Den Vorwürfen vom hessischen Fachverband über die Auftragsvergabe an einen unseriösen Fahrdienst widerspricht die DAK – mit Textbausteinen, die sehr an die Wortwahl der Uber-Märchen erinnert. Heute wird weiter verhandelt. Die Branche ist auf eine mögliche Eskalation vorbereitet.
Preisdumping und die Beauftragung eines unseriösen Billig-Personenbeförderers ohne Konzession – das wirft der Fachverband PKW-Verkehr Hessen e. V. (FPH), der zum Hessischen Verband für Verkehr und Touristik gehört, der DAK-Gesundheit vor (Taxi Times berichtete) und hat dafür – laut eigener Aussage – Beweise.
Dem stehen die Aussagen der DAK-Gesundheit gegenüber, mit denen die Krankenkasse auf die Vorwürfe reagiert: Bei allen Verträgen zu Krankenfahrten müssen Taxi-Unternehmen zwingend eine gültige Konzession vorhalten. Das ist Grundvoraussetzung. Sie gilt im Übrigen nicht nur für die DAK-Gesundheit, sondern für alle Krankenkassen gleichermaßen. Und wörtlich: „Bislang ist uns kein konkreter Fall bekannt, bei dem ein Vertragspartner gegen rechtliche Rahmenbedingungen verstoßen hätte.“
Ungeachtet dessen wollen hunderte hessische Taxiunternehmen in Kürze die Fahrten für die DAK einstellen, falls diese bei den laufenden Verhandlungen mit dem Fachverband nicht einlenkt und wieder auskömmliche Vergütungen zahlt.
Der Ursprung des Konflikts liegt im Austritt der DAK-Gesundheit aus einer Tarifgemeinschaft von Krankenkassen, die unter anderem mit dem Fachverband FPH die Vergütungen für Krankenfahrten aushandelt. Nachdem die bundesweit tätige Krankenkasse mit Sitz in Hamburg, die älteste in Deutschland, die ursprünglich „Deutsche Angestellten-Krankenkasse“ hieß, in Hessen den Rahmenvertrag kündigte und begann, Taxiunternehmen zu einzelnen Verträgen mit weitaus schlechteren Bedingungen zu drängen, schlossen sich sehr schnell viele Taxibetriebe zu einer Interessengemeinschaft zusammen und reagierten mit einer Ablehnung von Fahrten zu den von der DAK geforderten Konditionen.
Es entstand eine Interessengemeinschaft von Taxibetrieben, um dem Preisdruck der DAK etwas entgegenzusetzen. Schnell wuchs die Zahl der Unternehmen, die mitmachen, auf über 100. Einer der Betriebe ist der des bekannten Melsunger Podcasters Jens Marggraf an vier Standorten im südlichen Umkreis von Kassel.
Inzwischen sitzen rund 300 hessische Betriebe mit über 2.000 Fahrzeugen im Boot. Aus der IG wurde eine offizielle Gruppierung innerhalb des Fachverbandes, dem die meisten der Betriebe angehören. Zum Sprecher der IG wurde Jens Marggraf wegen seiner kommunikativen Fähigkeiten erkoren.
Was der DAK vordergründig in die Hände spielt: Hessen ist in Bezug auf Taxitarife ein Flickenteppich. Während in anderen Bundesländern in der Regel die Landkreise einheitliche, also kreisweit geltende Taxitarife verordnen, hat in Hessen grundsätzlich jede größere Gemeinde die Befugnis und den Auftrag, ihren eigenen Taxitarif festzulegen, so dass es beispielsweise im Schwalm-Eder-Kreis mit seinen elf Kleinstädten und 26 weiteren Gemeinden zumindest acht Taxitarife gibt, im Landkreis Waldeck-Frankenberg sechs und im Landkreis Hersfeld-Rotenburg zumindest fünf Taxitarife. Ausnahmen vom Taxitarif für Krankenfahrten lassen die Tarifverordnungen überwiegend nicht zu. All dies ist auch der großen Taxi-Times-Tarifübersicht zu entnehmen, die von der Redaktion ständig aktualisiert wird.
