Illegaler als illegal: Von den geschätzten 6.000 bis 7.000 Mietwagen, die in Berlin illegalen taxigleichen Verkehr durchführen, sind kürzlich 1.661 für die Vermittlung gesperrt worden. Dazu hat SPD-Politiker Tino Schopf maßgeblich beigetragen.
Die Überprüfung der Bestandsdaten von Uber, Bolt, Free Now und der neuen Vermittlungsplattform Bliq hat dazu geführt, dass das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) insgesamt 1.661 Mietwagen als illegal eingestuft hat. Nachdem Kunden diese Fahrzeuge noch bis zum April auf den Apps der Vermittlungsplattformen buchen konnten, sind sie nun von Uber & Co. gesperrt worden, wie unter anderem der „Tagesspiegel“ meldet.
Wie die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) am Montag mitteilte, hat dies die finale Auswertung der Daten aller auf den Plattformen registrierten Fahrzeuge durch das LABO ergeben. Zuvor war die – im Taxigewerbe seit Langem bekannte – Tatsache durch die Mainstreammedien gegangen, dass Kriminelle in Berlin zahlreiche Fahrzeuge mit mutmaßlich gefälschten Unterlagen bei den Plattformen angemeldet hatten.
Laut Verkehrsverwaltung haben die Fahrdienstanbieter die behördlich beanstandeten Mietwagen inzwischen von der Vermittlung ausgeschlossen. Die Unternehmen hätten ihr Geschäft unter anderem ohne (oder mit bereits abgelaufenen) Konzessionen betrieben. Das LABO will gegen die Beschuldigten Bußgeldverfahren und weitere Maßnahmen einleiten.
Ende April waren in Berlin offiziell 4.362 Mietwagen konzessioniert. Insider schätzen die Gesamtzahl aus in Berlin Konzessionierten, in anderen Genehmigungsgebieten konzessionierten und völlig illegalen Mietwagen, die in Berlin Personen befördern, auf 6.000 bis 7.000. Das bedeutet, dass mit den 1.661 jetzt gesperrten Fahrzeugen offiziell rund 30 Prozent und realistisch etwa 24 bis 27 Prozent weniger Mietwagen auf Berlins Straßen unterwegs sind als bis letzte Woche. Dennoch gewinnt man nachts in Berlin häufig den Eindruck, ein Großteil der Fahrgäste sei in Mietwagen unterwegs und kaum noch jemand mit dem Taxi.
Der illegale Sumpf im Mietwagengewerbe hatte sich seit Jahren unter anderem aufgrund der Untätigkeit der von 2016 bis 2021 amtierenden Verkehrssenatorin Regine Günther und der offensichtlichen Unfähigkeit und Personalknappheit beim LABO etablieren können. Als Gruppenleiter Günter Schwarz im Herbst 2021 mit Taxi Times sprach, erläuterte er, wie seine Abteilung mit dem wenigen zur Verfügung stehenden Personal versuchte, das Bestmögliche an Kontrollen zu erreichen und etwa bisher als „20-Monats-GmbHs“ berüchtigte Betriebe schneller als bis dahin zu kontrollieren. Zu jener Zeit hörte zumindest die offizielle Mietwagen-Konzessionszahl in Berlin auf, explosionsartig zu steigen. Offensichtlich stieg aber umso mehr die Zahl der außerhalb Berlins konzessionierten und in Berlin eingesetzten Mietwagen sowie die Zahl der Privatautos, mit denen illegalen Mietwagenverkehr bzw. taxiähnlicher Vekehr durchgeführt wird, in der Regel mittels gefälschter Papiere erlangter Aufträge von den einschlägigen Vermittlungsplattformen.
Das LABO steht seit Langem für seine Untätigkeit in der Kritik, seit Bekanntwerden der kriminellen Tricks der Mietwagenfirmen noch sehr viel stärker als bis dato. Als positives Gegenbeispiel wird immer wieder Hamburg angeführt, wo die Behörden offensichtlich sehr viel besser arbeiten, so dass dort kaum Uber- und Bolt-Mietwagen unterwegs sind.
