Am Flughafen BER sollten alle Taxifahrgäste gleiche Fahrpreise erwarten dürfen, egal, ob sie in ein Taxi aus Berlin oder in eines aus dem Landkreis Dahme-Spreewald steigen. Das ist nur fast gelungen. Der neue LDS-Tarif gibt zudem Rätsel auf.
Der Konflikt schwelt schon Jahre: Wie wird sichergestellt, dass allen eintreffenden Fluggästen immer ausreichend Taxis zur Verfügung stehen und wie wird der Kuchen gerecht zwischen Berlin und dem Landkreis Dahme-Spreewald (LDS) aufgeteilt? Als Berlin noch den Flughafen Tegel hatte, befand die Hauptstadt sich in einer deutlich besseren Verhandlungsposition. Gemacht hat der Senat daraus wenig. Seit November 2020 ist er Bittsteller gegenüber einem Landrat, dem das wirtschaftliche Wohlergehen „seiner“ Taxibranche mit Abstand wichtiger ist als das Funktionieren des Taxiverkehrs am Hauptstadtflughafen in Schönefeld. So sind zu Stoßzeiten häufig wartende Menschenschlangen an leeren Taxi-Ladeleisten zu sehen, und die Allgemeinheit wundert sich über das Taxigewerbe und über die Hauptstadt.
Nach der aktuellen Einigung sind am Flughafen 400 Taxis aus Berlin aufstellberechtigt und eigentlich auch 400 aus dem LDS, doch in dem großen, dünn besiedelten brandenburgischen Landkreis sind derzeit nur 294 Taxis zugelassen, und davon sind nur 260 am BER aufstellberechtigt. Somit muss der Flughafen einer Fast-vier-Millionen-Metropole mit 660 Taxis auskommen.
Zudem sind die Taxitarife der urbanen Metropole und des ländlichen Landkreises sehr unterschiedlich strukturiert: In Berlin gilt Tag und Nacht der gleiche Tarif, der Kilometerpreis sinkt bei Kilometer 7, zusätzlich gibt es eine Kurzstrecken-Tarifstufe bis zwei Kilometer, und Gepäck ist nur dann zuschlagpflichtig, wenn die Menge oder Größe ein Großraumtaxi erfordert. Für die Schranke am Flughafen gab es in Berliner Taxis bis Ende Mai keinen Zuschlag. Im LDS zahlt der Fahrgast werktags von 6 bis 22 Uhr weniger als nachts und am Wochenende, der Kilometerpreis sinkt bereits bei Kilometer 3 und für jedes sperrige Gepäckstück, das „nicht in einen Limousinenkofferraum passt“, zahlt er einen Euro Zuschlag. Gemeinsamkeiten beider Tarife sind der Grundpreis von 3,90 Euro und der Großraumzuschlag von 5,00 Euro.
Das Pflichtfahrgebiet für Berliner Taxis ist das Berliner Landesgebiet zuzüglich dem Flughafen in Schönefeld. Für Taxis aus dem LDS ist das Pflichtfahrgebiet der gesamte Landkreis, und der zieht sich: im Süden bis über 80 Kilometer und im Südosten bis 85 Straßenkilometer vom Flughafen aus (Schönefeld ist die nördlichste und nordwestlichste Gemeinde des LDS). Für Fahrten ab dem Flughafen (aber nicht zum Flughafen) ist schon vor Jahren ein gesondertes Pflichtfahrgebiet festgelegt worden, das das komplette Landesgebiet Berlins, den nördlichen Teil des LDS sowie einen Umkreis von rund 40 Kilometern um den Flughafen beinhaltet.
Viele wünschten (und wünschen) sich eine Vereinigung der Tarifgebiete, die vieles einfacher gemacht hätte. Vor allem hätte sie allen Berliner Taxis das Bereithalten am Flughafen erlaubt, doch da eine Zusammenlegung unrealistisch gewesen wäre, hat man sich als kleinsten gemeinsamen Nenner auf eine gemeinsame Flughafen-Tarifstufe geeinigt, die für Fahrten ab dem Flughafen in allen Taxis aus Berlin und dem LDS gilt. Sie beinhaltet keinen Unterschied zwischen Tageszeiten oder Wochentagen, einen einheitlichen Schrankenzuschlag von 1,50 Euro, keinen Gepäckzuschlag in Nicht-Großraumtaxis und hat die Degressionsstufe bei Kilometer 5. In beiden Gebieten mussten die Behörden die Tarifstufe per Verordnung festlegen. Für Berliner Taxis gilt diese neue Tarifstufe 3 bereits seit dem 1. Juni, für LDS-Taxis tritt sie am 20. Juni in Kraft.
Einheitlich ist künftig auch, dass bei Abfahrt am Flughafen BER in jedem Taxi der Schrankenzuschlag von 1,50 Euro fällig wird – allerdings nur für Einsteiger an einer der Ladeleisten. Treffen sich Fahrer und Fahrgast stattdessen wenige Meter weiter auf einem der Kurzzeitparkplätze (etwa bei bestellten Fahrten), so nutzt der Fahrer die kostenpflichtige Taxiinfrastruktur des Flughafens nicht und darf folglich auch keinen Zuschlag dafür berechnen.
