Im zweitgrößten Flächenland der Bundesrepublik denkt der Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) über einen einheitlichen Taxitarif für das ganze Bundesland nach. Über dieses ambitionierte Projekt berichtete der GVN-Geschäftsführer Stephen Schubert auf der Mitgliederversammlung des Taxi- und Mietwagenverbandes TMV in Hannover.
Der Mindestlohn zwingt die Taxibranche inzwischen dazu, mehr oder weniger jährlich seine Taxitarife an dessen Steigerungen anzupassen. Immerhin machen die Lohnkosten bei den Mehrwagenbetrieben 50 bis über 70 Prozent der Gesamtkosten aus. Entsprechend kann man es sich gar nicht mehr leisten, die Mehrkosten durch die inzwischen regelmäßigen Mindestanpassungen nicht auch zeitnah auf die Tarife umzulegen.
Eine Tarifanpassung im Taxigewerbe kann dabei zwar von den lokalen Unternehmen und seinen Verbänden angestoßen werden, die Antragshoheit und Entscheidungsbefiúgnis liegt gemäß Personenbeförderungsgesetz (PBefG) bei den Kommunen, die von den Landesbehörden mit dieser Aufgabe betraut sind. Lediglich im kleinen Saarland ist es inzwischen gelungen, einen landesweit einheitlichen Tarif umzusetzen.
Auf der Mitgliederversammlung des TMV in Hannover berichtete der GVN-Geschäftsführer Stephen Schubert aus seinem Bundesland Niedersachsen, dass es dort in den meisten Regionen 12 bis 18 Monate oder noch länger dauere, bis die lokalen Genehmigungsbehörden eine von ihnen als notwendig erkannte Taxitariferhöhung durch die politischen Instanzen bis zu einem umsetzbaren Beschluss getrieben hätten. Das Taxigewerbe hänge in vielen Fällen den mindestlohnbedingten Kostensteigerungen regelmäßig in vielfach unzumutbarem Abstand hinterher. Gleichzeitig bänden diese Verwaltungsakte enorm hohe Kapazitäten in den Kommunen, aber auch den Verbänden, die anderswo dann fehlten.
Auch die landesweite Eichbehörde MEN in Hannover beklage durch die im Gegensatz zu den Zeiten vor der Mindestlohneinführung extrem gestiegene Arbeitsbelastung durch die nunmehr erheblich häufigeren Tarifanpassungen. Man habe im Hause des MEN Tarifanträge für 53 Genehmigungsbezirke zu bearbeiten, was bei einem nunmehr fast durchgehend jährlichen Rhythmus neben den vielfältig anderen Aufgaben nicht mehr leistbar sei. Entsprechend verzögert sich auch noch die eichtechnische Umsetzung neuer Tarife nach deren politischer Genehmigung oftmals nochmals um Wochen oder Monate.
Schon bevor die vielfachen gewerbeinternen und gesellschaftlichen Krisen der letzten paar Jahre wie PBefG-Novelle, Corona, politische Mindestlohnanpassung oder TSE-Einführung den Fokus von den Themen zweiter Priorität abgelenkt hätten sei man sich daher im GVN mit seinen Mitgliedern einig gewesen, dass eine Vereinheitlichung der Tarife einen großen Gewinn für die Branche bedeuten könne. Im vergangenen Mai war auf dem politischen Currywurstabend des GVN das Thema dann wieder auf die Tagesordnung gekommen und werde nun wieder sachgerecht forciert.
Der jährlich veranstaltete politische Currywurstabend des GVN in Hannover dient als Netzwerkveranstaltung für das Gewerbe und hat viele Vertreter aus der Landespolitik zu Gast, die diese Idee sofort aufgegriffen haben, allen voran der Landesverkehrs- und -wirtschaftsminister Olaf Lies. Auch in folgenden Gesprächen mit den Landeswirtschafts- und –sozialministerien stieß der GVN jetzt auf großes Interesse auch außerhalb der Politik in der Verwaltung der Ministerien.
Skepsis erfährt der GVN derzeit allerdings noch seitens des Landkreistages, wo man Sorgen um die Eigenständigkeit der Kommunen hegt. Entgegen den Bedenken dieser mittleren Ebene kommt dann überraschenderweise durchaus allerdings etwas verhaltene Unterstützung direkt aus einigen Genehmigungsbehörden. Hier wünscht man schon seit längerem eine durch das Ministerium organisierte Kommunikation der einzelnen Verantwortlichen in den Kommunen, um so seine Kräfte besser nutzen und bündeln zu können.
Schubert berichtete weiter, dass die Idee eines Niedersachsentarif zwischenzeitlich über die Einführung eines gemeinsamen Online-Tarifs für APP-Bestellfahrten auf den Weg gebracht werden sollte. Diesen Weg habe man inzwischen aber wieder aufgegeben, den spätestens durch die Option eines Tarifkorridors gemäß der PBefG-Novelle hätten sich die rechtlichen Voraussetzungen für einen gemeinsamen Tarif noch einmal gravierend verändert. Auch erschienen die unterschiedlichen Bedürfnisse von Kunden und Unternehmen in eher städtisch geprägten Regionen doch zu denen aus eher ländlich geprägten Landkreisen oftmals als kaum vereinbar. Schubert kann sich inzwischen vielleicht auch mehr als einen oder zwei Landestarife vorstellen, beispielsweise würden auch noch acht verschiedene Tarife, die dann wahlweise die verschiedenen Bedürfnisse von mehr oder weniger allen Kreisen erfolgreich abdecken könnten, den Genehmigungsaufwand noch drastisch reduzieren.
An dieser Stelle berichtete dann Christian Linz als kommender Geschäftsführer des Landesverbandes Bayern von parallelen Aktivitäten aus Bayern, wo man derzeit einen einheitlichen Frankentarif für die Städte Nürnberg, Erlangen und Bamberg plane. Und auch hier solle der Tarif gleichzeitig einen Tarifkorridor für diese Städte etablieren, bestenfalls auch mit einer gleichzeitigen Genehmigung von Mindesttarifen für Mietwagen. Stephen Schubert ergänzte noch, dass möglicherweise auch das Thema eines Rolli-Tarifes in die Bemühungen integriert werden könne.
Spannend ist nun, inwieweit die Unternehmen solche zentralistischen Initiativen ihres Verbandes dann auch im Detail unterstützen, wenn sie selbst nicht allein maßgeblich für die Ausgestaltung der Tarifvorschläge sind. Auch hier muss die Branche also unter Beweis stellen, dass sie aus den chaotischen Wirren der letzten Jahre gelernt hat und die Vorteile einer einheitlichen Gewerbe-Stimme erkennt, ohne den Tenor dieser Stimme allein durch den üblichen Regional-Proporz bestimmen zu wollen. Man darf also wirklich gespannt sein. rw
Beitragsfoto; Remmer Witte
Ein Land, ein Taxitarif! Fertig und Punkt! Alles andere ist kundenunfreundlich, unternehmerfeindlich, eine sinnlose Beamten-Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und in der Summe daher nicht mehr zeitgemäß!
Die Vorstellung, dass sich eine Behörde dadurch abschafft, bzw. besser organisiert ist schon ambitioniert.