Weil ein Mietwagenunternehmer bei seinen Fahrten unterschiedliche Festpreise anwendete, hatte die Taxivereinigung Frankfurt dies als Verstoß gegen die Auflagen zur Befreiung von einem Wegstreckenzähler interpretiert und den Unternehmer zur Unterlassung aufgefordert. Das Gericht sah das in zweiter Instanz jedoch anders.
Der ungleiche Wettbewerb zwischen Taxi und Uber bzw. Free-Now führt seit Jahren zu einer Dauerfehde, die oft auch juristisch ausgetragen wird. So auch im vorliegenden Fall, in dem ein Mietwagenunternehmer bei seinen Fahrten für die Fahrtenvermittler Uber und Free Now den eigentlich laut BoKraft vorgeschriebenen Wegstreckenzähler zur Ermittlung des Fahrpreises nicht eingesetzt hatte. Der Unternehmer hatte von seiner Behörde eine Ausnahmegenehmigung erhalten, die ihn von der Verpflichtung des Einbaus eines Wegstreckenzählers befreit hatte – mit der Auflage, dass diese Ausnahmegenehmigung nur dann gelte, wenn der Mietwagenunternehmer pauschale Festpreise verlangt.
Nun hatte aber die Frankfurter Taxivereinigung bei diesem Mietwagenunternehmer zwei Testfahrten durchgeführt und dabei festgestellt, dass er diese mit unterschiedlichen Festpreisen abgerechnet hatte. Für die Taxivereinigung war deshalb klar: Wenn der Mietwagenunternehmer mit unterschiedlichen Preisen agiert, verstößt er gegen die Auflage zur Befreiung von der Wegstreckenzählerpflicht. Folglich darf er solche Fahrten nur mit einem eingebauten Wegstreckenzähler durchführen. Da dieser im Fahrzeug aber nicht eingebaut war, hatte er diese Fahrten laut Meinung der Taxivereinigung ohne Genehmigung durchgeführt, was wiederum einen Wettbewerbsverstoß darstellt.
Also forderte man den Mietwagenunternehmer auf, solche Fahrten zu unterlassen. Da der Unternehmer dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist, kam es daraufhin zur Verhandlung vor dem Frankfurter Landgericht, das die Auffassung der Taxivereinigung bestätigte.
Im Berufungsverfahren vor dem Frankfurter Oberlandesgericht wurde das Urteil jedoch gekippt (AZ 6 U 60/21 vom 2.6.22). „Die Auffassung des Klägers [der Taxivereinigung], dass jede über eine Vermittlungs-App vermittelte Fahrt des Beklagten [dem Mietwagenunternehmer] ohne Wegstreckenzähler nicht von der Genehmigung umfasst und deshalb wettbewerbswidrig sei, ist nicht haltbar,“ heißt es in der Feststellung des OLG.
Bei den beiden Fahrten, die vom Gericht bewertet wurden, sei dem Fahrgast durch die Uber- bzw. Free-Now-App jeweils vor Fahrtbeginn ein fester Fahrpreis angezeigt worden, der sich bis zum Fahrtende auch nicht mehr geändert habe. Somit habe es sich laut Ansicht des OLG in beiden Fällen um einen „pauschalen Festpreis“ gehandelt. Die Auflage zur Befreiung von der Anwendung eines Wegstreckenzählers sei somit erfüllt worden. „Entgegen der Auffassung des Klägers ist hierfür nicht erforderlich, dass für die gleiche Fahrtstrecke zu jeder Tageszeit und von jedem Fahrgast immer genau derselbe Preis verlangt wird“, urteilte das OLG.
Somit darf der Mietwagenunternehmer weiterhin ohne Wegstreckenzähler Fahrten für Uber und Free Now durchführen und die Taxivereinigung muss die Kosten des Verfahrens übernehmen.
Das ist aus Sicht der Taxivereinigung umso ärgerlicher, weil die hier erteilte Ausnahmegenehmigung vom zuständigen Regierungspräsidium Darmstadt eigentlich enger ausgelegt war, als sie nun vom Mietwagenunternehmer (und damit auch von den beiden App-Betreibern Uber und Free Now) interpretiert wird. Die Vorgabe des Regierungspräsidiums (die von der Stadt 1:1 übernommen worden war) beinhaltet nämlich noch einen Folgesatz: „Alle anderen Fahrten im üblichen Mietwagenverkehr dürfen mit diesem Fahrzeug nicht durchgeführt werden“. Die Taxivereinigung hatte in der mündlichen Verhandlung aufgeführt, dass es dem Regierungspräsidium auch darum gegangen sei, im Rahmen der Ausnahmegenehmigung Vermittlungen von Mietwagenfahrten durch Vermittlungs-Apps zu unterbinden.
Das Gericht monierte an der Formulierung des Regierungspräsidiums, dass mit „pauschalen Festpreisen“ nicht genau definiert wird, was darunter genau zu verstehen ist. Wenn also das Regierungspräsidium Darmstadt unter einem „pauschalen Festpreis“ einen immer gleichen Preis zu jeder Zeit für die gleiche Strecke verstanden hat, hätte man dies auch konkret so formulieren müssen. „Die gewählte Formulierung gibt diesen Regelungsinhalt objektiv nicht her, und zwar auch nicht, wenn man den Folgesatz: `Alle anderen Fahrten im üblichen Mietwagenverkehr dürfen mit diesem Fahrzeug nicht durchgeführt werden´ mit in die Auslegung einbezieht.“, urteilte das OLG.
Anmerkung der Redaktion: Das Taxigewerbe ist mit seinem Versuch gescheitert, ungleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Taxis und Mietwagen über die Hintertüre Wegstreckenzähler juristisch zu glätten. Trotzdem ist es nur eine halbe Niederlage, denn die Urteilsbegründung des OLG Frankfurt lässt zwischen den Zeilen durchaus eine klare Option offen: Ausnahmegenehmigungen für den Einbau von Wegstreckenzählern können sehr wohl mit der Auflage versehen werden, dass dies NICHT für die Uber- und Free-Now-Vermittlung gilt. Es muss eben entsprechend deutlich formuliert werden. Insofern liegt es nun am Regierungspräsidium Darmstadt, seine viel zu laxe Formulierung nachzuschärfen. Im Zuge eines fairen Wettbewerbs, der ja auch von politischer Seite immer wieder eingefordert wird, wäre dies eine Verpflichtung – nicht nur für das hier betroffene Regierungspräsidium, sondern für alle Genehmigungsbehörden in ganz Deutschland!
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