Bundesweit demonstrieren Taxler, die ein Mindestbeförderungsentgelt für Mietwagen (MBE) auch für ihre Stadt fordern. Was aber lässt sich da genau fordern und vor allen Dingen: Wie kann ein solches MBE ausgestaltet werden?
Immer wieder sind Forderungen zu hören und zu lesen, dass sich die rechtliche Festlegung der Höhe des Mindestfahrpreises doch ganz simpel am örtlichen Taxitarif zu orientieren habe. Für Mietwagen seien darüber hinaus noch zusätzlich die höheren Kosten für die regelmäßigen Rückfahrten gemäß Rückkehrpflicht sowie die um 12 Prozent höhere Mehrwertsteuer zu berücksichtigen. Außerdem gebe es ja auch noch die immens hohen Vermittlungsprovisionen, die an die Plattformer zu entrichten und somit bei der Berechnung ebenfalls zu berücksichtigen seien. All das müsse man doch einfach nur einpreisen und fertig sei das MBE.
Der Gedanke ist zwar nachvollziehbar, aber so einfach ist dann leider nicht.
Der erste Schritt bei der Festlegung eines MBEs wird die Prüfung sein, was der Gesetzgeber dazu genau festgelegt hat: Welche Voraussetzungen muss ein MBE erfüllen? Die Option eines Mindestbeförderungsentgeltes für Mietwagen hat die Bundesregierung mit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes PBefG im Jahr 2021 unter Paragraf 51a eingeführt und dabei die Verantwirtung gleichzeitig an die Städte und Kommunen abgeschoben: „Die Genehmigungsbehörde kann zum Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen für den Verkehr mit Mietwagen … Mindestbeförderungsentgelte festlegen.“ In dieser kurzen Formulierung wurde nicht nur festgelegt, dass es MBEs geben kann, sondern auch, welchem Zweck Mindestbeförderungsentgelte dienen, nämlich einzig und allein dem Schutz öffentlicher Verkehrsinteressen. Eine solche gesetzliche Zweckbestimmung aber ist juristisch absolut bindend. Und daraus ergeben sich einige Schwierigkeiten, MBEs tatsächlich auch rechtssicher umzusetzen.
Es ergibt sich zunächst die entscheidende Frage: Was sind die öffentlichen Verkehrsinteressen genau und mit welcher Ausgestaltung lassen sie sich durch ein MBE schützen? In Paragraf 8 definiert das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) das öffentliche Verkehrsinteresse als die „wirtschaftliche, den Klimaschutz und die Nachhaltigkeit sowie die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse berücksichtigenden Verkehrsgestaltung“ und bezieht dabei auch Taxis und Mietwagen mit ein. Im Paragrafen 13 legt es darüber hinaus fest, dass „die öffentlichen Verkehrsinteressen dadurch beeinträchtigt werden …. (wenn) das örtliche Taxengewerbe in seiner Funktionsfähigkeit bedroht wird“. Das also ist der gesetzliche Rahmen.
Zur Frage, ob das örtliche Taxigewerbe in seiner Funktionsfähigkeit bedroht ist, gibt es eine klare Antwort: Wenn plattformbasierte Mietwagen zeitweilig mit Dumpingpreisen die Auskömmlichkeit des Betreibens einer Taxikonzession in der Form gefährden, dass ein Taxiunternehmer im Ergebnis keine ausreichenden Umsätze mehr erzielen kann, um seinen Betrieb aufrecht zu erhalten, ist eben jener (und jeder) Taxiunternehmer in seiner Existenz bedroht und in der Summe dieser drohenden Insolvenzen ist dann auch das Taxigewerbe an sich bedroht. Wo es keine oder nur noch zu wenige Taxibetriebe gibt, könne diese ihre eigentliche Funktion nicht mehr erfüllen: Immer und jederzeit die mobile Daseinsvorsorge zu garantieren.
