Für den Fahrtenvermittler Uber ist London der wichtigste europäische Markt mit einem hohen Marktanteil. Dieser bröckelt derzeit allerdings aufgrund eines massiven Fahrermangels. Die Folgen sind ähnlich wie in den USA: lange Wartezeiten und hohe Preise bei Uber. Für die App-Kunden wird somit plötzlich das klassische Taxi (Black Cab) wieder attraktiv.
Ein Symptom, über das wir bereits im Juli am Beispiel New York berichtet haben, zeigt sich nun auch in London: verärgerte Kunden steigen auf Taxis um, die heutzutage meist schneller, billiger und bequemer sind als Uber. Warum das so ist, hat die britische Tageszeitung “Daily Mail” vor einigen Tagen analysiert.
Unter der Headline “warum Ihr Uber Sie gerade im Stich gelassen hat” liefert die Zeitung eigens recherchierte Fakten: So seien beispielsweise die Anfahrtszeiten in 35 Prozent der Uber-Fahrten schon länger als fünf Minuten. Grund: Fahrermangel. Damit landen diese Bestellungen im Uber-Algorithmus dann schnell in der Surge Pricing Zone: Die App erhöht automatisch die Preise, um der gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden.
Viele Uber-Fahrten werden auch von Fahrern storniert, weil diese sie preislich für uninteressant halten. Da Uber die Anfahrtszeit zu einem Kunden nicht bezahlt, sagen Fahrer, dass kurze Fahrten, die lange dauern, sich nicht lohnen – erst Recht nicht, wenn die Anfahrtswege und die Fahrt selber noch durch die in vielen Stadtteilen eingeführten “Low-Traffic-Areas” ausgebremst werden.
Diese Stornos führen dann generell zu höheren Preisen, gerade wenn relativ wenige Uber-Fahrer unterwegs sind. Dazu kommt noch, dass Uber-Fahrer mehrere konkurrierende Apps wie Bolt und Free Now verwenden müssen, um ihr Einkommen auf dem gleichen Level zu halten. Mithilfe dieses ‘Multi-Apping’ können sie sich die Touren rauspicken, mit denen sie den höchsten Fahrpreis erzielen.
Es kommt sogar vor, dass Fahrer auf dem Weg zur Abholung Fahrten stornieren, wenn sie zwischenzeitlich eine besser bezahlte Fahrt angeboten bekommen. Für die Kunden bedeutet dies, noch länger warten zu müssen. Einige verärgerte Fahrgäste sagen, dass sie in London mehr als zehn Minuten auf eine Fahrt gewartet haben – wo die Abholzeiten zuvor eine Sache von Minuten waren. Verärgerte Nutzer haben sich inzwischen geschworen, Uber wegen der langen Wartezeiten und „verrückten“ Preise nicht mehr zu nutzen. Die Uber-Preise sind so rasch angestiegen, dass ‘Black Cabs’ oft schneller, verlässlicher und billiger sind.
Wie frustriert die Kunden mittlerweile sind, lässt sich an diversen Tweets auf Twitter erkennen: „Ich warte 10 Minuten, die App verbindet mich endlich mit einem Fahrer … ich werde IMMER mindestens einmal storniert.” „Nie wieder Uber verwenden. Jedes Mal, wenn ich versuche, eine Heimfahrt von der Londoner Innenstadt zu buchen, wird sie von mindestens fünf Fahrern storniert.” „Ich habe eine Uber-Bewertung von 4,5. Es dauert länger, jetzt ein Uber zu buchen, als für mich nach Hause zu kommen. Ich nahm ein schwarzes Taxi nach Hause und es war inklusive Trinkgeld billiger!”
Uber-Kunden waren es in London gewohnt, ein Fahrzeug schnell und billig zu bekommen. Das ist nun vorbei, weil der Fahrtenvermittler laut “Daily Mail” eine Fülle an Problemen habe, mit denen Uber-Kunden konfrontiert sind. Uber hat nach Angaben von Mitarbeitern seit Beginn der Covid-Pandemie Tausende von Fahrern verloren. Viele Fahrer haben Uber gegen Essenslieferer (wie Uber Eats oder Deliveroo) getauscht, nachdem die Uber-Nachfrage während des Lockdowns stark zurückgegangen war.
Uber hat zugegeben, dass der Service unter “höheren Stornierungen von Fahrern“ leidet. Jamie Heywood, General Manager von Uber für Nord- und Osteuropa, bestätigte die oben genannte Zahl, wonach 35 Prozent der Autos jetzt fünf oder mehr Minuten brauchen, um überhaupt beim Kunden anzukommen.