Letzte Woche berichtete die „Hessische/Niedersächsische Allgemeine“ in einem ganzseitigen Artikel über den Konflikt. Darin wird eine DAK-Sprecherin mit der Aussage zitiert, die Konzessionen der beauftragten Taxiunternehmen würden bereits im Vorfeld über den Verband der Ersatzkassen (vdek) oder durch die DAK selbst geprüft. „Die Konzessionen werden uns laufend vorgelegt.“ Jegliche Änderungen müssten die Beförderer unverzüglich mitzuteilen. Gebe es Hinweise auf einen Vertragsbruch, gehe die DAK dem selbstverständlich unverzüglich nach.
Jens Marggraf setzt sich seit Jahren öffentlich und mit großem Engagement für Fairness, Respekt, Umgang auf Augenhöhe und angemessene Bezahlung im Taxigewerbe ein und hat sich damit hohes Ansehen erarbeitet. Er produziert mit seiner Coach-Kollegin Babett Mahnert einen regelmäßigen, populären Podcast mit kostbaren Informationen und Dienstleistungstipps für Taxiunternehmer und ‑fahrer. Wenn Marggraf von Verhandlungen mit einer Krankenkasse berichtet, bei denen er sich bemühe, eine faire Vergütung für Krankenfahrten zu erzielen, jedoch immer wieder den Bruch von Absprachen erlebe und mit Unternehmen zu tun habe, die sich unter Druck gesetzt fühlen, Knebelverträge zu unterschreiben, und wenn er dies mit den Aussagen etlicher Unternehmen belegt, dann hat dies einen hohen Grad an Glaubwürdigkeit.
Natürlich müssen auch Krankenkassen wirtschaftlich handeln und sorgsam mit den Geldern von ihren Versicherten umgehen, das gibt schon das Sozialgesetzbuch vor und es erstreckt sich auch auf den Kostenfaktor Krankenfahrten. „Aufgrund unseres hohen Fahrkostenaufkommens (über GKV-Durchschnitt) sind wir als DAK-Gesundheit besonders stark betroffen und müssen daher besonders auf Wirtschaftlichkeit achten“, wird die Sprecherin zitiert. Das ist nicht in Frage zu stellen, eignet sich aber eben nicht als Rechtfertigung für das Drücken von Vergütungen auf ein Niveau unterhalb der Wirtschaftlichkeit.
Marggraf und seine Kollegen wollen dem unlauteren Geschäftsgebaren der DAK, die die Taxibetriebe zum Teil zu unwirtschaftlichem Handeln und zu Gesetzesverstößen drängt, einen Riegel vorschieben, bevor andere Krankenkassen auf die dumme Idee kommen, es der DAK nachzuahmen. Dass der Verband erfolgreich sein wird, erscheint angesichts der hohen Zahl an Betrieben, die nicht bereit sind, beim Preisdumping der DAK mitzumachen, realistisch. Wenn die Räder von 2.000 Taxis stillstehen, hat die DAK nach Einschätzung des Fachverbandes massive Probleme, die Patienten von A nach B zu befördern.
Am heutigen Montag soll per Telefon- oder Videokonferenz weiter verhandelt werden, wie Marggraf gegenüber Taxi Times berichtet. Er ist zuversichtlich, mit einem möglichen Boykott der Fahrten ein genügend großes Druckmittel gegenüber der DAK zu haben, um eine angemessene Vergütung von ihr zu verlangen, die ein wirtschaftliches Arbeiten der Betriebe ermöglicht. „Wir sind durch die hohe Zahl an Betrieben in weiten Teilen Hessens sehr gut aufgestellt.“ In einigen Landkreisen vermutet Marggraf zudem eine gewisse Anzahl an nicht verbandsangehörigen Betrieben, die wegen des Preisdumpings durch die DAK aber dennoch bereits nicht mehr für sie fahren.
