Der Fahrdienstanbieter Uber vermittelt in Hamburg und Berlin neuerdings barrierefreie Taxis und tut so, als verbessere dies das Angebot. In Wahrheit ist es eine Alibi-Aktion.
Ein Kommentar von Axel Rühle und Jürgen Hartmann
Nur drei Wochen nach Bekanntwerden der Uber-Files arbeitet Uber an der Verbesserung seines Images. Mit„Taxi Wheelchair“ bedient man nun ein Geschäftsfeld, das der Konzern bisher komplett hatte links liegen lassen.
Wer allerdings die Geschäftsphilosophie von Uber kennt, bemerkt sofort, dass die Neuerung unter dem Strich nicht mehr als ein simpler PR-Gag ist: In Hamburg und Berlin können neuerdings über die Uber-App Taxis (!) gebucht werden (keine Mietwagen), die im Rollstuhl sitzende Personen befördern.
Das wird von Uber als bahnbrechende Verbesserung der Lebensqualität körperbehinderter Menschen verkauft und dank der „Mitarbeit“ der Deutschen Presse-Agentur (dpa) medial weit verbreitet. Und weil es so einfach ist, Meldungen der dpa zu übernehmen, konnte man in den letzten Tagen beispielsweise in der Bergedorfer Zeitung oder auch im Hamburger Abendblatt nachlesen, dass Rollstuhl-Taxis jetzt auch über die Uber-App bestellt werden können.
Doch damit nicht genug: Auch Hamburgs Senator für Verkehr und Mobilitätswende, Dr. Anjes Tjarks (Bündnis 90/DieGrünen), ist von Uber ins Boot geholt worden, indem man die Plattform-Vermittlung in einen Kontext mit Nachhaltigkeit setzt und Tjarks auf der Uber-Seite zitiert, es sei entscheidend, dass auch klimaneutrale Beförderung für alle Menschen in Hamburg barrierefrei zugänglich und einfach buchbar sei. „Ich freue mich daher sehr, dass Uber vollelektrische Inklusionstaxis vermittelt.“
Wenn man solch ein Zitat liest, stellt sich – gerade nach Bekanntwerden der Uber-Files – die Frage, ob sich ein ranghoher Politiker von einem nachweislich illegal agierenden, rechtsstaatsverhöhnenden Unternehmen, das für das Gegenteil von Nachhaltigkeit bekannt ist, vor den Karren spannen lassen sollte.
In Hamburg hat man immer so argumentiert, dass jeder, der sich an die Regeln hält, auch mitspielen darf. Uber muss sich in Hamburg an die Regeln halten, weil hier – anders als in Berlin – die zuständige Aufsichtsbehörde von Anfang an ihren Job gemacht und geltendes Recht konsequent angewendet hat. Da kann Herr Tjarks froh sein, einen Herrn Ritter zu haben, der genau aufpasst. Insofern kann man es dem Senator nicht direkt vorwerfen, das Uber-Inklusionstaxi auch als o.k. anzusehen, weil es sich in Tjarks’ Zuständigkeitsbereich an die gleichen Regeln hält wie ein Hansa-Taxi oder Free Now. Wer nach den gleichen Regeln mitspielt, wird als Wettbewerber auch anerkannt, das hat auch das Taxigewerbe in seinem Kampf gegen Uber und Free Now immer wieder betont.
Die vertuschte Wahrheit hinter dem Uber-Wheelchair-Versprechen ist allerdings: Eine flächendeckende oder zeitnahe Bedienung wird Uber damit weder in Hamburg noch in Berlin erreichen. Der Grund: Uber führt seine Personenbeförderungen zu geschätzt 95 Prozent mit Mietwagenpartnern durch. Hier gibt es anders als beim Taxi keine behördlich festgelegten Preise, man kann also den Fahrpreis frei bestimmen.
Meist werden unwirtschaftliche Dumpingpreise genommen, um so Marktanteile zu sichern und das Taxi als Wettbewerber zu verdrängen. Ist das einmal geschafft, werden die Fahrten für den Verbraucher dann schnell doppelt oder dreifach so teuer, vor allem dann, wenn es mehr Nachfrage als verfügbare Fahrzeuge gibt.
Mit Taxipartnern lässt sich dieses Geschäftsmodell nicht realisieren, denn diese müssen nach festgelegten Taxitarifen befördern. Die von Uber immer gern betonte Kooperation mit wenigen Taxipartnern ist daher eine Mogelpackung – mit Placebo-Effekt für den Uber-Kunden. Sie dient vordergründig dazu, der Öffentlichkeit vorzutäuschen, man wolle doch gar nicht das Taxigewerbe zerstören, sondern arbeite sogar mit ihm zusammen.
Die kürzlich veröffentlichten Uber-Files haben dies jedoch endgültig als Lüge entlarvt.
Deshalb darf man sich von dem neuen „Taxi Wheelchair“ einerseits nicht blenden lassen, man muss es aber andererseits auch als Warnschuss sehen, denn Uber hat sich nicht ohne Hintergedanken an das Hamburger „Projekt Zukunftstaxi“ angedockt: In der Hansestadt fahren mittlerweile über 200 Taxis elektrisch. Der finanziell von der Stadt ebenfalls geförderte Aufbau einer Rollstuhltaxi-Flotte kommt dagegen nur sehr schleppend voran – ähnlich wie in Berlin. Genau über diesen wunden Punkt greift Uber nun an. Für die Hamburger und Berliner Taxiunternehmer sollte das ein Warnsignal sein. Wenn man nicht schnell genug Rollstuhltaxis in genügend großer Anzahl anbietet, wird Uber übernehmen – mit „Taxipartnern“, die Verrat an der eigenen Branche begehen.
Womit wir beim nächsten traurigen Aspekt dieser Geschichte wären: Der neue Werbegag von Uber ist nur dadurch möglich, dass es Taxibetriebe in Berlin und Hamburg gibt, die bewusst mit Uber zusammenarbeiten, dem weltweit größten Feind der eigenen Branche, der zielgerichtet und intensiv an der Vernichtung des Taxigewerbes, am Abbau von sozialen Standards im Niedriglohnsektor und an einer Erosion der Daseinsvorsorge arbeitet. Darf ein Taxiunternehmen aus seinem kurzsichtigen Gewinnstreben heraus die restliche Branche aktiv in den Ruin treiben?
Die seriösen Unternehmer und die Verbände sind jetzt mehr gefragt denn je. Noch ist das Taxi unverzichtbarer Bestandteil der mobilen Daseinsvorsorge. Die Taxiunternehmen müssen daher ihrer Verantwortung gerecht werden, Rollstuhltaxis in genügend großer Anzahl anzubieten, so dass damit auch eine schnelle Bedienung möglich ist. ar/jh
Beitragsfoto: Taxi Times
Das Beitragsfoto zeigt übrigens einen VW Caddy Maxi. Diesen gibt es nicht als nachhaltiges E-Fahrzeug mit Rampe. Nicht einmal mit Erdgas-Antrieb (rollstuhltauglich).
@kehrentaxi: Das ist wohl eher ein Nissan NV200, den es vollelektrisch gibt.
Nein, es ist in DIESEM Beitrag ein Caddy. Insofern ist die Uber-Vermittlung noch einmal gesteigert zweifelhaft.
Ja, es ist kein Nissan hier abgebildet.