Die DAK Hessen lässt den Konflikt mit dem Taxigewerbe weiter eskalieren. Mit ihrer Weigerung, Krankenfahrten in einer für die Beförderer wirtschaftlich tragbaren Höhe zu vergüten, zwingt sie die Unternehmen zu einer vorläufigen Einstellung der Beförderung.
Aktualisierung am 11.2.25 um 20:15 Uhr: DAK lenkt ein!
Ab übermorgen werden im Schwalm-Eder-Kreis von den meisten Taxiunternehmen keine Krankenfahrten mehr auf Rechnung der DAK-Gesundheit durchgeführt. Fahrgäste müssen die Fahrtkosten zunächst selbst bar vorstrecken und sich von der Krankenkasse zurückholen. Es ist eine Konsequenz, zu der der Fachverband PKW-Verkehr Hessen e. V. (FPH) sich durch die fortgesetzte Blockadehaltung der DAK gezwungen sieht.
Was bisher geschah: Im Oktober hatte die DAK Hessen sich aus der Allianz der Versicherer ausgeklinkt und die bestehenden Rahmenverträge für Sitzendkrankenfahrten sowie für Liegend-Krankenfahrten und Tragstuhltransporte mit dem Fachverband Pkw-Verkehr Hessen e.V. (FPH) zum Jahresende gekündigt. Bei der Mitgliederversammlung am 32. November empfahl Verbandsgeschäftsführer Mathias Hörning, sich regional gegen die DAK zu vernetzen. Daraufhin trafen sich Anfang Dezember zwölf Unternehmer aus dem Schwalm-Eder-Kreis – die Geburtsstunde der IG Schwalm-Eder. Schnell kamen weitere Taxi- und Mietwagenbetriebe dazu, um sich zu wehren, und aus der IG wurde die IG Nordhessen. Die DAK versucht währenddessen – zum Teil mit Erfolg –, den Taxibetrieben unlukrative Einzelverträge zu deutlich verschlechterten Konditionen aufzunötigen und wehrt sich gegen die Vorürfe bzw. gibt sich unwissend. Der Fachverband wehrte sich ebenfalls und wandte sich auch an die Genehmigungsbehörden. Dabei ist die DAK Hessen kein Einzelfall.
Inzwischen hat die IG Hessen, wie sie nun heißt, über 300 Mitgliedsbetriebe mit mehr als 2.000 Fahrzeugen. Sprecher der Interessengemeinschaft (IG) von betroffenen Unternehmen, die im Fachverband organisiert sind, ist der Melsunger Unternehmer Jens Marggraf, dem Taxigewerbe durch den Podcast „Taxi to go“ und etlicheb Workshops, beides in Kooperation von Babett Mahnert, bekannt.
Am 25. Januar teilte Verbandsgeschäftsführer Mathias Hörning den Mitgliedsbetrieben mit, sollte die nächste Verhandlung am 27. kein nachgebessertes Angebot seitens der DAK ergeben, würden die Fahrten für DAK-Versicherte mangels Vertragsgrundlage eingestellt. Dazu lieferte der Verband ein Musterschreiben an medizinische Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen mit und bat die Unternehmer für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen an Übermittlung an die von ihnen angefahrenen Einrichtungen.
In dem Schreiben ist von einer „für alle Beteiligten besorgniserregenden Entwicklung“ die Rede, „die die Mobilität vieler Patienten in Hessen erheblich beeinträchtigen könnte“. Das Problem wird erläutert (Kündigung des Rahmenvertrags durch die DAK) und auf das Streben nach einer fairen Lösung hingewiesen, die allen Beteiligten gerecht wird. Leider sehe man sich „gezwungen, die Fahrten für DAK-Mitglieder an einem noch zu benennenden Tag einzustellen, da unter den aktuellen Bedingungen eine Fortsetzung des Fahrdienstes nicht tragbar ist“.