Auch der Hessische Rundfunk (hr) hat sich inzwischen bei Jens Marggraf gemeldet und nach Belegen gefragt. „Denen werde ich Anfang der Woche den Beweis liefern, dass die DAK zumindest ein Unternehmen beauftragt hat, das ohne Konzessionen unterwegs ist. Ich habe sogar eine Patientin kontaktiert, die bisher mit uns gefahren ist und nun von dem Unternehmen ohne Konzession befördert werden soll und habe sie gewarnt. Die hat daraufhin bei der DAK nachgefragt und wurde mehrfach beruhigt: Sie solle sich keine Sorgen machen, das Unternehmen sei seriös und alle nötigen Unterlagen wie etwa die Konzessionen der Fahrzeuge lägen der DAK vor. Die können ihr aber gar nicht vorliegen, denn ich habe es von der Genehmigungsbehörde Schwarz auf Weiß, dass das Unternehmen keine Konzessionen hat. Dass der DAK keine Fälle von Verstößen bekannt sind, trifft also offensichtlich nicht zu. Vielmehr scheint sie die Verstöße zu vertuschen, damit sie die Billiganbieter beauftragen und somit Kosten sparen kann – am falschen Ende, wie wir finden.“
Wenige Tage nach der Kommunikation mit der Patientin habe die DAK Marggraf angeschrieben und ihn in bitterbösem Ton aufgefordert, nicht solche „Gerüchte“ in die Welt zu setzen. „Darauf habe ich entsprechend reagiert, und somit ist nun reichlich Dampf auf dem Kessel.“ Nachdem die Unternehmen ankündigten, gegebenenfalls alle Fahrten einzustellen, habe die DAK nun einem neuen Verhandlungstermin am heutigen Montag zugestimmt.
Marggraf will mit dem hessischen Landesverband all seine Kraft investieren, zu einer für alle annehmbaren Lösung zu kommen, denn er sieht im Ausgang des hessischen Konflikts eine Signalwirkung für ganz Deutschland. „Ich glaube, die Chancen stehen gut, auch wenn es sich noch etwas hinziehen kann. Die öffentliche Aufmerksamkeit wird größer und ich möchte der Gesellschaft zeigen, wie wertvoll wir Taxifahrer und ‑unternehmer sind – gerade auf dem Land, wo manche Betriebe zu 80, 90 Prozent von Krankenfahrten leben. Es war zuerst eine Herausforderung, da wir nicht von vornherein auf Augenhöhe waren. Ein einzelner, kleiner Unternehmer kann nichts machen gegen so eine große Institution wie die DAK-Gesundheit. Die Herren mit ihrer geliehenen Macht, mit denen ich im Namen der IG verhandele, fangen aber so langsam an, auch uns zu verstehen und zu sehen, dass wir auch Ernst machen.“
Die Zeichen stünden auch deshalb gut, so Marggraf, weil er selten eine solche Vernetzung und einen so guten Zusammenhalt gesehen habe. Durch die Stärke der Gemeinschaft sei jedes Mitgliedsunternehmen in einer guten Position und habe nichts zu befürchten. Jedes weitere Unternehmen, das Mitglied im Fachverband FPH werde, stärke diese Gemeinschaft noch weiter. „Deshalb glaube ich an die Aktion und an ein gutes Ergebnis, das wir erzielen werden. Wenn uns das gelungen ist, können wir das auch bei der nächsten Krankenkasse erreichen, und dann schaffen wir es vielleicht auch, dass die anderen aufwachen.“
Auf dem Online-Portal „Vorsprung“ aus dem osthessischen Main-Kinzig-Kreis, das ebenfalls über den Konflikt berichtet, gibt ein Leser in der Kommentarspalte gleich eine praktische Hilfsanleitung für DAK-versicherte Leser: „Liebe Kunden der DAK. Liebe Angehörige von DAK-Kunden.