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Tino Schopf, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, beobachtet die Situation seit Jahren mit wachsendem Ärger. Er konnte die Verkehrspolitik zu Zeiten der rot-grün-roten Koalition schwer ertragen und bemühte sich in Zusammenarbeit mit Kristian Ronneburg vom linken Koalitionspartner, die Senatorin vom grünen Koalitionspartner zu vernünftigen Maßnahmen und überhaupt zu Gesprächen mit dem Taxigewerbe zu bewegen – vergeblich. Unter Günthers Nachfolgerin Bettina Jarasch verbesserte sich die Situation ebenfalls nicht, eher im Gegenteil. Bei einer Verbandsversammlung im Dezember letzten Jahres hatte Schopf den Gewerbevertretern im Nachhinein davon berichtet, wie er und Ronneburg bei der Koalitionspartnerin Günther auf Granit gebissen hatten. Anstelle der Senatorin und ihres Staatssekretärs Streese seien er und Gewerbevertreter zu Gesprächen mit dem Landratsamt des Landkreises Dahme-Spreewald (LDS) gefahren, um sich um Verbesserungen der Situation am Flughafen BER zu bemühen. Die damalige grüne Fraktionschefin habe sich beim SPD-Fraktionschef über Schopf beschwert, statt innerparteilich eine Verbesserung der Verkehrspolitik anzuregen.
Schopf, der seit Jahren eine gute Zusammenarbeit mit dem Berliner Taxigewerbe pflegt, wollte dem Wildwuchs im Mietwagengewerbe und der Untätigkeit des LABO nicht länger zusehen und nahm 2023 schließlich Akteneinsicht bei der Behörde. Dabei stieß er auf „gravierende Mängel bei der Antragsbearbeitung“. Das bestätigte kürzlich auch ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts, in dem festgestellt wurde, dass im verhandelten Fall eine Konzession zur Personenbeförderung auf Grundlage der vorgelegten Dokumente niemals hätte erteilt werden dürfen. Vor diesem Hintergrund sieht Schopf es nicht nur als naheliegend an, sondern als zwingend erforderlich, Entscheidungen der Behörde kritisch zu hinterfragen. Das gelte umso mehr für die rund 4.500 in Berlin vergebenen Konzessionen. „Seit langem appelliere ich an den Senat, hierzu eine externe fachliche und rechtliche Unterstützung hinzuzuziehen und weise auf Defizite und Lücken im Verfahren hin“, so Schopf in einer Pressemitteilung.
„Vernebelt, geblendet und getäuscht“ – so umschreibt Schopf den Umgang der Fahrdienstanbieter mit der Aufsichtsbehörde und fragt rhetorisch: „Lässt sich der Senat an der Nase herumführen?“ Die Antwort scheint ziemlich offensichtlich. Schopf schreibt, die ersten Ergebnisse der umfangreichen Datenabfrage des LABO bei den Vermittlungsplattformen im Mietwagengewerbe würden mehr Fragen aufwerfen als Antworten zu geben. Aus diesem Grund hat er eine Schriftliche Anfrage an den Senat gerichtet, die Taxi Times einschließlich Antworten vorliegt.
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Die Antworten lesen sich nach Schopfs Urteil wie eine Kapitulation des Senats gegenüber dem kriminellen Teil des Berliner Mietwagengewerbes: „8.940 Datensätze wurden von den Vermittlungsplattformen an das LABO übermittelt und bei rund einem Viertel davon gab es Grund zur Beanstandung. Meine Anfrage ergab: Die Behörde beanstandet die Daten von insgesamt 180 Unternehmen und 2.228 Fahrzeuge. […] Mitte August 2023 haben die Vermittlungsplattformen eine Rahmenvereinbarung zur besseren Zusammenarbeit mit dem LABO geschlossen. Seitdem wurde das Papier mehrfach nachgebessert – zuletzt im März dieses Jahres.“
Dann deckt Schopf einen Skandal auf, der das LABO geradezu als Komplize der kriminellen Mietwagenbetreiber erscheinen lässt: In besagtem Papier wurde die Datenübermittlung an das LABO mit Stichtag zum 1. April vereinbart. „Daraufhin haben einige Vermittlungsplattformen erhebliche Anstrengungen unternommen, zweifelhaften Mietwagenunternehmen eine elegante Exit-Strategie bis zum 31. März zu ermöglichen. Damit die Mietwagenunternehmen ohne Konsequenzen aussteigen konnten, wurden sie unter anderem von Bolt vorab über die Datenübermittlung informiert und um Zustimmung zur Übermittlung an das LABO gebeten. Statt sich den Datensatz mit Stand vom 14. März übermitteln zu lassen, ließ das LABO für die unsauberen Unternehmen bis zum 31. März wissentlich und fahrlässig die Hintertür offenstehen.“
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Schopf bemängelt, das LABO zwar habe darauf hingewiesen, dass das Vorgehen nicht der geschlossenen Vereinbarung entspräche, als Antwort habe die Behörde jedoch lediglich den Hinweis erhalten, dass alle Termine und Fristen eingehalten würden. „Diese Antwort stellte das LABO offenbar zufrieden, und so ließ sich die Behörde einmal mehr am Nasenring durch die Manege führen. Das hat Folgen und deshalb stellt sich die Frage, inwieweit sich die zuständige Senatsverwaltung womöglich angreifbar macht, wenn es seine Landesbehörde in dieser Form gewähren lässt.“ Diese sehr diplomatische Formulierung besagt nichts anderes, als dass auch die Senatsverwaltung sich mitschuldig gemacht hat, indem sie das LABO, das ihr unterstellt ist, beim Nicht-zur-Rechenschaft-Ziehen der Betrüger gewähren ließ.
