Die Roboter-Taxis lassen sich durch den tragischen Unfall in Arizona nicht stoppen. Das Taxigewerbe muss weiter an seiner Konkurrenzfähigkeit und an der politischen Interessenvertretung arbeiten. Kommentar
Die USA können wegen ihrer rechtlichen Möglichkeiten, autonome Fahrzeuge im Verkehr zu testen, als Sprungschanze nach Europa verstanden werden. Wenngleich die Verhältnisse nicht übertragbar sind, sind trotz des Unfalls bislang keine nennenswerten Einschränkungen der Spielwiese für die Entwickler in Aussicht. Der Unfall hat zwar bewiesen, dass das Zusammenspiel von Mensch und Maschine so nicht funktionieren kann. „Ein bißchen“ selbstfahren oder ein „manchmal funktionieren“ wird es nicht geben können, weil der Fahrer dann abschaltet. Auch dürfte die zentrale „Schuldfrage“ (oder genauer: die Frage nach der Unfallursache und nach der Vermeidbarkeit) zu Ungunsten des Betreibers Uber ausfallen. Doch in einem Land, wo Lehrer bewaffnet werden und der Klimawandel als Verschwörungstheorie gilt, läuft vieles anders als in Europa.
Ob es sich bei dem offensichtlichen Systemversagen nämlich um einen Fehler handelt, der sich beheben lässt, so dass die Tests auch bei Uber weiterlaufen könnten, werden erst die Untersuchungen der beteiligten Behörden – mittlerweile drei – zeigen. Und das kann dauern.
Eine weitere Frage stellt sich: Ist nur Uber betroffen oder sind Rückschlüsse auf die Systeme anderer Autobauer zulässig? GM, Ford, Tesla oder Waymo hatten zuvor bereits verkündet, dass sie mittlerweile den Feinschliff vor der Praxisreife durchführen – und stellten nach dem Unfall ihre Tests nicht ein. Sogar die Verkehrsbehörden von Arizona oder Kalifornien gaben recht schnell bekannt, dass keine Änderungen an den erteilten Testerlaubnissen beabsichtigt sind. Auch nach dem ein Testfahrer im Mai 2016 starb, als der teil-autonom fahrende Tesla einen LKW rammte, gingen die Tests weiter. Mit den Einstellungen der Testfahrten ist also nicht zu rechnen.
Dabei absolvierten die autonomen Fahrzeuge eine vergleichsweise geringe Kilometerleistung – mit Ausnahme der Autos von Waymo. Daimler und VW scheinen meilenweit hinterher zu hinken. Dennoch mussten Fahrer häufig eingreifen. In den USA sind dabei einige Unfälle durch die Roboter verursacht worden. Sie sind meistens glimpflich verlaufen, aber es ist mit einer Dunkelziffer zu rechnen. In den USA können solche Rechtsstreite häufig mit einem privaten Vergleich beigelegt werden: Für eine gewisse Summe an Schadensersatz unterzeichnet das Unfallopfer eine Schweigeverpflichtung. Diese Fälle tauchen also weder bei Behörden, noch bei der Presse auf und stellen somit auch keine Gefahr für die Pläne dar. Objektiv lässt sich die Praxistauglichkeit selbstfahrender Systeme gar nicht ermitteln und beruht allein auf Angaben der Hersteller.
Die Kunden der Fahrdienste müssen ebenso eine Verhandlungs-Klausel unterschreiben, die ihnen bei einem Unfall de facto das Recht auf eine Klage verwehrt. Gegen diese Praxis gibt es Widerstand von Politikern, die erreichen wollen, dass Verbraucher besser geschützt werden. Von Verbraucherseite ist trotzdem nicht mit einem Sturm zu rechnen. Auch wenn sich die Tochter der Verstorbenen einen Anwalt nehmen konnte und jetzt medienwirksam klagen und eine hohe Abfindung erhalten wird, ist doch die überwiegende Mehrheit in den autofreundlichen USA mit anderen Problemen beschäftigt. Aus diesem Grunde dürfte sich auch der Image- und Vertrauensschaden langfristig gering ausfallen und durch Werbung zu kompensieren sein.
In den USA fängt man jetzt erst an, sich Gedanken zu machen über die Haftungsfrage oder über ethische Bedenken im Falle eines Unfalles, der (mit-) verursacht wird durch einen Computer. Es ist trotz der aktuellen Debatte nicht damit zu rechnen, dass es nennenswerte rechtliche Einschränkungen für die Technologie gibt. Vorstellbar wären bislang kleinere Nachbesserungen in den Gesetzen.
Diese rechtliche Erlaubnis ist die Sprungschanze nach Europa, denn wenn die Roboterwagen in den USA sicher in den Städten und Vororten unterwegs sind, könnte man damit in Europa werben. Dass für solche Tests eine rechtliche Möglichkeit geschaffen werden soll, hat die neue Bundesregierung auch in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Die globalen Konkurrenten werden dann ausmachen, wer das Rennen in europäischen Metropolen mit ihren ungleich komplexeren Verkehrsgeschehen auf schmalen Straßen, zusammen mit gleichberechtigten Radfahren und Fußgängern, macht. Dafür scheint die Technik im Moment noch nicht reif – was man auch an dem unfreiwillig komischen Patentantrag Ubers für ein System sehen kann, das mit Fußgängern oder Radfahrern kommunizieren soll.
Das ändert leider für das Taxigewerbe nichts. Im Moment zeigen die Geschehnisse lediglich, dass die Fahrroboter nicht unmittelbar vor der Markteinführung stehen – ob aus gesellschaftlichen Gründen oder aus technischen spielt dabei keine Rolle. Der Unfall lässt keine Rückschlüsse auf den Stand der gesamten Industrie zu. Sie hat Milliarden investiert, wird ihre Projekte weiterverfolgen und bekommt Unterstützung aus der Politik. Das Taxigewerbe muss sich auf die Konkurrenz also unverändert vorbereiten und sich darauf besinnen, was seine Stärken sind, was ein (funktionierender) Roboter nicht kann: Den menschlichen Service jenseits der Anonymität öffentlicher Verkehrsmittel. Damit kann jeder Fahrer und Unternehmer vor Ort bereits jetzt anfangen, während auch ein Gegengewicht zur Lobbyarbeit der Konzerne geschaffen werden muss. Hier muss klar gemacht werden, welche gesellschaftliche Funktion das Gewerbe eigenwirtschaftlich erfüllt, welche Wertschöpfung und Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, welche Leistungen für die Bevölkerung gefährdet sind, wenn steuerlich im Ausland veranlagte Großkonzerne Transportmonopole in den Städten aufbauen. prh
Grafik: Taxi Times
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….ich hatte vor kurzem das „vergnügen“ gehabt einem selbstfahrenden kleinbus auf das gelende vom virchow klinikum zu bestaunen der von links aus der mittelallee kommend mir die vorfahrt einfach und schlicht die vorfahrt genommen hat….! Auf dem fenster stand „testfahrzeug“!!! Wäre ich ein „robotaxi“ gewesen würde es zum unfall kommen!
Sehr gut, würde mich mal brennend interessieren, wer dann den Schaden reguliert! Selbstfahrend, für mich der größte Schwachsinn überhaupt.Alles soll durch Maschinen übernommen werden und keinem ist bewusst, dass dann der Mensch auf der Strecke bleibt!!! Es lebe das Geld!