Die Stadt London und die Transportbehörde TfL haben ein Berufungsverfahren gewonnen und dürfen nun den umstrittenen Streetspace-Plan weiterhin umsetzen. Geklagt hatte die Taxibranche.
Gerade jetzt, wo eine Studie zeigt, dass ein Viertel derjenigen, die häufiger Taxis nutzen wollen, die öffentlichen Verkehrsmittel in London weniger nutzen werden, versucht Londons Bürgermeister Sadiq Khan, die klassischen ‘black cabs’ aus dem Londoner Stadtzentrum zu verdrängen. Er will Fußgängern und Radfahrern mehr Platz gewähren und Taxifahrern ihre Privilegien wegnehmen.
In vielen Großstädte Europas wurden während der Pandemie und unter Berufung auf die Gesundheitskrise neue Rad- und Fußwege geschaffen und erweitert (Taxi Times berichtet dazu bereits vom Beispiel München). Gleichzeitig wurden Fahrbahnen für PKWs teilweise erheblich reduziert. Auch gab es überall freie Bahn für den ÖPNV, wobei üblicherweise das Taxigewerbe – ‘Teil des ÖPNV’, wie es immer in der Politik so schön heißt – übersehen (oder besser: ignoriert) wurde.
Ein typisches Beispiel dafür ist die britische Hauptstadt London. Am Anfang der Pandemie schafften die Boroughs, die selbständigen Stadtteile, ohne irgendwelche Koordination alle ihre eigenen ‘Low Traffic Neighbourhoods’ (LTN), indem man Straßen mit Pflanzgefäßen blockierte, Durchgangswege sperrte und neue Radwege baute. Die improvisierten Sperrungen und neuen Einbahnstraßen hatten zur Folge, dass nicht nur Taxifahrer, sondern auch Krankenwagen, Polizei und Feuerwehr vergeblich ihren Weg suchten.
Diese Maßnahmen waren Teil eines neuen Systems (‘Streetspace’), das sowohl der kürzlich wiedergewählte Bürgermeister Sadiq Khan als auch die Straßenverkehrsbehörde ‘Transport for London’ (TfL) weiterhin durchsetzen wollen. Dabei hatte Kahn noch während des Wahlkampfes so getan, als sei er der beste Kumpel der Londoner Taxifahrer. “Ohne euch, Taxifahrer, gibt es für London keine Zukunft”, hatte er sogar von sich gegeben. Aber gleich nach seiner Wiederwahl kam ihm dieser Satz offensichtlich nicht mehr in den Sinn.
Im Januar hatten die Taxiverbände Licensed Taxi Drivers‘ Association (LTDA) und United Trade Action Group (UTAG) vor dem Obersten Gerichtshof einen ausgesprochen schmerzhaften Sieg über die Behörde TfL und Khan errungen. Damals entschied der Richter, dass ein Plan zur Einführung eines neuen Systems (‘Streetspace’) für den Auto-, Fahrrad- und Fußgängerverkehr und für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Zentrum Londons „voreilig, unsachgemäß und rechtswidrig“ angewandt wurde.
Das Taxigewerbe stellte fest, dass ihre Fahrer*Innen – im Gegensatz zu den üblichen Ausnahmen – den Zugang zu Busspuren auf einer Vielzahl von Straßen im Zentrum Londons verloren hatten und Kunden häufig nicht mehr abholen und absetzen konnten. Rollstuhlfahrer (alle Londoner Taxis sind rollstuhlgerecht) sind dadurch besonders betroffen. Taxifahrer dürfen zudem während der Woche einen Teil des A10-Rings nicht mehr benutzen.
In der Januarklage stellte der Richter fest, dass der Bürgermeister und TfL „die Pandemie ausgenutzt“ hatten, um ihre Verkehrsmanagementpolitik zu beschleunigen, mit der Absicht, die „vorübergehenden“ Maßnahmen nach der Covid-19-Krise dauerhaft zu machen. Der Richter kam zu dem Schluss, „dass die Politik weit über das hinausging, was vernünftigerweise notwendig war, um die vorübergehenden Herausforderungen der Pandemie zu bewältigen“.
Khan und TfL legten Berufung gegen dieses Urteil ein und behaupteten, dass die Politik während der Corona-Krise als „wesentliche“ Maßnahme geändert worden sei und dass dies vollständig rechtmäßig geschehen ist. Letzte Woche entschied der Berufungsrichter zu ihren Gunsten und die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, die Streetspace-Pläne zu blockieren, wurde aufgehoben.
Der triumphierende Bürgermeister nannte die Entscheidung eine „Rechtfertigung für unsere Politik“, das Gehen und Radfahren für die Londoner sicherer und einfacher zu machen und zu einer grünen und nachhaltigen Erholung von der Pandemie beizutragen. Was das Taxigewerbe besonders schmerzt ist, dass derselbe Bürgermeister, der sich vor seiner Wahl aktiv um die Unterstützung Tausender Taxiunternehmer bemüht hatte, nun eine 180-Grad-Kehrtwende vollzieht.
Darüber hinaus befürchten Taxiunternehmer, dass die TfL, die sowohl die Interessen des Taxigewerbes als auch die des öffentlichen Personennahverkehrs, der Radfahrer und der Fußgänger vertreten muss, ihnen gegenüber gleichermaßen negativ eingestellt ist. Dies bestärkt auch unter Taxiunternehmern das Gefühl, dass die TfL, das seit Jahren im Taxisektor einen Pro-Uber-Ruf hat, alles unternimmt, um es den offiziellen Taxisektor schwierig zu machen.
Die beiden Verbände LTDA und UTAG haben bereits erste Schritte unternommen, um beim Obersten Gerichtshof erneut Berufung einzulegen. wf
Beitragsfoto: Fahrradspuren und gesperrte Straßen machen den Londoner Taxifahrern das Leben schwer. Quelle: Simon Rae on Unsplash