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Die Hauptschuld lässt sich dennoch keiner bestimmten Person direkt zuordnen, etwa der Ende April zurückgetretenen Verkehrssenatorin Manja Schreiner. Wie nach ihrem Rücktritt bekannt wurde, soll Schreiner in erheblichem Ausmaß mit dem Problem konfrontiert gewesen sein, dass ein Teil ihrer Mitarbeiter mehr Loyalität ihren grünen Vorgängerinnen als ihr gegenüber praktiziert hätte und immer wieder Interna und Entscheidungen ausgeplaudert habe. Dieses Problem sei auch Schreiners Nachfolgerin Ute Bonde bekannt, die sich daher einige personelle Veränderungen in ihrem Hause vorgenommen hat. Ob auch der angekündigte Rücktritt von Verkehrsstaatssekretärin Dr. Claudia Elif Stutz damit im Zusammenhang steht, darüber lässt sich spekulieren.
Das Taxigewerbe darf nun hoffen, dass Ute Bonde die fruchtbare und konsequente Politik ihrer Amtsvorgängerin fortsetzt. Auch SPD-Koalitionspartner Tino Schopf ist trotz allem optimistisch, dass weiter konsequent gegen illegale Personenbeförderung vorgegangen wird: „Gleichwohl nehme ich die Arbeit der eingerichteten Arbeitsgruppe bestehend aus Mitarbeitenden der Senatsverwaltungen, des LABO, der Polizei und des Zolls sowie des Jobcenters wahr. Die Zahl der Mietwagen auf Berlins Straßen ist zuletzt spürbar zurückgegangen. Trotzdem liegt noch ein weiter Weg vor uns, wenn es gelingen soll, den kriminellen Sumpf im Mietwagengewerbe endgültig trockenzulegen.“ ar
Beitragsfoto: Simi
Einfach das System Hamburg in allen Städten übernehmen.
… 7000 zu wenig, Uber und die anderen angechlichenen Parasitäre sind das Problem, ein von A bis Z illegaler Taxi-Service mit sogenannten Mietwagen, man agiere wie in Hamburg, alles andere bedient die Mafia-Abzocker.
Stark
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Was ich noch nicht gegreife ist, warum die Taxiunternehmer sich nicht zusammentun. um ein
Abmahnverfahren
gegen Uber & Co. sowie ihre Subs, die Mietwagenunternehmer, einzuleiten.
Wir haben in Deutschland ein ziemlich ausgefeiltes Wettbewerbsrecht . Wo sind die ganzen Abmahnanwälte, die sich mit solchen Dingen eine goldene Nase verdienen?
Das verstehe ich bisher nicht. Das ist mir zu hoch.
Sappralott Kollege Simon, Dein Abmahnanwältehinweis könnte tatsächlich was taugen !!!
… und sie fahren immer noch herum, jeden Tag befördern sie weiter, eine einfache Beobachtung auf den Straßen dieser Stadt zeigt es; und den Ermöglichern wird niemals beigekommen, wo ist hier der Rechststaat? Er ist wohl unter die Räder von Uber gekommen; in der Visage von Karosseriewaschwani kann man es lesen, er lacht wie der Karnickellick, den der beerbt hat, und von dessen ultralibertärer Schwarte er sich einiges abgeschnitten hat, aber es besser zu kaschieren versteht. Macht was, klagt gegen die Behörde, haut wirklich rein, mit irgendwelchen Mindestpreisen für die Mafia helft ihr nur ihr auf.
