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Start Mindestbeförderungsentgelt

Reiters „Lieblingslösung“: Taxler in die Schattenwirtschaft

von Jürgen Hartmann
30. Juli 2025
Lesedauer ca. 4 Minuten.
8
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Der Frust aus der Taxibranche über den erneuten Aufschub einer Entscheidung zu Mindestbeförderungsentgelten (MBE) richtet sich in erster Linie gegen den Oberbürgermeister Dieter Reiter. Der wehrt sich jetzt – mit Argumenten, die definitiv falsch sind.

Wenn ein Politiker von einer Branche so hart angegangen wird, ist es sein gutes Recht, sich dagegen zu wehren und die eigene Sicht darstellen zu dürfen. In München hat dies nun auch der Oberbürgermeister Dieter Reiter getan. Doch auch wer sich wehrt, sollte bei seiner Argumentation zwischen Fakten und Fake unterscheiden – und er sollte seiner politischen Verantwortung gerecht werden und wenigstens eine Grundahnung von der Materie haben, über die er derzeit nach Gutsherrenart entscheidet.

Beides hat Reiter in seinem heutigen Statement vermissen lassen. Er habe, so lässt er gegenüber den Medien erklären, vor einiger Zeit zu einem Runden Tisch eingeladen, bei dem beide Seiten (Taxibranche wie Plattformanbieter) keine Kompromissbereitschaft gezeigt hätten. Die Wahrheit ist: Reiter hatte diesen Runden Tisch erst einberufen, nachdem er die Pläne für ein MBE Ende April gekippt hatte. Die Wahrheit ist auch, dass OB Reiter die Runde sinngemäß mit den Worten begonnen habe, dass es unter ihm keine Mindestpreise gäbe. So berichten es Teilnehmer. Dabei hatte kurz zuvor Taxi Times mit einem Offenen Brief an die Münchner Bürger nochmal über die Wahrheit hinter den Billig-Fahrpreisen aufgeklärt.

Den Änderungsantrag seiner Partei unterstützt Reiter mit den Worten: „Ich finde daher den heutigen Beschluss richtig, nämlich keinen Schnellschuss zu probieren, sondern sich ausführlich um die gesamte Tarifstruktur zu kümmern und zu überdenken, was man verbessern kann.“

Hier von einem „Schnellschuss“ zu sprechen, ist mindestens falsch, wenn nicht sogar eine bewusste Irreführung des OB. Die Wahrheit ist, dass es wohl kaum ein Schnellschuss sein kann, wenn Reiters eigene Fraktion gemeinsam mit dem Koalitionspartner, den Grünen, nach dreijährigen ausführlichen Beratungen zur Erkenntnis kommt, dass ein MBE unverzichtbar ist und per Allgemeinverfügung eingeführt werden muss. Da stellt sich die Frage: Wusste Herr Reiter nichts von den intensiven Bemühungen seiner Partei und den Grünen? Oder lügt er seine Bürger und die Medien bewusst an, wenn er ihnen weismachen will, dass dieser Antrag ein Schnellschuss sei?

Wortbruch, Irreführung, Faktenignoranz: Zum Glück gibt es in einer Demokratie das Demonstrationsrecht, damit man auf diese politischen Missstände aufmerksam machen kann. Foto: Taxi Times

Völlig abstrus wird der Münchner OB aber bei der Definition einer „Lieblingslösung“: Reiter wäre es am liebsten, die „Gebühren nicht zu verteuern, sondern für alle Kundinnen und Kunden günstiger zu werden, zum Beispiel durch einen Wegfall der Mindestgebühren auch bei Taxis.“

Auf gut deutsch: Taxis sollen einfach günstiger werden. Das klingt gut in Wahlkampfzeiten (Im März 2026 steht der OB zur Wiederwahl) und es suggeriert seinen potenziellen Wählern, dass Taxiunternehmer die Möglichkeit hätten, beliebig an der Preisschraube zu drehen. Und dass ihre Fahrten zum aktuellen Tarif eine Gewinnspanne beinhalten, die man beliebig verkleinern kann – Hauptsache, man bekommt dadurch Fahrten.

Die Wahrheit ist aber, dass der Taxipreis von der zuständigen Behörde, dem KVR, vorgeschlagen wird – auf Basis dessen, was notwendig ist, damit jeder Taxibetreiber ein wirtschaftliches Auskommen hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betrieb eines Taxis in allen Bereichen einer unglaublichen Kostensteigerung unterliegt. Der gesetzliche Mindestlohn ist von 8,50 in zehn Jahren auf 12,82 Euro gestiegen. Die Anschaffungskosten für ein Taxi liegen um ein Vielfaches dessen, was man noch zur Jahrtausendwende bezahlen musste. Die Ersatzteil- und Reparaturkosten sind horrend gestiegen, ebenso die Prämien für die Kfz-Versicherung. Zudem erfordern Anschaffungen zur Umsetzung digitaler Errungenschaften hohe Investitionen.

