Nach einem Gerichtsurteil erhalten tausende Bolt-Fahrer im Vereinigten Königreich einen Rechtsanspruch auf Anerkennung als „Worker“ mit Arbeitnehmerrechten.
Tausende Bolt-Fahrer haben ihren Rechtsanspruch auf Anerkennung als Arbeitnehmer im Vereinigten Königreich durchgesetzt und könnten Anspruch auf eine Entschädigung von zusammen mehr als 200 Millionen Pfund (240,9 Millionen Euro) haben. Ein Arbeitsgericht entschied am vergangenen Freitag, dem 8. November, dass es sich bei den 15.000 Bolt-Fahrern nicht um Selbstständige handelt, die ihre eigenen Unternehmen leiten, sondern um „Worker“ (Arbeiter), eine im Vereinigten Königreich einzigartige Kategorie zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen.
Anwälte der Anwaltskanzlei Leigh Day, die die Fahrer vertreten, gehen davon aus, dass die ihren Mandanten zustehende Entschädigung mehr als 200 Millionen Pfund betragen könnte. Das Urteil folgt auf eine dreiwöchige Gerichtsverhandlung im September und bedeutet, dass die Fahrer Anspruch auf Arbeitnehmerrechte und arbeitsrechtlichen Schutz haben.
Die Juristen führten aus, es betreffe sämtliche Fahrer, die im Vereinigten Königreich über die private Mietwagenvermittlungs-App Bolt arbeiten – mehr als 100.000. Die Anwaltskanzlei hatte erklärt, die Fahrer könnten argumentieren, dass sie als „Worker“ eingestuft werden sollten, mit allen Arbeitsrechten und Schutzmaßnahmen, die diese Klassifizierung mit sich bringt. Charlotte Pettman, eine Anwältin des Leigh Day Employment Teams, sagte: „Wir freuen uns sehr, dass das Arbeitsgericht zugunsten unserer Bolt-Fahrer-Kunden entschieden hat. Dieses Urteil bestätigt, dass Gig-Economy-Betreiber ihre Arbeitnehmer nicht weiterhin fälschlicherweise als selbstständig einstufen können. Wir fordern Bolt auf, unsere Kunden unverzüglich zu entschädigen.“ Es geht dabei um Arbeitnehmer, die angeblich als Selbstständige eingestuft werden, obwohl sie keine eigenen Unternehmen betreiben. Damit möchten die Plattformen wie Uber, Bolt und Ola verhindern, dass die Fahrer die ihnen zustehenden Rechte erhalten.
Ein Bolt-Sprecher kommentierte: „Fahrer stehen im Mittelpunkt unseres Handelns und wir haben immer die Entscheidung der überwiegenden Mehrheit unterstützt, selbstständig zu bleiben, um ihre Flexibilität, persönliche Kontrolle und ihr Verdienstpotenzial zu schützen.“
Die von Leigh Days Rechtsanspruch erfassten Fahrer haben außerdem Anspruch auf eine rückwirkende Entschädigung wegen Unterzahlung des Mindestlohns und nicht gezahlten Urlaubsgeldes. Andere Fahrer haben noch Zeit, sich dem Rechtsanspruch anzuschließen und ihren Anspruch auf Entschädigung geltend zu machen. Die Kanzlei Leigh Day geht davon aus, dass ein Fahrer im Durchschnitt Anspruch auf eine Entschädigung von mehr als 15.000 Pfund (18.100 Euro) haben könnte. Voraussichtlich im nächsten Jahr wird eine weitere Anhörung stattfinden, bei der das Arbeitsgericht entscheiden wird, wie viel Entschädigung für unbezahltes Urlaubsgeld und Einkommensverluste jeder Fahrer erhalten wird.
Bolt-Fahrer haben nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs von 2021, nach dem Fahrer der Konkurrenz-Plattform Uber als „Worker“ einzustufen sind, einen eigenen Rechtsanspruch auf diese Einstufung als „Arbeiter“ erhoben. Bolt-Fahrer machen geltend, das Urteil gelte ebenso für ihre Arbeitssituation. Leigh Day hatte auch Uber-Fahrer in ihrem erfolgreichen Rechtsstreit vertreten.
Die Betreiber der in Estland ansässigen Ride-Hailing-App Bolt gaben kurz vor der Anhörung bekannt, dass sie ihre Fahrer zwar nicht als Angestellte betrachten, diese aber ab dem 1. August 2024 Urlaubsgeld und den nationalen Mindestlohn erhalten würden – die Rechte, für deren Anspruch die Fahrer gekämpft hatten. Leigh Day argumentierte jedoch, dass die Art und Weise, wie Bolt die Zahlungen berechnet, nicht im Einklang mit dem Arbeitsrecht stehet. Bolt bezahlt seinen Fahrern derzeit nur die Zeit, in der sie Personen befördern. Allerdings entschied das Arbeitsgericht, dass Fahrer auch für die Zeit, die sie in der App angemeldet mit dem Warten auf Aufträge verbringen, vergütet werden sollten, sofern sie nicht auch in Apps anderer privater Anbieter eingeloggt sind. Das Urteil des Arbeitsgerichts bedeutet, dass Bolt bezahlten Urlaub gewähren und sicherstellen muss, dass Fahrer für alle Arbeitszeiten den Mindestlohn erhalten.
Bolt-Fahrer Shuhel Ahmed sagte: „Das sind großartige Neuigkeiten und eine große Erleichterung. Ich bin so froh, dass Leigh Day mit diesem Teil des Rechtsanspruchs erfolgreich war. Es ist befriedigend zu wissen, dass unsere harte Arbeit und unsere langen Arbeitszeiten anerkannt werden und dass wir weiterhin für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen kämpfen können – und dass die Vergütung einen großen Unterschied in meinem Leben und dem meiner Familie machen wird.“
Leigh Day vertritt außerdem 700 Fahrer des Fahrdienstanbieters Addison Lee in einer ähnlichen Klage, die derzeit vor dem Watford Employment Tribunal verhandelt wird. Eine parallele Klage im Namen von Hunderten von Ola-Fahrern wird ab Dienstag, dem 12. November, vor dem Londoner Central Employment Tribunal verhandelt. Der Prozess wird voraussichtlich acht Tage dauern. wf
Fotos: Leigh Day