Lieber Herr Kocher, danke für Ihren Kommentar. Wenn Sie Taxi Times schon länger verfolgen (und damit meinen wir letzten Jahre), dann haben Sie bestimmt bemerkt, dass gerade seitens des Taxigewerbes auf juristischem Weg viel unternommen worden ist. Es muss vieles versucht werden um zu sehen, was am Ende wirklich hilft. Dazu zählen auch die Bemühungen um ein Mindestentgelt. Das von vornherein abzucanceln ist mit Sicherheit nicht hilfreich.
… endlich mal was los auf Taxi-Times, oder? Ja, bemüht euch um ein Mindestentgelt, die Kapitalgeber der Disruption werden es euch danken, sie müssen mithin an der Börse weniger auf die Finanzierung ihrer Zerstörungsstrategie hoffen, und wenn sie dann noch an Propaganda und anderen Festkosten sparen können, mithin einige tausend Leute rauschmeissen, denn das verlogene Wording hat ja schon überall gegriffen, wird das nur ihren ruinösen Lauf befördern. Wo sind die ganzen Arschlöcher hin, die vermeintlich für das Gewerbe eintreten? Man weiß es nicht. Das juristische Kleinklein bringt es anscheinend nicht. Kollar ist ein guter Mann, aber in seinem Gesicht weht auch schon die weiße Fahne der Kapitulation. Der Weg führt rigide über die Behörden und das Recht, womöglich ein langer Weg, aber er hätte schon vor 10 Jahren beschritten werden müssen. Jetzt sind wir nur noch mit den Folgeproblemen der Versäumnisse befasst.
Angesichts der geschilderten Situation bei der zuständigen Behörde lassen sich mehrere Schlüsse ziehen:
)Die Aufsicht über das aus guten Gründen regulierte und mit klaren Regeln versehene Personenbeförderungswesen ist wichtig.
Und wird ganz offensichtlich unzureichend ausgeübt.
)Die Einstellung – der Markt werde es schon richten, Hauptsache keiner mischt sich ein – öffnete kriminellen Verhalten Tür und Tor.
)Politisch-wirtschaftliche Grundhaltungen haben offensichtlich über die rechtlichen Grundlagen in den zuständigen Behörden gesiegt und zu unzureichender Personalausstattung und entsprechender Ineffizient der Verwaltung geführt.
)Selbsthilfe aus dem betroffenen Taxigewerbe ist aufgrund seiner kleingewerblichen mittelständischen Struktur finanziell sehr begrenzt. Ganz im Gegensatz zu den global agierenden Plattformanbietern, die systematisch Investorengelder verheizen.
)Markt braucht Regeln – aber keine neoliberale, rechtbrechende raubritterhafte Gier. Ludwig Erhard, unserer wichtigster Wirtschaftsminister der 50er Jahre und Mitbegründer unserer Sozialen Marktwirtschaft, hatte das bereits erkannt.
Will auch nachdrücklich, als Taxi- und Mietwagenunternehmer mit fünf MW’s am Betriebssitz München, beitragen, diese negativen Auswüchse zu beseitigen. Wir haben zwar ein ausgefeiltes PBefG mit den Durchführungsbestimmungen der unteren Straßenverkehrsbehörde, doch manche landratsamtlichen Taxibüros kommen Ihrer Kontrollpflicht einfach nicht nach….., dabei wäre dort eine Menge Strafgebühren zu holen!
Die UBER oder wie auch immer sie heißen Mietwagenbetriebe könne anscheinend machen was Sie wollen. Wir Taxi Fahrer und Unternehmer werden kontrolliert, überprüft usw., da stimmt doch im System was nicht.
Ich darf nicht in eine andere Stadt mit meinem Taxi aus München und da arbeiten.
Das gilt auch für uns MW-Multi-App-Sourcer, wir bekommen nämlich außerhalb der ersten Nachbargemeinde keine Fahrtanfragen mehr! Erst auf der Rückfahrt zum Betriebssitz gibts von dort aus wieder Fahrtanfragen — Es bleibt dabei – die Behörden kommen der Kontrollpflicht nicht nach, dabei wären hier wichtige Einnahmen zu erzielen (…. z.B.: ich bekam von den „Sesselfurzern“ kürzlich für eine Selbstanzeige 428,50 €-Bußgeld aufgebrummt, weil ich am 11.7.2023 wegen eines MW-Ausfalls auf der Fahrt zur Fahrzeugabnahme eines Ersatzfahrzeugs vier Vorbestellungen im Kundeninteresse durchführte !?) – Von den 75% für die Teilsachbehandlung (sprich Rücknahme eines Antrages) möchte ich hier nicht Stellung nehmen …!?