Obwohl Leszek Nadolski auf der Jahreshauptversammlung viel zu berichten hatte von der Arbeit seines Verbandes, ist dieser von Mitgliederschwund geplagt. Dennoch wurde konstruktiv und zuversichtlich nach vorne geblickt.
Wie so mancher Taxiverband büßt die „Innung“ des Berliner Taxigewerbes e. V. Mitglieder ein, was sich auch auf die Finanzen des Verbandes auswirkt, der als einer von fünf Berliner Landesverbänden die Interessen des Taxigewerbes vertritt. Bei der turnusgemäßen Jahreshauptversammlung am 1. Dezember beklagte der 1. Vorsitzende Leszek Nadolski die Situation des Gewerbes. 5.573 Taxis waren Anfang Oktober offiziell in Berlin konzessioniert, doch Nadolski schätzt, dass nur rund 5.000 noch auf den Straßen unterwegs sind.
In der „Innung“ hofft man auf die baldige Einführung von Mindestentgelten für Mietwagenfahrten, um das Dumping durch Uber & Co. endlich zu unterbinden. Zunächst rechnet man aber zum zweiten Quartal 2024 mit der Einführung eines Tarifkorridors, den man bereits beantragt hat. Bei den nach Münchner Vorbild zu erhebenden Festpreisen für bestellte Fahrten soll bis zu 20 Prozent nach oben und bis zu zehn Prozent nach unten vom Taxameterpreis abgewichen werden können. Die seit April amtierende Verkehrssenatorin Dr. Manja Schreiner (CDU) habe Unterstützung signalisiert. Nadolski berichtete, die „Innung“ habe durch zähes „Klinkenputzen“ erreicht, dass das Taxi an so vielen Stellen des aktuellen Koalitionsvertrages der schwarz-roten Landesregierung vorkommt und die Verbände von der Senatorin zum Gespräch eingeladen wurden.
Die Krankenfahrten nannte Nadolski eine wirtschaftliche Säule des Taxigewerbes. Sie seien „ein voller Erfolg der Berliner Taxiinnung“. Die Vorstandsmitglieder hätten in monatelangen, intensiven Verhandlungen den jetzigen Vertrag erarbeitet. Darüber hinaus habe der Verband sich sich dafür eingesetzt, dass der Vertrag mit den gesetzlichen Krankenkassen allgemeinverbindlich wird, sodass alle Taxis von den Vorteilen dieses Vertrages profitieren können. Die „Innung“ kämpft erfolgreich: Die Plattform Bolt habe bereits einmal kurz vor einem Vertrag mit der AOK gestanden, doch habe man die Fahrten für das Taxigewerbe retten können. Dennoch habe die „Innung“ dieses Jahr ein Minus erwirtschaftet, doch sei dies zu handhaben und die Finanzen inzwischen wieder stabil.
Beim Gespräch mit der Geschäftsführerin der Berliner Filmfestspiele, Mariëtte Rissenbeek, über die Berlinale 2024 habe man Ende November gegen die erneute Sponsoren-Partnerschaft mit dem US-Fahrdienstanbieter Uber protestiert (Taxi Times berichtete). Lediglich die Option, an den Spielstätten Sonderhalteplätze einrichten zu lassen, wurde der Innung zugestanden. Das Ziel ist es laut Nadolski, nach der Berlinale 2024 rasch in Verhandlungen einzutreten, damit das Taxigewerbe den Shuttleservice für die Berlinale 2025 organisieren kann.
Auch die Spendenaktion anlässlich des Mordes am Taxifahrer Mustafa A. wurde noch einmal in Erinnerung gerufen. Hier hatte die „Innung“ gemeinsam mit der TAXIstiftung Deutschland und dem Gustav-Hartmann-Unterstützungsverein eine hohe Summe als Hilfszahlung für die Hinterbliebenen eingesammelt. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der beiden letztgenannten Vereine, Hermann Waldner, berichtete Nadolski vom Ablauf der Spendenaktion und der Überweisung an die Familie.
Nadolski hatte den Zentralenchef auch aus einem zweiten Grund eingeladen: um Gelegenheit zu haben, über die aufsehenerregende Entscheidung zu sprechen, künftig auch Funkaufträge an LDS-Taxis zu vermitteln, die in Berlin bereithaltungsberechtigt sind. Waldner erläuterte die Unfreiwilligkeit der Maßnahme und konnte für Beruhigung sorgen (Taxi Times berichte).
Die Buslinien, die die „Innung“ im Auftrag der BVG mit ihren Fahrzeugen betreibt, die größer als Großraumtaxis aber kleiner als Linienbusse sind, seien das finanzielle Rückgrat der „Innung“. Er hoffe, Aufträge für noch weitere Buslinien zu bekommen.
