikanische Gesellschaftswissenschaftlerin Alex Rosenblat zu den schärfsten Kritikern im wissenschaftlichen Bereich. In Ihrem neuen Buch, dessen Titel sinngemäß übersetzt lautet „Uber-Land – wie Algorithmen die Arbeit neu definieren“, beschreibt die Forscherin des Data and Society Research Institutes, eines unabhängigen Forschungszentrums in New York City, welche Macht Technik und Automatisierung entwickelt haben.
Rosenblat, die hunderte Male mit Uber gefahren ist und Fahrer interviewt hat, erforscht seit 2014 die sogenannte Gig-Economy, jenen Wirtschaftszweig, bei dem laut Wikipedia „kleine Aufträge kurzfristig an unabhängige Selbständige, Freiberufler oder geringfügig Beschäftigte vergeben werden. Dabei dient häufig eine Onlineplattform als Mittler zwischen Kunde und Auftragnehmer, die Rahmenbedingungen setzt und deren Betreiber eine Provision einbehält.“
So thematisiert sie etwa, dass bei der Tätigkeit eines Uber-Fahrers kein Vorgesetzter anwesend ist, der ihm Anweisungen gibt und nach menschlichem Ermessen auf sein Verhalten reagiert, wohl aber ein allwissendes Smartphone, das ihm Rückmeldungen über Fahrstil, Bremsgewohnheiten, abgelehnte Aufträge oder Bewertungen gibt und ihn gegebenenfalls aus der Vermittlung ausschließt, was einer Entlassung gleichkommt.
Ubers Zurückhaltung beim Erteilen von Anweisungen an Partnerfirmen oder deren Fahrer gründe auf der berechtigten Befürchtung, Uber könne als Arbeitgeber angesehen werden – worum es bereits des öfteren, nicht nur in den USA, in Gerichtsverfahren ging. Das hätte für den Anbieter den enormen Nachteil, dass die Regulierung der Arbeitsbedingungen nicht dem Kartellrecht, sondern dem Arbeits- und Beschäftigungsrecht unterläge, wodurch die Fahrer ungleich mehr Rechte hätten. Dennoch erhalten Fahrer eindeutige Signale, was von ihnen erwartet werde, während sie kaum Mitspracherecht, etwa bei Preisverhandlungen, haben.
Ähnlich wie in Deutschland betreibt Uber nach Rosenblats Erkenntnissen völlig ungeachtet juristischer Einwände sein Geschäftsmodell nach seinen Vorstellungen auch in den USA weiter und tut so, als wären die Fahrer unabhängige Auftragnehmer.
Auch verschaffe Uber sich Zustimmung in Politik und Bevölkerung durch bewusste Falschaussagen, etwa, dass Uber-Fahrer umgerechnet über 6.000 Euro im Monat verdienen würden. Die Presse habe gejubelt, Ubers bemerkenswertes Wachstum könne die Ära der schlecht bezahlten Taxifahrer beenden und mit einer einzigen App massenhaft Menschen zu selbstständigen Unternehmern machen – was zu Rezessionszeiten auf offene Ohren stieß. In Wahrheit verloren Fahrer nach Rosenblats Recherche aber massenhaft Haus und Job.
Der Ausbruch der Corona-Krise habe Uber dann nochmals in die Hände gespielt, da die einsetzende Massenarbeitslosigkeit scheinbar durch die Möglichkeit, ohne Eigenkapital sofort einen Job als vermeintlich unabhängiger Fahrer zu erhalten, entschärft werden konnte und die Bedenken betreffs der Arbeitsbedingungen in den Hintergrund traten.
Gegen Ubers irreführende Behauptungen und Praktiken hat die amerikanische Bundeshandelskommission (Federal Trade Commission, FTC), eine unabhängige Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde, interveniert. Uber versuchte, durch Zahlung von 16,9 Millionen Euro eine Klage abzuwenden.
Erst 2018 hätten sich Berichte und Kritik über die wahren Arbeitsbedingungen verbreitet, dass Fahrer beispielsweise nur knapp 9,50 Euro die Stunde verdienten. Das sei für einen Angestellten nicht schlecht, entspreche aber nicht annähernd den Ansprüchen eines unabhängigen Unternehmers. Viele Fahrer seien nach kurzer Zeit bitter von den falschen Versprechungen enttäuscht.
Zudem komme es auch in amerikanischen und kanadischen Städten vor, dass Uber dreist gegen geltendes Recht verstoße und bereits seine Dienste anbiete, bevor dies genehmigt sei, weshalb beispielsweise in Montréal ein Fahrer erzählt habe, er hätte sich anfangs vor feindseligen Taxifahrern in Acht nehmen und sein Smartphone auf dem Schoß verstecken müssen.
