Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in dritter Instanz ein Urteil kassiert, nach dem Videoaufzeichnungen nicht als Beweis zum Arbeitszeitbetrug zugelassen worden waren. Es hat die Entscheidung zur Prüfung zurück an das Landesarbeitsgericht verwiesen.
Ein Arbeitnehmer hatte zunächst erfolgreich gegen die Nutzung von Videoaufzeichnungen geklagt, in denen ihm ein Arbeitszeitbetrug nachgewiesen werden konnte. Das niedersächsische Landesarbeitsgericht hatte diese Entscheidung bestätigt. Mit der Aufhebung und dem Grundsatz, dass Datenschutz kein Tatenschutz sei, stärkt das BAG auch die grundsätzliche Beweiskraft von Videoaufzeichnungen.
Im Januar dieses Jahres berichtete Taxi Times über eine Entscheidung des niedersächsischen Landesarbeitsgerichts (LAG), welches die Aufzeichnungen einer (mit Wissen der Arbeitnehmer angebrachten) Videokamera in einer Eisengießerei mit einem Beweisbewertungsverbot für diese Aufzeichnungen belegte. Der Arbeitgeber hatte Hinweisschilder angebracht, dass die maximale Speicherdauer der Kamera 96 Stunden betrage. Auf die Selbstbindung des Arbeitgebers dürfe der Arbeitnehmer vertrauen und erwarten, dass kein Rückgriff auf diese Videoaufzeichnungen genommen werde. Das LAG erkannte hier eine berechtigte „Privatheitserwartung“ und stellte damit die Erwartung des Arbeitnehmers, sich in Sicherheit wiegen zu dürfen, in den Vordergrund. Eine fristlose Kündigung aufgrund eines mit dieser Kamera dokumentierten Arbeitszeitbetrugs war so nach Ansicht des LAG unwirksam.
Dies sieht das Bundesarbeitsgericht (BAG) jedoch anders, wie eine jetzt veröffentlichte Entscheidung belegt. Das BAG hat den Rechtsstreit nun zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen, da es die Videoaufzeichnungen als Revisionsgericht selbst nicht ansehen und bewerten kann. Es hat in seiner Entscheidungsbegründung aber sehr deutlich gemacht, dass solche Aufzeichnungen prozessual verwertbar sind, und dass eine drauf begründete außerordentliche Kündigung damit wirksam ist, wenn der Kläger tatsächlich einen Arbeitszeitbetrug begangen haben sollte.
Das BAG führt dazu aus, ein auf das Grundgesetz gestütztes Verwertungsverbot scheide regelmäßig in Bezug auf solche Bildsequenzen aus einer offenen Videoüberwachung aus, die vorsätzlich begangene Pflichtverletzungen zulasten eines Arbeitgebers zeigen, ohne dass es hier auf die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der gesamten Überwachungsmaßnahme ankäme. Das grundgesetzlich verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann nicht zu dem alleinigen Zweck in Anspruch genommen werden, sich der Verantwortung für vorsätzliches rechtswidriges Handeln zu entziehen. Datenschutz sei kein Tatenschutz.
Das BAG betrachtet darüber hinaus betriebliche Regelungen wie ein Verbot, entsprechende Erkenntnisse aus einer Überwachungsmaßnahme in einen Kündigungsschutzprozess einzuführen, als nichtig, da diese auf eine erhebliche Erschwerung des Rechts des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung hinausliefen.
Mit der aktuellen Entscheidung des BAG ist dem Datenschutz nun in jedem Fall wieder etwas Durchschlagskraft für Fälle eines potentiell übergeordneten Rechtsinteresses genommen worden. Arbeitszeitbetrug oder eben auch eine eindeutige Vorfahrtverletzung mit gravierenden Unfallfolgen haben mit dieser Entscheidung nun noch eindeutiger als zuvor Vorrang vor dem sicherlich grundsätzlich berechtigten, aber oft leider zweckentfremdeten Datenschutz. Und trotzdem werden Gerichte im Zweifel auch wieder für den Datenschutz als wichtigeres Gut entscheiden, wenn ein mit einer Videoaufzeichnung vermeintlich nachgewiesenes Vergehen gerichtlich eher als „Kleinigkeit“ gewertet wird. Und damit gilt unabhängig von der gerichtlichen Klarstellung für viele Fälle wohl auch weiterhin der Grundsatz: „vor Gericht und auf hoher See …“. rw
Beitragsbild: Collage Remmer Witte