Das Problem begann bereits zu Beginn der Pandemie, als die Nachfrage aufgrund der Lockdowns in Großbritannien einbrach. Uber-Fahrer Nader Awaad sagte gegenüber der Daily Mail, „Tausende“ hätten die Ride-Hailing-App anschließend verlassen, weil viele weder ihren Lebensunterhalt bestreiten noch finanzielle Unterstützung beanspruchen konnten. Andere waren gezwungen, Covid-Unterstützungskredite aufzunehmen, um sie während der Pandemie zu überbrücken.
In der Sunday Times nannte Heywood noch einen anderen Grund für die aktuellen Probleme. Sie könnten auch auf die Entscheidung zurückzuführen sein, dass Uber im Oktober letzten Jahres ‘Vorauspreise’ eingeführt hatte, bei denen Fahrer und Passagiere einen Festpreis für die Fahrt erhalten. Aus Kundensicht soll das fairer sein soll als das bisherige System einer geschätzten Preisspanne.
Bei den Fahrern sind diese Festpreise hingegen nicht beliebt. Wenn der Verkehr stärker als erwartet ist oder wenn sie umfahren müssen, würden sie dadurch Geld verlieren, sagen sie. Der Preis wird erst nach oben revidiert, wenn sie mindestens 40 Prozent weiter oder 20 Prozent länger fahren müssen als berechnet.
Jamie Heywood sagte, dass die Nachfrage nach den Lockdowns in einigen Städten um bis zu 40 % gestiegen ist, da viele Menschen versuchen, öffentliche Verkehrsmittel zu meiden. Fast gleichzeitig erhöhte Uber die Kommission für Tausende von Fahrern von 20 auf 25 Prozent, nachdem Richter des Obersten Gerichtshofs in Großbritannien entschieden hatten, dass das Unternehmen seinen Mitarbeitern Leistungen wie Urlaubsgeld gewähren muss.
Inzwischen hat sich für Uber, das einst das Monopol für Ride-Hailing-Apps in London hatte, die Lage verschlimmert: Der Aufstieg des Konkurrenzdienstes Bolt ist für Uber ‘besorgniserregend’. Der Service wurde 2013 vom estnischen Unternehmer Markus Villig (27) ins Leben gerufen. Das Unternehmen, das früher als Taxify bekannt war, ist heute in mehr als 45 Ländern tätig und verfügt über 600 Millionen Euro an Risikokapital, mit dem man das Geschäft – nicht nur in London – ausbauen will. In Berlin, wo Bolt mittlerweile ebenfalls aktiv ist, bekämpft man sich heftig und versucht, durch Druck auf die eigenen Partner eine Doppelvermittlung zu stoppen.
Bis Ende 2021 will Uber in London nun 20.000 neue Fahrer für sich gewinnen (von „einstellen” kann man in diesem Zusammenhang nicht sprechen, da man sich nach wie vor dagegen wehrt, die Partner als Arbeitnehmer zu beschäftigen).
Ob diese Ankündigung allerdings tatsächlich umsetzbar ist, darf mit einem Blick über den Ozean bezweifelt werden: In den Vereinigten Staaten ist es auch mit finanziellen ‘Incentives’ bislang nicht gelungen, genügend Fahrer für Uber und Lyft zu gewinnen. wf
Beitragsfoto: Wegen Fahrermangel, langen Wartezeiten und hohen Preisen bei Uber greifen manche App-Kunden nun wieder auf die Londoner ‘Black Cabs’ zurück. Foto Wim Faber
Hallo Herr Faber! Danke, selten habe ich eine zutreffendere Darstellung der aktuellen Situation in unserer Branche gefunden. Mich freut es auch, wie die Redaktion und einige Leser hier berichten und sich teilweise mit Vehemenz einsetzen die Taxibranche weiter auf Kurs zu halten („Es gibt leider zuviele Kleingeister und Dampfplauderer in unserer Branche!“)
Als aufstrebender Mietwagenunternehmer in München gewinne ich über die „Multi-App-Nutzung“ laufend viele neue Stammkunden zum Aufbau meiner eigenen Unternehmer-App.
Macht weiter so, ich freue mich schon auf die Konzessionierung mehrerer klassischer Taxifahrzeuge, wenn die Behörden mitmachen, aber das ist ein eigenes Thema.