Das amerikanische Personenbeförderungsgesetz habe Uber durch einen einfachen Trick umgangen: indem es sich – ebenso wie zahlreiche andere Unternehmen der Gig-Economy – als Technologieunternehmen bezeichnete. Als solches sei es aber wiederum in den Fokus einer Bewegung gerückt, die die Auswirkungen der Silicon-Valley-Technolgie misstrauisch beäugt. Heutzutage wachse in den USA die Erkenntnis, dass die Gig-Economy auch negative Auswirkungen habe und kein Allheilmittel gegen Rezession sei. Lediglich in der Corona-Krise biete ein Beschäftigungsverhältnis in der Gig-Economy in Verbindung mit staatlichen Rettungsschirmen etwas mehr Schutz vor Armut als andere Arbeitsplätze.
Im Anschluss an Alex Rosenblats Vortrag diskutierten Mira Ball, Verkehrsexpertin der Gewerkschaft ver.di, Johanna Reinhardt, Projektmanagerin Innovation / Urbane Mobilität des Fahrdienstes Clever Shuttle und Herwig Kollar, Vizepräsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V., über das Thema unter Leitung der Fachmoderatorin Valerie Lux.
Mira Ball kritisierte in diesem Zusammenhang, dass die Sozialstandards nur als einzelnes Wort erwähnt sind und somit nicht klar ist, wie genau diese aussehen könnten. Man müsse damit rechnen, dass konkrete, von den Kommunen definierte Vorgaben von den Plattformbetreibern als solche nicht erkannt werden oder aber man Verstöße und Sanktionen betriebswirtschaftlich bewusst einkalkuliere.
Aus ihrer Sicht muss gerade im Taxi- und Mietwagenbereich die Arbeitszeit ohne Fahrgast als Bereitsschaftszeit vollumfänglich vergütet werden. Man müsse daher alle technischen Möglichkeiten nutzen, die eine genaue Erfassung der Arbeitszeit im Fahrzeug zulasse.
Rechtsanwalt Herwig Kollar verwies im Hinblick auf die Besetztzeiten bei Uber in den USA auf eine Studie, wonach 41 Prozent der Einsatzzeit eines Uber-Fahrers ohne Fahrgast stattfinden. Entlohnt wird aber nur die Zeit mit Fahrgast. In der Öffentlichkeit werde dieser kleine Unterschied verschwiegen. Stattdessen werde der Politik und den Kunden weisgemacht, man würde oberhalb des gesetzlichen Stundenlohns bezahlen. Solche bewusst gestreuten Falschinformationen hätten in Kalifornien dazu geführt, dass eine staatliche Regelung, welche Bedienstete der GIG-Economy als Arbeitnehmer definiert hatte, nun im Rahmen einer Abstimmung (Prop22) wieder verwässert wurde.
Johanna Reinhardt nutzte in ihren Statements die Gelegenheit und positionierte ihre in Taxikreisen umstrittene Sharing-Plattform „CleverShuttle“ als anderes Konzept. Man agiere mit festangestellten Fahrern. Kundenbewertungen seien für das Unternehmen sehr wichtig, würden aber nicht zu Disziplinarmaßnahmen führen. Dabei ging Frau Reinhardt elegant darüber hinweg, dass der Geldgeber Deutsche Bahn in der Hochphase der Corona-Krise den Dienst in zahlreichen Großstädten aufgrund der massiven Verluste wieder eingestellt hatte.
Jene finanzkräftigen Investoren, die hinter Clever Shuttle oder auch Moia stehen, nahm Herwig Kollar ins Visier. Hätte eine Deutsche Bahn die Gelder in das Taxigewerbe investiert, wären auch hier technische Entwicklungen leichter umzusetzen gewesen. So aber sei das Taxigewerbe gezwungen, alle Investitionen aus eigener Kraft zu tätigen.
Die Rolle der Aufsichtsbehörden im Umgang mit den neuen Anbietern kritisierte Kollar: Die Tatsache, dass man vorhandenes Recht nicht durchsetze aus Angst davor, man könnte dafür von Uber & Co verklagt und zu Schadenersatzzahlungen verurteilt werden, bezeichnete Kollar als größtenteils als „erbärmliches Versagen“. jh + ar
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Es ist mir völlig unverständlich, das das Labo in Berlin überfälliger Weise überhaupt nicht Ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommt . Jeder der sich in der Materie etw. Auskennt weiß, was mit Uber mit den Fahrern tut, bzw welche Methoden verbotswidrig eiskalt weiter praktiziert werden, weil unser Staat entweder schläft, bewusst wegschaut!!!
Bezüglich des Stundenlohnes von 9,50 EUR wäre noch zu ergänzen, dass laut Frau Rosenblat dabei nur die reinen Besetztzeiten zu Grunde gelegt wurde. Die Zeiten während der Leerfahrten oder Wartezeiten sind darin nicht enthalten. Scheibar gilt dies nicht als Arbeitszeit. Das relativiert diesen Betrag doch erheblich.