Im Gegenzug für die Bereithaltungserlaubnis für einen kleinen Teil der Berliner Taxis am Flughafen musste der Berliner Senat an den LDS das Zugeständnis machen, dass die LDS-Taxis mit Flughafen-Bereithaltungserlaubnis auch in Berlin laden dürfen. Auch deshalb war nicht nur in Berlin, sondern auch im LDS eine neue Verordnung über Beförderungsentgelte im Taxiverkehr erforderlich – auch, da Berlin die Bedingung stellte, dass LDS-Taxis in Berlin zum Berliner Tarif fahren müssen, dessen Einprogrammierung in die Taxameter vorgenommen werden muss.
Die Notwendigkeit neuer Tarifordnungen hätte für beide Gebiete auch die Möglichkeit von Tarifanpassungen geboten, um die wirtschaftliche Notlage des Taxigewerbes zu entschärfen. Die Abstimmungen über solche Anpassungen dauern aber meist länger, so dass beide Gebiete zunächst ihre bestehenden Tarife behalten. Wer also zum Flughafen fährt, zahlt weiterhin unterschiedliche Tarife je nach Abfahrtsort.
Die Tarifordnung des LDS enthält zudem einige Regelungen, die nicht nur der Einheitlichkeit am Flughafen zuwider laufen, sondern auch zu unklaren Situationen beim Laden in Berlin führen. So gilt als Pflichtfahrgebiet für LDS-Taxis, die am Flughafen laden, weiterhin das gesonderte gemeinsame Pflichtfahrgebiet zuzüglich zum angestammten Gebiet, also dem gesamten Landkreis. Das hat zur Folge, dass ein Fahrgast, der am Flughafen einsteigt und in den südlichen Teil des LDS, etwa nach Luckau oder Lübben, fahren möchte, im LDS-Taxi den Flughafentarif bezahlen muss, während er in einem Berliner Taxi den Fahrpreis frei aushandeln muss – falls der Fahrer überhaupt Lust hat, dorthin zu fahren, denn verpflichtet ist er dazu nicht.
LDS-Taxis, die in Berlin laden dürfen, müssen die Berliner Tarifstufe 2 (Normaltarif) in ihrem Taxameter als Tarifstufe 4 einprogrammiert haben. Eine Tarifpflicht ergibt allerdings nur im Zusammenhang mit einem festgelegten Pflichtfahrgebiet Sinn, in dem der Tarif verbindlich gilt. Da für LDS-Taxis kein Extra-Pflichtfahrgebiet für Fahrten definiert worden ist, die in Berlin beginnen, greift die Tarifpflicht für die betroffenen Taxis somit nur für Fahrten mit Fahrziel im LDS. Unter dem Strich bedeutet dies: Steigt ein Fahrgast in Berlin in ein LDS-Taxi, so muss der Fahrer zwar theoretisch den Berliner Tarif drücken können, ist dazu jedoch nicht verpflichtet, so lange das Fahrziel innerhalb Berlins liegt – und somit außerhalb des LDS-Pflichtfahrgebietes. Tritt dagegen der unwahrscheinliche Fall ein, dass das Fahrziel im LDS liegt, so muss der Fahrer die Fahrt zum Berliner Tarif durchführen. Das war sicherlich kaum so gewollt.
Wie viele Parameter einen Einfluss auf die Fahrpreise haben und wie uneinheitlich diese somit noch immer sind, zeigt der folgende Vergleich der Fahrpreise für 46-Kilometer-Fahrten vom und zum Flughafen BER in Taxis aus Berlin und aus dem LDS. Die Länge von exakt 46 Kilometern wurde ausgewählt, um möglichst viele Referenzpunkte zu erhalten, die in unterschiedlichen Schnittmengen von Pflichtfahrgebieten liegen.
Ein weiterer Mangel sowohl in der Berliner als auch in der LDS-Tarifordnung ist die fehlende Abgrenzung des Flughafengeländes, also jenes Gebietes, in dem am Anfang der Fahrt die neue Flughafentarifstufe im Taxameter gedrückt werden muss. Aus der Formulierung „bei Abfahrt am Flughafen“ geht nicht hervor, ob dazu auch die Parkplätze und Hotels in unmittelbarer Flughafen-Nachbarschaft oder etwa die Tankstelle und die Fastfood-Filiale zählen, die anderthalb Kilometer vom Terminal-Eingang entfernt liegen.
Unter dem Strich bleiben viele Dinge unklar und unübersichtlich. Die Wunschvorstellung, dass jeder Fahrgast in jedem Taxi zu jeder Zeit den gleichen Fahrpreis vom Flughafen zum Ort X und zurück bezahlt, wird sich allerdings auch schon deshalb niemals erfüllen, weil Hin- und Rückfahrt aufgrund der baulichen Ausprägung der Autobahn-Anschlussstelle und der anderen Zufahrtswege immer unterschiedlich lang sind. Vom Flughafen zum U-Bahnhof Rudow sind es 9,3 Kilometer, zurück nur 8,9, weil die ausgedehnte Zufahrtsschleife auf die A 133 entfällt. ar
Eine Grafik mit den Pflichtfahrgebieten zum Ausdrucken können Sie hier herunterladen.
Beitragsfoto: Axel Rühle