Heute versammeln sich Europäische Taxiunternehmer, -Fahrer und Verbände am Brüsseler Nordbahnhof für eine Demonstration die dann in die Richtung des Europaviertels zieht. Zudem gibt es eine Kundgebung im Europarlament gegen ‘Uberisierung’. Wir fassen die Ziele zusammen und erläutern, warum sich viele Verbände nicht beteiligen.
Am Europaparlament wird die Taxiwelt die Politiker aufffordern, auf die Erkenntnisse der Uber-Files zu reagieren, die enthüllten, wie das Unternehmen nationale Gesetze zugunsten der Plattform manipuliert hat. In den ‘Uber Files’ wurden von vielen europäischen Zeitungen und Magazinen die umstrittenen Praktiken hervorgehoben, die die multinationale Taxiruf-App verwendete, als sie 2014 zum ersten Mal in Europa aufschlug. Das Unternehmen nutzte weitreichende Lobbying-Techniken und lieferte Gesetzestexte an Politiker, die manchmal vollständig in Gesetze kopiert wurden. So kam auch die Brüsseler ‘Taxireform’ zustande.
“Mit der Demonstration fordern wir eine umfassende Untersuchung des Uber-Files-Skandals“, sagt Abdel Sabbani, Präsident der BTF (Fédération des Taxis Bruxellois), der die Demonstration organisiert. Die BTF zählt auf die Präsenz französischer, spanischer, italienischer, schweizerischer, britischer, deutscher, südamerikanischer und griechischer Gewerkschaften, Taxiunternehmer, -Fahrer und Taxiverbände. Auffällig ist jedoch dass viele führende nationale Taxiverbände – sogar der nationale belgische Verband – diese Aktion offensichtlich nicht unterstützen.
Das ist einerseits schade, denn die EU-Vorschläger zur generellen Regulierung für Plattformarbeitnehmer müssen dringend nachgebessert werden, damit beispielsweise selbständige Solounternehmer nicht plötzlich als Arbeitnehmer von Taxizentralen eingestuft werden. Auf der anderen Seite ist es verständlich, denn die Demoziele passen nicht zur politischen Strategie der beiden Länder: Weil hier und erst recht in Österreich die nationale Gesetzgebung (zumindest theoretisch…) genügend Spielraum lässt, um sich gegen unlauteren Wettbewerb zur Wehr zu setzen, will man die Gesetzgebung zur Personenbeförderung in nationaler Hand lassen. Die Demonstranten am Donnerstag dagegen (aus den Benelux- und anderen Ländern und ganz stark aus Spanien) fordern mehr Einfluss aus der EU, weil in den dortigen Ländern die Personenbeförderungsgesetze allzu liberal und ziemlich „uberfreundlich“ sind. Wenn die EU also tatsächlich regulatorisch stärker eingreift, wäre das immer noch schwächer als die aktuelle nationale Gesetzgebung in Deutschland und Österreich. Dazu kommt, dass die Organisatoren der Demo sich bereits vor der Demo untereinander gespalten haben. Das zumindest geht aus dem Chat-Verlauf der WhatsApp-Gruppen hervor, über die zur Streik-Teilnahme aufgefordert worden war.
Die Organisatoren weisen jedoch darauf hin, dass die Taxibranche vereint ist: “Taxifahrer repräsentieren das Einkommen von fünf Millionen Familien in Europa. Was in Brüssel passiert ist, ist auch in anderen europäischen Städten und Ländern passiert. Wir wurden jahrelang ausgeraubt, in die Knie gezwungen: Wir fordern Gerechtigkeit“, sagte Sam Bouchal, Sprecher der BTF und Mitorganisator des Demozugs.
Bouchal wendet sich auch gegen die “Uberisierung“ im weiteren Sinne, eine Form der Ökonomie, bei der sich Nutzer und Anbieter über eine digitale Plattform wie die Uber-App direkt begegnen.
Nach dem Hotel- und Beförderungsgewerbe sind immer mehr Branchen von Peer-to-Peer-Dienstleistungen betroffen, die viele Arbeitsgesetze umgehen, weil kein Arbeitgeber beteiligt ist. “Die Uberisierung breitet sich aus. Taxis waren nur das Labor, die Versuchskaninchen der Uberisierung“, sagte Bouchal im Brussels Times.
Parallel zu der Demonstration gibt es deswegen auf Initiative der Linken im EU-Parlament im Europarlament ein ‘Transnationales Forum zu Alternativen zur Uberisierung’, die Arbeitnehmer, Anwälte, Gewerkschaften und Experten für Uberisierung aus der gesamten Europäischen Union und der ganzen Welt zusammenbringen wird.
Während Europa immer noch von den Enthüllungen der ‘Uber Files’ erschüttert wird, soll das Forum die Gelegenheit bieten, die Stimmen und Forderungen der am stärksten Betroffenen – der Plattformarbeiter selbst – im Brüsseler EU-Blickpunkt zu bringen, um der intensiven Lobbyarbeit der Plattformen entgegenzuwirken.
“Das Forum wird auch eine Bestandsaufnahme der bisherigen Entwicklungen im Kampf um die Rechte von Plattformarbeitern und insbesondere der Notwendigkeit der Ratifizierung der Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit vornehmen,” versprechen die Organisatoren. Zeitgleich mit dem Taxi-Demonstrationszug soll um 12.30 Uhr im Europarlament auch das Forum enden.
Einflussnahme in der Brüsseler Kommission wie auch im Europarlament versprechen sich auch die beiden deutschen Verbände BVTM und TMV. Der BVTM arbeitet dabei eng mit der Interessengruppe “Taxis4SmartCities” unter Vorsitz des BVT-Vorstandsmitglieds und Münchner Taxiunternehmers Gregor Beiner zusammen. Der TMV hat einen “Beirat Europa“ unter Vorsitz von Nico Höttges (Vorstand Taxizentrale Wuppertal) und Uwe Wieland (Taxiunternehmer aus Schongau) gegründet. Man baue so gemeinsam neue europäische Netzwerke im Taxi- und Mietwagenbereich auf und schaffe damit eine kontinuierliche, starke und wahrnehmbare Interessenvertretung für das mittelständische Taxi- und Mietwagenwesen auf dem europäischen Parkett. „Deswegen werden wir auch im Nachgang zum Taxistreik den Aufbau einer europäischen Taxi- und Mietwagenallianz offensiv begleiten“ verspricht der TMV. wf / jh
Das Beitragsfoto zeigt eine Grußbotschaft von Mexikanischen Taxikollegen: „Mexiko in Brüssel mit der würdigen Ehre, unser Land zu vertreten Ignacio Rodrigez Mejía und Aldo Soto, wir wünschen Ihnen viel Glück Grüße vom amerikanischen Kontinent