 

Wenn also eine Taxifahrt das kostet, was sie kostet, dann nicht etwa, weil der Fahrgast mit jeder Fahrt die Luxusyacht des Taxiunternehmers mitfinanziert, sondern weil dies genau der vom KVR ermittelte Preis ist, um damit bei vernünftiger Auslastung den eigenen Fahrer nach rechtlichen Vorgaben und sozialversicherungspflichtig und sich selbst einen angemessenen Unternehmerlohn bezahlen zu können. Eigentlich sollte er als gewissenhafter Unternehmer ja auch noch Rücklagen für die nächste Fahrzeuganschaffung zur Seite legen können. Doch das klappt bei der aktuellen Tarifstruktur und den derzeitigen Rahmenbedingungen schon gar nicht mehr. Der ungleiche Wettbewerb mit den Plattformen zerrt an den Reserven.

Jetzt könnte man sagen, dass ein OB einen solch tiefen Einblick in die Branche ja nicht unbedingt kennen muss. Die Wahrheit ist aber, dass Herr Reiter diese Fakten sehr wohl kennt, denn sie wurden ihm in den Gesprächen mit dem Taxigewerbe genau so dargelegt. Wer sie wie Reiter trotzdem ignoriert, muss sich die jetzt erfolgten harten Angriffe auch gefallen lassen.

Die nächste Wahrheit ist: Seitens seiner eigenen Kontrollbehörde bekommt Herr Reiter schwarz auf weiß den Beweis, dass ein Wirtschaften zu den aktuellen Dumpingpreisen für Mietwagenbetriebe nur mit gleich mehreren Rechtsverstößen möglich ist. 59 von 60 überprüften Mietwagenbetriebe mussten beanstandet werden, lautete eine Statistik des KVR. Herr Reiter kennt diese Zahlen, sie wurden ihm bei dem vom ihm angesprochenen Runden Tisch vorgelegt. Diese Zahlen haben bei ihm offensichtlich gewirkt und ein Umdenken verursacht, so zumindest hat er es in einem Radio-Interview letzte Woche kundgetan. Dort hatte er sich noch für ein MBE ausgesprochen, weil die Plattformanbieter, wie er sagte, nicht garantieren könnten, dass bei Ihnen Mindestlohn bezahlt wird. Wenn Herr Reiter dann wenige Tage später diese Zusage wieder ins Gegenteil verkehrt, muss er sich auch den Vorwurf des Wortbruchs gefallen lassen.

Denn genau das ist passiert: Nicht einmal eine Woche später kippt Herr Reiter das MBE und informiert die Medien dann „seine Lieblingslösung“, indem Taxis einfach genau so billig werden sollen wie die Mietwagen. Doch wenn Herr Reiter die Statistik seines KVR verstanden hätte, müssten ihm auch die Konsequenzen seiner Lieblingslösung klar sein: Es würde bedeuten, dass auch die Taxibetriebe zwangsläufig in die Illegalität abrutschen müssten, dass auch sie Steuern hinterziehen und Mindestlohnverstöße begehen müssten. Nicht aus krimineller Energie heraus, sondern dem Urtrieb des eigenen wirtschaftlichen Überlebens geschuldet.

Dieter Reiter schlägt also allen Ernstes ein Modell vor, das neben der Mietwagenbranche dann auch noch die Taxler in die Schattenwirtschaft treiben würde.

Fazit: Dass sich die Münchner Taxler jetzt gegen einen solchen OB zur Wehr setzen, ist nur allzu verständlich. Herr Reiter mag in vielen Bereichen ein guter OB sein (nur zwei Schläge beim Anstich zum Oktoberfest sind beispielsweise ein bemerkenswerter Verdienst), doch diese wunderbare Stadt sollte im März 2026 keinen Bürgermeister mehr bekommen, der eine für die individuelle Mobilität unverzichtbare Branche in die Pleite treibt und als Lösungsansatz allen Ernstes eine Idee präsentiert, die dann anstatt Pleite Schattenwirtschaft bedeuten würde. jh

Beitragsfoto. Taxi Times

Tags: Dieter ReiterKriminalitätMindestbeförderungsentgelt
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Jürgen Hartmann

Der Verlagskaufmann und ehemalige Taxiunternehmer gründete 2014, als Reaktion auf die Veränderungen innerhalb des Taxigewerbes, den Taxi Times Verlag. Als Herausgeber etablierte er die Taxi Times Print-Magazine und das Onlineportal Taxi-Times.com mit dem Anspruch, ein Sprachrohr für die Taxibranche zu schaffen.