Bitte achten Sie genau auf das Fahrzeug, welches sie befördern soll. Legale Fahrdienstanbieter haben eine gültige Konzession, dies können sie an der Heckscheibe sehen, dort muss eine Ordnungsnummer […] angebracht sein. Bei einem Taxi ist dort eine gelbe Ordnungsnummer z.B. KS-100, bei einem Mietwagen eine blaue Ordnungsnummer. Fehlt diese Ordnungsnummer, so handelt es sich um ein illegal fahrenden Fahrdienst. Dieser wird mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht die erforderliche Versicherung für ein Taxi-/Mietwagen besitzen […]. Darüber hinaus wird der Fahrdienst allem Anschein nach nicht die erforderlichen Wartungen an seinem Fahrzeug durchführen, im schlimmsten Fall funktionieren nicht einmal die Bremsen richtig. Auch das Fahrpersonal wird […] mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Personenbeförderungsschein besitzen. Außerdem sind die meisten Fahrer dann schwarz beschäftigt, so dass die Unternehmer auch keine Sozialversicherungsbeiträge abführen. Dies wiederum sogt für steigende Kosten der Krankenkassen und schlussendlich für Beitragserhöhungen.“
Damit auch die medizinischen Einrichtungen, die möglicherweise Schwierigkeiten bekommen, Fahrten für ihre Patienten zu bekommen, informiert sind und wissen, wer die Probleme verantwortet, hat der Verbandsvorsitzende Mathias Hörning ein Musterschreiben für die Mitglieder erstellt, mit dem Arztpraxen und andere Einrichtungen über die „besorgniserregende Entwicklung“ informiert werden, „die die Mobilität vieler Patienten in Hessen erheblich beeinträchtigen könnte“. Darin wird die Situation ohne große Vorwürfe beschrieben und deutlich gemacht, dass man eine faire Lösung anstrebt. „Leider sehen wir uns gezwungen, die Fahrten für DAK-Mitglieder an einem noch zu benennenden Tag einzustellen, da unter den aktuellen Bedingungen eine Fortsetzung des Fahrdienstes nicht tragbar ist. Unser Ziel bleibt es, eine nachhaltige und gerechte Lösung zu erreichen, die den Patienten weiterhin Zugang zu wichtigen Fahrdienstleistungen gewährleistet. Wir setzen uns für eine konstruktive Zusammenarbeit ein und hoffen, dass wir dabei auf Ihre Unterstützung zählen können.“ Zudem werden die Einrichtungen aufgerufen, ihrerseits Rückmeldung zu geben und Erfahrungen zu schildern und die IG zu unterstützen. Durch Anrufe bei den Krankenkassen lasse sich weiterer Druck aufbauen. Auch Rettungsleitstellen seien bereits informiert worden.
Marggraf betont, er habe nichts gegen Krankenkassen, ganz im Gegenteil. Er wolle nur nicht, dass die Fahraufträge bei Qrago oder Plattformanbietern landen, sondern bei denen, die ihr Geld mit ehrlicher Arbeit und einer guten, persönlichen Dienstleistung verdienen. „Wir werden lauter, und wenn wir alle an einem Strang ziehen, haben wir auch Erfolg.“ Er freut sich über jede Unterstützung, die dazu beiträgt, dass das Gewerbe nicht untergeht. ar
Beitragsbild: Jens Marggraf mit einem seiner Taxis; Foto: Axel Rühle
Wir haben das gleiche Problem mit der DAK. Mitten im Logdown habe ich die Kündigung meines Vertrages mit der DAK welcher auf den Vereinbarungen über den VdEK basierte bekommen. Mittels eines „Grundsatzurteiles“ welches aussagen soll, dass eine Abweichung von der Taxitarifpflicht im Pflichtfahrgebiet für Krankenfahrten nicht genehmigungspflichtig ist und ich ja auch für kurze Strecken im Stadtgebiet „mehr“ bekomme als der Tarif vorsieht kann ich den neuen Vertrag ja bedenkenlos unterschreiben. Ob meine Fahrzeuge rumstehen oder für die DAK fahren und wenigstens etwas (lt. dem vorgeschlagenen Vertrag bei Fahrten in unsere Kreisstadt wo sich die meisten Fachärzte und das Krankenhaus befinden gerade mal ein Drittel des Fahrpreises nach TTO!) wäre doch egal. Nach einigem Hin-und Her mit der Sachbearbeiterin aus Stuttgart wo ich ihr dargelegt habe, dass das o.g. Grundsatzurteil einen ganz anderen Vorgang beschreibt, sind wir so verblieben, dass ich kein „Premium-Sklave“ sein möchte. Seitdem lege ich den Versicherten nahe, wenn sie mit uns weiterfahren möchten doch die Kasse zu wechseln. Leider gibt es aber im Umfeld genug Unternehmer, welche den Vertrag unterschrieben haben aus Angst sonst gar keinen Umsatz zu haben, im Gegenzug werden dann normale Taxi-Kunden entsprechend zur Kasse gebeten sobald sie nicht mehr im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten sind um die Verluste auszugleichen. Das schadet der Branche allgemein. In unserem Landkreis wurden zudem auf der Basis eines Gutachtens aus 2018 innerhalb der letzten Jahre einige weitere Unternehmen zugelassen ohne Rücksicht auf die allgemeine Entwicklung des Taxi-Bedarfs. Zusätzlich zu der Einführung von „Flexibussen“ welche staatlich subventioniert werden.