Im Ergebnis steht also nicht die Wirtschaftlichkeit der Mietwagenbetriebe zur Diskussion, sondern die Wirtschaftlichkeit eines Taxibetriebes zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des örtlichen Taxigewerbes. Somit muss jemand, der ein MBE umsetzen will, also zunächst nachweisen, dass das örtliche Taxigewerbe durch das Agieren der Mietwagen-Plattformer vor Ort gefährdet wird, und auch, dass dies nicht in einem möglicherweise pomadigen Festhalten der örtlichen Taxler an veralteten Strukturen begründet ist. Wo also ein örtlicher Tarif es ermöglichte, dass die Taxler von ihrem Tarif leben können, obwohl sie teils stundenlang am Bahnhof auf einzelne Fahrten warten müssen, da wäre ein solcher Taxitarif eben auch kein guter Anhaltspunkt für ein MBE.
Die Genehmigungsbehörden müssen also zunächst sich selbst prüfen: Haben sie in der Vergangenheit bedarfsgerecht agiert und mit den von ihnen festgelegten Taxitarifen ein leistungsfähiges Taxigewerbe mit einem bedarfsgerechten Tarif vor Ort gefördert, welches nun in seiner Existenz gefährdet ist, wenn plattformbasierte Mitbewerber ihnen zu bestimmten Tageszeiten durch Dumpingpreise die überlebensnotwendige Sahne vom Kuchen nehmen?
Dabei ist zwingend zu berücksichtigen: Der örtliche Taxitarif muss es nicht nur ermöglichen, eine simple Fahrt von A nach B wirtschaftlich auskömmlich zu realisieren, er muss es auch ermöglichen, dass die örtlichen Taxler ihrer Betriebspflicht auch in Schwachlastzeiten nachkommen, wenn insgesamt die Konzessionsanzahl an den örtlichen Bedarf angepasst bleibt. Denn dann – und nur dann – wäre die Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes vor Ort grundsätzlich gewährleistet.
Genau diese Aufgaben haben die Plattformer nicht. Ihnen wurde anders als den Taxis vom Gesetzgeber keine Betriebspflicht auferlegt. Sie können einfach Feierabend machen, wenn nichts los ist. Mietwagen haben auch keine Tarifpflicht. Während Taxis also jederzeit zum von den Kommunen festgelegten Tarif fahren (=Verlässlichkeit für den Fahrgast), werden Mietwagen-Plattformer, die für Uber und Bolt fahren, immer dann teurer, wenn viel los ist. Negativer Nebeneffekt: Zu solchen Zeiten können sich dann viele Menschen keine Individualbeförderung mehr leisten- Wie soll dann die Seniorin zu ihrem Arzttermin in die Praxis kommen?
Nächster Fakt: Der örtliche Tarif ist ökonomisch sinnvoll. Er kann auch durch möglicherweise effizienter wirtschaftende Mietwagen kaum unterschritten werden. Dass dem so ist, wird durch die illegalen Praktiken der örtlichen Mietwagenbetriebe deutlich, die bei Kontrollen der Aufsichtsbehörden ans Licht kamen (z. B. in München), die aber bereits durch entsprechende Gutachten ermittelt wurden (z. B. in Essen). Lässt sich also zweifelfrei belegen, dass die örtlichen Plattformer illegal agieren, dann ist dies das zweite wichtige Argument dafür, dass die örtlichen Mietwagen die öffentlichen Verkehrsinteressen angreifen – und diese Interessen somit geschützt werden müssen.
All diese Vorbereitungen muss die Genehmigungsbehörde zunächst treffen, bevor sie überhaupt ein MBE festlegt. Das MBE selbst muss nun noch den Spagat hinbekommen, dass es berücksichtigt, dass der örtliche Taxitarif nicht in Stein gemeißelt ist, sondern mit einem anderen Businessplan, wie ihn die Mietwagen-Plattformer verfolgen, durchaus auch mal unterschritten werden kann. Die Plattformer müssen keine Betriebspflicht mit einkalkulieren, sie haben keine Beförderungspflicht, die sie beschränkt und sie dürfen fehlende Ökonomie einzelner Aufträge auch durch eine Überteuerung anderer egalisieren, denn auch eine Tarifpflicht gibt es für sie nicht (siehe oben).