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Kommentare 8

  1. J. Chronor says:
    4 Monaten her

    Zivilcourage.
    Auch das gehört zur DNA des politischen Engagements, wenn es um demokratisches Handeln geht. Um offen zu legen, was schief geht und was helfen kann, daran etwas zu ändern.

    Hatte doch mal die SPD. Und zumindest der Teil der CSU, der nicht ausschließlich profitorientiert handelt, sondern in größeren Zusammenhängen nicht nur denkt, sondern diese auch mit berücksichtigt.

    Ist Dieter Reiter von allen guten Geistern verlassen? Ist er schon gar nicht mehr Reiter seiner eigenen Maßstäbe, sondern wird geritten von Raubtierkapitalisten?
    Fremdgesteuert?

    Unsere Soziale Marktwirtschaft mit ihren beschränkenden Regeln steht zwar nicht im Grundgesetz.
    Ist aber eine der allergrößten Errungenschaften der Demokratie nach der Nazizeit.

    Marktradikales Auflösen von gut begründeten bestehenden oder auch neu zu schaffenden Spielregeln im Leben schadet.

    Vor allem, wenn durch fortgesetzten Rechtsbruch, der hingenommen wurde, neue Realität entsteht. Rechtsstaat?

    Ist dann weg. Auf Nimmerwiedersehen!

    Antworten
  2. Alois Brennigmeier says:
    4 Monaten her

    Herr Reiter hat ja geniale Ideen. Das Taxis einfach billiger werden sollen ist fantastisch. Da ist noch kein einziger Verantwortlicher in der BRD drauf gekommen. Wir hätten auch gute Ideen, wie der Haushalt der Stadt saniert werden könnte. Verzichten sie doch auf große Teile ihrer Vergütungen und Zulagen.

    Antworten
  3. Peter Becker says:
    4 Monaten her

    somit gilt dann wieder das Recht des stärkeren.Herzlichen Glückwunsch
    .dann sind wir wieder in der Steinzeit angekommen

    Antworten
  4. Benjamin Erdogan says:
    4 Monaten her

    Ich sehe eine einfache Lösung, und zwar in Zeiten der Überflutung des Marktes mal endlich wieder die Ortskundeprüfung in einem etwas leichteren Rahmen als zuvor einzuführen und endlich Umzusetzen. inklusive der Recht für alle. Auch beim Zugang unseres Gewerbes. Seien es Taxi oder Mietwagen die mit Vermittlungsplattformen zusammen arbeiten.

    Antworten
    • jayjaytzambesi says:
      4 Monaten her

      ich habe das so oft geschrieben mit der Ortskunde und das sie die punktezahl einfach runterschrauben sollten, aber nein die denken nicht mit. Hauptsache Navi ist da und hilf ( was in der Praxis nicht wirklich der fall ist)

      Antworten
  5. Patrick S. says:
    4 Monaten her

    “ … Wenn also eine Taxifahrt das kostet, was sie kostet, dann nicht etwa, weil der Fahrgast mit jeder Fahrt die Luxusyacht des Taxiunternehmers mitfinanziert, sondern weil dies genau der vom KVR ermittelte Preis ist, um damit bei vernünftiger Auslastung den eigenen Fahrer nach rechtlichen Vorgaben und sozialversicherungspflichtig und sich selbst einen angemessenen Unternehmerlohn bezahlen zu können. … “ Ein Sachverhalt, der jeder zuständigen Personenbeförderungsbehörde und jedem verantwortlichen Verkehrspolitiker / jeder Verkehrspolitikerin bekannt ist bzw. sein sollte! Wie konnte man unter Berücksichtigung dieses Wissensstands dann vor Jahren einer ausländischen Billig-Konkurrenz sämtlich Türen hierzulande öffnen? Das Hauptproblem, was nun schnellstmöglich wieder beseitigt werden muss, ist das Versagen und inkompetent Handeln der damaligen politischen Akteure auf Bundes- und Landesebene!

    Antworten
  6. jayjaytzambesi says:
    4 Monaten her

    Ortskunde wieder einführen (wenn auch nur vereinfacht) würde das ganze Problematik wieder lösen, ganz einfach. dann hätten Uber und co Probleme, und wir Taxifahrer hätten dann wieder Qualität und besseren ruf

    Antworten
  7. Huber says:
    3 Monaten her

    Dieter Reiter und Donald Trump haben eines gemeinsam:

    AMERIKA first !!!!

    Zum kotzen

    Antworten

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