Das Berliner Landgericht hat gegen den Mörder von Mustafa A. weder „Lebenslang“ noch Sicherungsverwahrung verhängt. Ob er jemals wieder freikommt, ist dennoch fraglich.
Der Gerichtsprozess gegen den 24-jährigen Hassem B., der am Morgen des 6. April 2023 den Berliner Taxifahrer Mustafa A. mit einem Messer tötete, ist am Freitag zwei Wochen früher als geplant mit einem Urteil zuende gegangen. Es entspricht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Diese hatte den beschuldigten Tunesier als „gefühlsleeren Menschen, dem jegliche Impulssteuerung fehlt“ bezeichnet. Der Prozess hatte sich weniger um Beweise für die Tat gedreht – diese hatte der Täter schon vorher in vollem Umfang gestanden –, sondern schwerpunktmäßig um seine Schuldfähigkeit.
In dem Prozess ging es zudem nur um den Mord an Mustafa, A., nicht aber um die andere Bluttat des Verurteilten, die er zwei Tage zuvor in Belgien begangen hatte. Er hatte in Brüssel seine Freundin mit demselben Messer erstochen.
Die Kinder des ermordeten Taxifahrers und seine Schwester waren im Prozess Nebenkläger. Einer ihrer Anwälte hatte am Rande der ersten Verhandlung gesagt: „Diese Tat macht aus, dass sie wie aus dem Nichts aus absolutem Zufall geschehen ist, da stellen sich viele Fragen.“
Nach Medienberichten geht das Gericht davon aus, dass vom Mörder weiterhin eine „hochgradige Gefährdung“ ausgeht. Da er laut Gutachten zur Tatzeit wegen paranoider Schizophrenie vermindert schuldfähig war, wurde trotz Mordes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub weder lebenslange Haft noch die anschließende Sicherungsverwahrung gegen den zweifachen Mörder verhängt, sondern eine 14-jährige Haftstrafe und die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik.
Der Richter sprach im Urteil von „erschreckenden Details“ im umfassenden Geständnis des Angeklagten mit Planung und Motivation. Hassem B. sei aber „ein psychisch kranker Mann.“ Dass er Stimmen hört, belege auch der Chat-Verkehr mit seiner offensichtlich ebenfalls kranken Mutter. „Außerdem haben wir ihn hier erlebt: in völliger Abwesenheit jeder Gefühlsregung. Er redete über die Tat, als referiere er aus dem Telefonbuch.“ Dass er seine psychische Erkrankung nur simuliert, könne mit Sicherheit ausgeschlossen werden. „Er hat nicht auf Irre gemacht.“ Allerdings neigen Menschen mit einem solchen Krankheitsbild eher dazu, sich für gesund zu halten.
Laut „Berliner Morgenpost“ war der Angeklagte nach seiner Verhaftung wegen psychischer Auffälligkeiten schon während der Untersuchungshaft vorläufig im sogenannten Maßregelvollzug untergebracht worden. Das Gericht gehe davon aus, dass er bereits aufgrund des Berliner Urteils „lange hinter Gittern bleiben wird“. So lange er als gefährlich gelte, werde er nicht aus dem psychiatrischen Krankenhaus entlassen, wie der Richter betonte. Danach müsste der Mann noch die Berliner Haftstrafe im Gefängnis verbüßen. Das Berliner Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die Angehörigen von Mustafa A. hätten laut „Morgenpost“ noch viele Fragen an die Justiz, vor allem die belgische, denn der 24-Jährige war bereits mehrfach straffällig geworden. „Der Täter hätte gar nicht erst nach Deutschland kommen dürfen“, zitierte das Blatt die Nichte des Opfers nach der Urteilsverkündung. „Was ist da in Belgien passiert?“ Die Kinder von Mustafa A., 15 und 22 Jahre alt, sowie seine Schwester hatten als Nebenkläger am Prozess teilgenommen und eine lebenslange Freiheitsstrafe gefordert. „Es war sehr hart, durch den Prozess zu gehen und die ganzen Details zu erfahren“, so die Schwester. Die „Bild“-Zeitung zitiert die Hinterbliebenen mit der Aussage: „Er darf nie wieder auf die Menschheit losgelassen werden.“ Möglicherweise wird diese Forderung sich später erfüllen.
Wie das Nachtrichtenportal „t-online“ berichtet, ergriffen am letzten Verhandlungstag auch die Angehörigen des Opfers das Wort. Die Schwester des Ermordeten betonte, was für ein besonderer Mensch Mustafa A. gewesen sei. „Er hatte ein großes Herz. Er hätte jedem geholfen, der nach Geld oder Essen gefragt hätte“, sagte sie. Auch die 22-jährige Tochter und der 15-jährige Sohn von Mustafa A. verfolgten die Verurteilung im Gerichtssaal. In einer von ihrem Anwalt verlesenen Erklärung sagte die Tochter: „Wenn ich daran denke, welcher Momente wir beraubt wurden, verzweifle ich an dieser Welt“. Der Tod ihres Vaters habe „in uns eine Leere hinterlassen“, die jeden Tag wachse. ar
Beitragsfoto: Pixabay