Taxitarife werden in Deutschland von den Kommunen und Landkreisen bestimmt. Wenn sie geändert werden, müssen die neuen Fahrpreise im Taxameter programmiert und anschließend von der Eichdirektion geprüft werden. Warum aber führt das vielerorts zu monatelangen Verzögerungen? Ein Erklärungsversuch
Taxitarife haben aktuell vier Probleme: Ersten werden sie behördlich festgelegt – das dient dem Verbraucherschutz. Allerdings haben mit Ausnahme des Saarlands alle Bundesländer das Recht auf Tarifgestaltung auf die unteren Genehmigungsbehörden übertragen. Das führt dazu, dass es in Deutschland über 600 unterschiedliche Tarifgebiete gibt, die alle ihr eigenes Tarifsüppchen kochen.
Zweitens ist jeder einzelne Taxitarif sehr komplex, besteht er doch zumeist aus verschiedenen Tarifkomponenten. Diese enthalten oft degressive Kilometersätze und unterscheiden vielerorts zwischen Tag- und Nacht, Werk-, Sonn- und Feiertagstarifen. Oftmals kommen noch Zuschläge für bestimmte Beförderungssituationen hinzu, und seit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes können jetzt auch Festpreise bestimmt werden.
Drittens sind die derzeitigen Taxitarife spätestens seit dem 1. Oktober 2022 nicht mehr auskömmlich. Die hohe Inflation, die steigenden Energiekosten und der in den letzten Monaten um 25 Prozent angehobene gesetzliche Mindestlohn machen eine Neukalkulation erforderlich.
Da diese Neukalkulationen von Garmisch bis Flensburg und von Kaiserslautern bis Rostock zum selben Ergebnis führten, entsteht daraus das vierte Problem: In nahezu allen Städten und Kommunen müssen die Tarife erhöht werden, idealerweise überall spätestens zum 1. Oktober 2022, damit der an diesem Tag in Kraft getretene gesetzliche Mindestlohn von zwölf Euro die damit verbundenen höheren Lohnkosten abfedert.
Diese Gleichzeitigkeit muss zwangsläufig zu massiven Verzögerungen führen, wenn man sich das Prozedere anschaut, das bei jeder Tarifveränderung durchlaufen werden muss: Zunächst einmal müssen sich Taxivertreter mit den Städten bzw. Gemeinden auf einen neuen Tarif einigen. Ist diese Einigung zustandegekommen und haben die politischen Gremien der Kommune bzw. des Landkreises zugestimmt, muss der neue Tarif im Amtsblatt veröffentlicht werden.
Im nächsten Schritt müssen nun die Taxameter auf den neuen Tarif umprogrammiert werden. Dazu müssen die Taxameterhersteller über alle künftig geltenden Tarifkomponenten informiert werden. Das geschieht in der Regel durch die Behörden – und führt vereinzelt bereits zu ersten Verzögerungen, wenn diese Meldung nicht zeitnah erfolgt oder gar vergessen wird.
Wenn die Taxameterhersteller die Tarife der Gemeinde in ihre verschiedenen Taxametertypen einprogrammiert haben, werden die Programme an die Eichdirektionen geschickt, wo dann jede einzelne Tarifkomponente überprüft wird. Sind die Taxameter fehlerfrei programmiert, erfolgt durch die Eichdirektion die Freigabe.
Erst nach dieser Freigabe dürfen die Funkwerkstätten den neuen Tarif in die Taxameter der Taxiunternehmer*Innen aufspielen. Last but not least müssen die Taxiunternehmer innerhalb einer bestimmten Frist beim örtlichen Eichamt zur Kontrolle und finalen Freigabe erscheinen.
Der Flaschenhals dieser mühsamen und umständlichen Prozedur liegt aktuell bei den Eichdirektionen. „Es ist wie bei einer vierspurigen Autobahn, die plötzlich einspurig zusammengeführt wird“, beschreibt es ein Insider. „Die Vielzahl an Tarifanpassungen laufen bei den wenigen Eichdirektionen zusammen, die aber trotzdem weiterhin jeden einzelnen Tarif gewissenhaft überprüfen müssen.“
In Baden-Württemberg beispielsweise ist die Eichdirektion Tübingen für die Überprüfung von 44 Taxitarifen in 35 Land- und neun Stadtkreisen zuständig. In manchen Landkreisen wird daher eine bereits beschlossene Tariferhöhung erst zum Februar 2023 wirksam werden können. Das sorgt für reichlich Verdruss auf beiden Seiten. Bei den Taxiunternehmern, weil die Kostenexplosion jetzt sofort durch höhere Tarife aufgefangen werden muss. Bei den Eichdirektionen, weil sie sich dem Vorwurf aus dem Taxigewerbe ausgesetzt sehen, sie würden zu langsam arbeiten. Erst kürzlich hatte der Gaggenauer Taxiunternehmer Dirk Holl in einer öffentlichen Beschwerde vorgerechnet, dass selbst „ein sehr langsam arbeitender Sachbearbeiter ungefähr einen halben Tag pro Tarifgebiet benötigt.“ Somit müssten nach 22 Tagen alle Prüfungen abgeschlossen sein (Taxi Times berichtete).