Um das weitere Standbein, die Krankenfahrten, auszubauen, hat die „Innung“ einen wasserstoffgetriebenen Mietwagen angeschafft, mit dem man derzeit einen Probebetrieb durchführe. Das Auto ist mit einem fiskalen Wegstreckenzähler ausgestattet und verfügt über eine programmierte Pauschalpreisfunktion, damit bereits jetzt Erfahrungen über Festpreise gesammelt werden können. Unerfreulicherweise bestehen für Wasserstoff Lieferschwierigkeiten, weshalb das Fahrzeug sich zum Zeitpunkt der Versammlung in einer mehrtägigen Zwangspause befand. Zum Jahreswechsel wird es mit einem Insika-fähigen Wegstreckenzähler ausgestattet.
Eine Einschätzung der aktuellen Berliner Verkehrspolitik gab Ehrengast Tino Schopf, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, der Verständnis für die Politikverdrossenheit im Taxigewerbe äußerte und ein sehr negatives Bild über die Zeit mit den Koalitionen mit Grünen und Linke malte (Taxi Times berichtete).
Nadolski zog ein enttäuschendes Zwischenfazit zu den beiden E-Ladesäulen an den Taxihalteplätzen Augustenburger Platz und Scholzplatz: Diese würden von den E-Taxis bisher kaum genutzt. Der Grund sei ihm ein Rätsel. Er forderte die Unternehmer auf, die beiden Säulen, die exklusiv für das Taxigewerbe aufgestellt worden sind, vermehrt zu nutzen, um das Projekt voranzubringen.
Über die aktuellen Entwicklungen betreffs der Halteplätze berichtete das zuständige Vorstandsmitglied Danielo Baltrusch. Er beklagte eine mangelnde Kooperation durch die Bezirksämter. Häufig könne die „Innung“ keine befriedigenden Lösungen durchsetzen, schon weil die Behörden sich des Öfteren nicht an Absprachen hielten bzw. sich nicht an eigene Zusagen erinnern wollten, etwa bei der Konzeption der Halteplätze rund um den Hackeschen Markt.
Hier wurde der bisherige, relativ günstig gelegene Halteplatz in die Dircksenstraße verlegt, während man auf die Einrichtung eines neuen Halteplatzes in der Rosenthaler Straße in Fahrtrichtung des Platzes noch warte.
Auch die katastrophale Situation am Europaplatz, wo der Berliner Hauptbahnhof einen seiner beiden Halteplätze eingebüßt hat, beschrieb Baltrusch ausführlich. Er berichtete, wie „Innungs“-Mitglied Sonja von Rein die „AG Hauptbahnhof“ ins Leben gerufen und gemeinsam mit Michael Klewer und dem Berliner „Taxisoziallotsen“ Klaus Meier die Protestaktion am 7. November auf die Beine gestellt hatte.
Nadolski und Baltrusch würdigten von Rein, Klewer und Meier, die sich in kurzen Ansprachen bedankten. Klewer und von Rein berichteten von weiteren Aktivitäten wie Besuchen von politischen Gremien und riefen zur Fortsetzung des Kampfes für die Wiedereinrichtung des Halteplatzes auf.
Dem pflichtete Richard Leipold, der Vorsitzende der Berliner Taxivereinigung, bei. Leipold war bei der Versammlung zu Gast und gab den „Innungs“-Mitgliedern im Laufe des Abends durch mehrere Wortmeldungen Informationen und Denkanstöße. Meier kam noch einmal auf die Internationalen Filmfestspiele zurück, die auch 2024 wieder eine große Werbeplattform für Uber werden, und kündigte erneute Protestaktionen an, darunter ein in der Planung befindliches Taxi-Filmfestival, für dessen Unterstützung er warb.
Der Tagesordnungspunkt des Berichts der Revisoren für das zurückliegende Geschäftsjahr wurde vom Ehrenvorsitzenden Lothar Kubig verlesen.
Schließlich kam man zum Abstimmungsteil der Versammlung. Es gab keine Vorstandswahl, sondern es wurden neue Beisitzer gewählt. Hier erhielten Güven Aktaş und Stefan Ciszewski jeweils ohne Gegenkandidat das Votum.
Zum abschließenden großen Thema gab es eine Diskussion und eine Abstimmung, die für die Zukunft des Verbandes große Bedeutung haben dürfte: Die Mitglieder hatten mehrheitlich entschieden, die Mitgliedschaft im Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM) fristgerecht zum Jahresende zu kündigen. Nun wurde final darüber abgestimmt, ob die Entscheidung im letzten Moment widerrufen werden sollte. Außerdem wurde ein Beitritt zum TMV diskutiert, dessen Bundesgeschäftsführer als Gast anwesend war und in einer Ansprache für die Mitgliedschaft werben durfte (Taxi Times berichtete).
Mehr als vier Stunden nach dem offiziellen Veranstaltungsbeginn verabschiedete man sich. ar
Fotos: Axel Rühle