Nachdem die besagte Verhandlungsrunde aus Sicht des Taxigewerbes erneut enttäuschend verlief, legte der Verband am 29.1. mit einem Muster-Informationsschreiben für DAK-Versicherte nach. Auch darin wird die Situation erklärt und die Ursache genannt. „Da das Vertragsangebot seitens der DAK nicht kostendeckend ist, sehen sich unsere Fahrdienstbetriebe gezwungen, die Rechnungsfahrten für die DAK mangels Vertragsgrundlage einzustellen. Bei Versorgungslücken garantieren unsere Fahrdienstbetriebe aber die Beförderung für DAK-Versicherte, um zu gewährleisten, dass mobilitätseingeschränkte Menschen dennoch zu ihren notwendigen Behandlungseinrichtungen gelangen werden und der Tarifkonflikt nicht auf dem Rücken kranker Menschen ausgetragen wird.“ Allerdings müssten die Fahrtkosten zunächst von den Fahrgästen vorgestreckt und dann bei der DAK eingefordert werden: „Grundlage für unsere Notbeförderung für DAK-Versicherte, die für kranke Menschen Versorgungsengpässe verhindern soll, ist die Verauslagung der Fahrtkosten in Höhe des behördlich festgesetzten Taxitarifes.“ Da die Pflichtfahrgebiete in den dortigen Landkreisen meist klein sind und Krankenfahrten häufig die Grenzen der Tarifgebiete überschreiten, hat der Verband auch gleich eine Beförderungsgebühr für Krankenfahrten in Mietwagen und in Taxis außerhalb des Taxitarifgebietes genannt: Einsatzpauschale 5,00 Euro, Besetztkilometer 2,50 Euro. Für Liegend- und Tragestuhlfahrten wurde der Kilometerpreis wenige Tage später wegen des höheren Personalaufwandes auf 3 Euro korrigiert. „Den DAK-Versicherten wurde zudem geraten, im Vorfeld mit ihrer Krankenkasse zu klären, ob die verauslagten Kosten für die Krankenfahrt in voller Höhe rückerstattet werden.“
Am 29. Januar informierte der Verband die Mitgliedsunternehmen, „dass wir die Weichen in Richtung DAK-Fahrteneinstellung heute gestellt haben. Wir treffen uns am kommenden Dienstag, den 04. Februar 2025 um 18 Uhr mit unseren IG-Firmen des Schwalm-Eder-Kreises, weil dieser Landkreis das erste Gebiet sein wird, wo wir in Kürze scharfstellen werden. Danach werden wir die Gebiete unserer IG Hessen sukzessive erweitern und die betreffenden Firmen darüber informieren.“

Am 3. Februar schrieb Hörning an den Landrat des Schwalm-Eder-Kreises, Winfried Becker (SPD), bezüglich der anstehenden Fahrteneinstellung in seinem Zuständigkeitsbereich, man erbitte seine Unterstützung „in einer dringenden Angelegenheit“, die sowohl die Mobilität als auch die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in seinem Landkreis betreffe. Darin wird zunächst die Bedeutung des Taxi- und Mietwagengewerbes bei der Bereitstellung von Krankenfahrten erklärt. „Diese Dienstleistung unserer Fahrdienstbetriebe entlastet das Gesundheitssystem, indem sie den Rettungsdienst von nicht-notfallmäßigen Transporten entbindet.“ Es wird erwähnt, dass Krankenfahrten bis zu 75 Prozent des Umsatzes der Fahrdienstbetriebe in ländlichen Regionen ausmachen. „Diese Zahlen verdeutlichen, wie wichtig diese Dienste für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung und die Mobilität von Patienten sind.“ Man befinde sich gegenwärtig „in schwierigen Verhandlungen mit der DAK-Gesundheit“. Die von ihr für 2025 angebotenen Vergütungen lägen „weit unter den durch die Taxitarifordnung festgelegten Mindestsätzen“, was wirtschaftlich nicht tragbar sei und sich in einer rechtlichen Grauzone bewege. Zudem wird vor den drohenden Folgen einer weiteren Eskalation gewarnt: Einstellung von Krankenfahrten für DAK-Versicherte, Wegfall einer adäquaten Transportmöglichkeit für zahlreiche Patienten in Hessen zu ihren Behandlungen, massive Belastung für das Gesundheitssystem, Gefährdung der Patientenversorgung, zusätzliche Belastung des ohnehin