Gegen solche Vorwürfe wehren sich die Beschuldigten. „Ein neuer Tarif muss vor der Prüfung durch die Eichbehörde vom Taxameter-Hersteller zuerst programmiert werden“, schreibt ein Insider im Taxi-Times-Leserforum. „Somit hat jeder Taxameter, zum Teil jeder Taxameter-Typ, ein eigenes Programm. Hinzu kommen noch extra Programme für einen Großraumtarif. Schnell sind 10 – 12 Programme pro Taxentarif zu prüfen. Bei dem Ansatz des Herrn Holl von 4 Stunden einer Programmprüfung ist dies in der Summe eine Woche je Tarifgebiet.“
Erschwerend komme oftmals hinzu, dass zum Zeitpunkt der Prüfung seitens der Taxameterhersteller noch ein Rückstau vorhanden ist. So hätten beispielsweise für die Tarifanpassung in Stuttgart / Esslingen, die für den 1. Oktober 2022 vorgesehen war, acht Tage vorher lediglich 13 von 22 benötigten Programmen vorgelegen.
Auch die Taxameterhersteller leiden folglich unter der Vielzahl an jetzt nötigen Tarifprogrammierungen. Norbert Pahlow, der als Vertriebspartner für den Hersteller Taxitronic auch für die Tarifprogrammierung zuständig ist, listet alleine drei Taxametertypen mit Programmderivaten seines Herstellers (zehn Programmderivate) auf, deren Software von ihm programmiert und dann von der Eichdirektion überprüft werden muss – pro Tarifgebiet! Bei Hale, Semitron, Kienzle, Digitax oder Alberen dürften die Stückzahlen nicht geringer sein. „Ich komme da nicht auf 22 Tage“, weist Pahlow die Holl-Kritk zurück.
Mittlerweile hat auch das Regierungspräsidium Tübingen auf die Holl-Kritik reagiert. Der Gaggenauer Unternehmer hatte an dessen Präsidenten einen Brandbrief geschrieben. In einem Tarifgebiet würden mehrere Typen von Taxametern verwendet, „jedes mit einem eigenen Programm“, erläutert ein Mitarbeiter des Regierungspräsidiums. „Hinzu kommen noch Extra-Programme zum Beispiel für einen Großraum- oder Rollstuhltarif. Schnell sind so in einem Tarifgebiet 10-12 Programme zu erstellen und zu prüfen.“ Die Eichdirektion veranschlagt dafür ein zeitliches Volumen von 40 Stunden.
Im Antwortschreiben an Dirk Holl geht das Regierungspräsidium auch auf die personellen Kapazitäten ein. Man habe normalerweise zwischen acht und zwölf Tarifgebiete jährlich zu überprüfen. Auf den hohen Bedarf an Tarifüberprüfungen in diesem Jahr habe man die personellen Ressourcen der Eichdirektion „bis ans Maximum“ aufgestockt, wodurch man seit Januar bisher 22 Tarife geprüft und freigegeben habe. Sieben weitere werde man in diesem Jahr noch schaffen, „wenn uns die entsprechenden Programmierungen vorliegen“.
Damit sind dann 29 der insgesamt 44 Tarifgebiete in Baden-Württemberg geprüft worden. Für die anderen 15 heißt es – sofern dort eine Tarifanpassung beschlossen wurde – dass diese erst im Jahr 2023 greift. Ob die davon betroffenen Taxiunternehmer bis dahin an den Tankstellen einfach weiterhin den alten Dieselpreis bezahlen dürfen oder Bundeskanzler Scholz sie von der Pflicht des gesetzlichen Mindestlohns befreit? jh
Hinweis der Redaktion: Aufgrund der vielen Taxitarifänderungen der letzten Monate hat Taxi Times eine Tarifübersicht erstellt, in der alle geänderten Taxitarife aufgeführt sind, sofern wir darüber von den Genehmigungsbehörden (bei denen wir nachgefragt haben) bzw. von unseren Lesern informiert worden sind.
Beitrags-Symbolfoto:Pixabay
Hallo,
ja, ich möchte gewiss zum Thematik Mindestlohn & 600- Tarife hinzufügen.
1).
Warum eigentlich 600 Tarife, weswegen so komplizierte Bearbeitungen ❓
• Vorschlag für alle und unsere Bundesländer
– Es wäre viel einfacher und klarer, wenn es nur min. 18 Tarife gäbe, für jedes Bundesland einen oder sogar noch weniger Tarife gestalten, so dass keine oder viele benachteiligten geben muss.
Letztendlich sollten alle Anfahrten, die den gleichen Betrag Bundesweit betragen und die Fort- Fahrt je Bundes anpassen.
2).
Eine Flatterte wurde angesprochen, wäre nicht so verkehrt. In jeder Stadt gibt es monatliche o. wöchentliche Fahrkarten. Mann könnte auch sowas für die Taxen je Bundesland aufsetzen und eine neue Ära für die Zukunft schaffen.
• Genau wie der Mindestlohn für alle Taxifahrer bundesweit gleich halten.
Unser Nahrungsmittel ist auch bundesweit fasst gleich, warum nicht unser Verdienst.
Schließlich ist das ein harter und verantwortungsvoller Job.
Darüber sollte gut nachgedacht werden.
Danke.
Das mag alles so sein. Aber dass der Mindestlohn kommt, konnte man vorher wissen. Und dass der Ukrainekrieg seit über einem halben Jahr tobt sollte auch in den Amtsstuben bekannt sein.
Etwas verwundert es, dass anscheinend niemand es nötig hält darüber nachzudenken, ob die in diesem Jahr erlassen und sicherlich über den 1.1.2024 gültigen Tarifordnungen, mit der AO, KassenSichV bzw. den GoB bzw. GoBD zu vereinbaren sind…….. Ach was sage ich, das ganze Thema KassenSichV wird sehr stiefmütterlich behandelt. Dagegen sind meiner Meinung nach die verzögerten Tariferhöhungen nur ärgerlich.