Zusätzlich ist die Einführung eines MBEs ein sehr gravierender Eingriff in die Marktwirtschaft. Mit dem MBE darf also lediglich sichergestellt werden, dass das örtliche Taxigewerbe damit nicht in seiner grundsätzlichen Funktionsfähigkeit gefährdet wird. Es darf nicht dazu dienen, die Plattformer ganz vom Markt zu verdrängen. Dieser Hindernislauf muss von den Genehmigungsbehörden in Vorleistung erledigt werden, damit sich anschließend die Uber-Juristen auf die Details stürzen können und sie Buchstabe für Buchstabe auseinandernehmen können. Damit ist die Festlegung eines MBEs also durchaus ein schwieriges Unterfangen, wenn es nicht gleich im Anschluss wieder gerichtlich gekippt werden soll.
Ein anderer Weg aus Taxlersicht wäre im Übrigen der Bezug auf die ebenfalls ergänzten Regelungen in Paragraf 49 PBefG: Danach kann die Genehmigungsbehörde in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern – wiederum zum Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen – die in ihrem Bezirk geltenden Regelungen für den gebündelten Bedarfsverkehr auch auf den in ihrem Bezirk betriebenen Verkehr mit Mietwagen anwenden, wenn per App vermittelter Verkehr mit Mietwagen einen Marktanteil von 25 Prozent am Fahrtaufkommen im Gelegenheitsverkehr mit Taxis, Mietwagen und gebündelten Bedarfsverkehr überschreitet. Diese Kann-Regelung bezieht sich dabei wohl vor allem auf den letzten Satz des Paragrafen, welcher den gebündelten Bedarfsverkehr regelt: Die Genehmigungsbehörde kann … Vorgaben zu Sozialstandards, wie zum Beispiel Regelungen zu Arbeitszeiten, Entlohnung und Pausen … festlegen. Allerdings erscheint die Umsetzung dieser Option rechtlich noch komplizierter als die eines MBEs. red
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Wenn es so unklar und juristisch schwierig ist, dann:
)hat die Politik zu erklären, wieso sie mit dem beschlossenen PbefG offenbar erreichen möchte, daß das Taxigewerbe so dezimiert wird, wie seit Aufkommen der plattformbasierten Vermittlung geschehen.
Jede gesetzliche Regelung wie die im August 2021 in Kraft getretene Novellierung des PbefG verfolgt bestimmte offene, aber auch beabsichtigte heimliche Ziele. Unbeabsichtigte Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen.
Diese Novellierung verstehe ich allerdings durchaus so, dass die möglichen Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen gestärkt werden sollen.
Im Gegenzug wurde allerdings den schon damals überforderten Kommunen die Möglichkeit zur Einführung des MBE aufgebürdet. Damit nichts gegen die kriminellen Pseudotaxis erreicht wird?Obwohl damals bereits die massenhaften systematischen kriminellen Verstöße der Pseudotaxis nicht ausreichend geahndet wurden.
)haben wir als Bürger unserer Demokratie mit Sozialer Marktwirtschaft zu hinterfragen, wie es sein kann, dass es global operierenden Konzernen gelingt, unser Rechtssystem derart zu missbrauchen, daß ihr offensichtlich mafiöses Geschäftsmodell dermaßen an Einfluß gewinnen kann. Wer also untergräbt hier unser auf demokratischen Regeln basierendes Leben?
)haben wir dafür zu sorgen, dass diese Gesetze tatsächlich keinem heimlichen Interesse irgendwelcher Strippenzieher im Dunkeln mit heimlichen Absprachen oder sogar Erpressung dienen.
)haben wir dafür zu sorgen, dass unsere Gesetze im Interesse der Allgemeinheit auch wirklich DURCH-GESETZT werden. Anders als bei Rückkehrpflicht und den bekannten meist ungeahndeten Straftaten der Pseudotaxis.
Ich hab diesen wichtigen Artikel LEIDER erst jetzt gelesen. Ich bin nicht mal sicher, ob ich alles wirklich verstanden habe. Im Moment hab ich aber nur die Frage: Obwohl die Anzahl der Taxen eine
Kommune meines Wissens meistens schon ziemlich genau festlegen will und darf, hab ich keine Ahnung, ob die Mietwagenanzahl zur Personenbeförderung in Deutschland rechtlich überhaupt gezurrt werden kann ? Und man dazu eigentlich nur irgendein Auto braucht ???