schon überlasteten Rettungsdienstes, der dann vermehrt für nicht-notfallmäßige Transporte, die keine medizinische Betreuung bedürfen, einspringen müsste – ein Problem, das bereits im Jahr 2022 aufgetreten sei. Der Landrat wurde gebeten, „sich dieser Thematik anzunehmen und den Dialog mit der Hessischen Gesundheitsministerin sowie dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen zu suchen. Eine faire und zügige Lösung für die Vergütung der Krankenfahrten seitens der DAK Gesundheit ist entscheidend, um eine reibungslose Patientenversorgung und ein funktionierendes Gesundheitssystem sicherzustellen.“
Man benötige dringend „eine nachhaltige und gerechte Lösung für die Vergütung von Krankenfahrten, um eine umfassende Patientenmobilität und ein funktionierendes Gesundheitssystem zu gewährleisten.“
Zwei Tage später, am 5. Februar, ging der Verband erneut mit einem Einigungsversuch auf die DAK zu: Man habe viele Jahre partnerschaftlich mit der DAK zusammengearbeitet und sehe es als konstruktiven Schritt an, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die eine Eskalation des Konflikts vermeiden und für beide Seiten akzeptable Ergebnisse erzielen. Als Interessenvertretung der hessischen Krankenbeförderungsunternehmen setze man sich für faire und nachhaltige Geschäftsbeziehungen ein. „Diese sollen sowohl den gesetzlichen Vorgaben als auch den realen Betriebskosten gerecht werden und gleichzeitig die Bedürfnisse der Patienten berücksichtigen.“ Man begrüße die Unterstützung des Mindestlohns seitens der DAK. „Dieses Engagement teilen wir, da auch wir großen Wert auf die Einhaltung und Förderung angemessener Lohnstandards legen.“ Dem stehe aber die von der DAK gewollte Kürzung der Vergütung für Sitzend-Krankenfahrten um fast 20 Prozent entgegen. Man bitte um Einsicht in die zugrundegelegte Kalkulation. „Ein transparenter Blick auf Ihre Berechnungsgrundlagen würde es uns ermöglichen, die geplanten Kürzungen besser nachvollziehen zu können und gegebenenfalls vermittelnd tätig zu werden.“
Gleichzeitig wurden die Versicherten informiert, dass die Fahrten vorläufig von ihnen bar zu verauslagen seien, und dass folgende Preise berechnet würden: bei Sitzend-Krankenfahrten innerhalb des Taxitarifgebietes der behördlich festgesetzte Taxitarif, außerhalb des Taxitarifgebietes oder bei Mietwagenfahrten wie oben genannt; für eine Rollstuhlfahrt: Grundgebühr bis 12 Besetztkilometer: 50 Euro, ab dem 13. Besetztkilometer zuzüglich 2,50 Euro pro Kilometer; für einen Liegend- oder Tragestuhltransport: Grundgebühr bis 7 Besetztkilometer: 75,00 Euro, ab dem 8. Besetztkilometer zuzüglich 3 Euro pro Kilometer. „DAK-Versicherte sollten im Vorfeld mit ihrer Krankenkasse DAK Gesundheit klären, ob die verauslagten Kosten für die Krankenfahrt in voller Höhe rückerstattet werden.“
Gestern berichtete Jens Marggraf gegenüber Taxi Times, kurz nachdem man viele Kunden im Schwalm-Eder-Kreis gebeten hatte, sich für ihre Fahrten andere Fahrdienste zu suchen, seien „die Aufträge zu unseren Unternehmen zurückgekommen, weil sie sie – wie schon fast vermutet – nicht wegbekommen“. Zwar habe die DAK gesagt, es sei gar kein Problem, andere Anbieter zu beauftragen, doch scheint sich dies nicht zu bewahrheiten. Nun werde man in den nächsten Tagen mit Zustimmung der DAK eine Notfallbeförderung zum Taxitarif aufrechterhalten, doch dann werde sich zeigen, wie es weitergeht, wenn die DAK keine Anbieter findet, die sich mit unwirtschaftlichen Vergütungen abspeisen lassen.
Es bleibt spannend: Wie wird der Landrat sich positionieren? Werden die Genehmigungsbehörden aktiv? Wird die DAK zu einer auskömmlichen Vergütung der Krankenfahrten zurückkehren? ar
Beitragsbild: Schwalmstadt; Symbolfoto: Wikipedia (GeorgDerReisende)