Obwohl Schwarzarbeit, Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umgehung von Arbeitgeberpflichten durch Uber & Co. in der Schweiz ebenso bekannt sind wie in Deutschland, scheint das Problembewusstsein bei den Parteien dort ungleich geringer.
Das Ringen um den Umgang mit Plattform-Fahrdiensten wie Uber geht im Schweizer Kanton Bern in eine neue Runde. Mit einer Mehrheit aus konservativen und Mitte-Parteien hat der Große Rat, das Kantonsparlament, gegen linke Stimmen einen Gesetzesentwurf, der Uber & Co. an die kurze Leine nehmen sollte, am 27.11.2025 zurück in die vorberatende Kommission verwiesen.
Die Mehrheit der Berner Parlamentarier möchte, dass Fahrdienste wie Uber weniger hohe Bewilligungshürden erhalten als Taxis. Einzelheiten müssen nun neu ausgehandelt werden. Sozialdemokraten, Grüne und Gewerkschaften befürchten, Taxis könnten vom Markt verdrängt werden. Sie warnen vor ausbeuterischen Arbeitsbedingungen durch zu liberale Regelungen.
Im Entwurf für das neue Taxigesetz des Kantons geht es um die Unterscheidung von Taxis und plattformbasierten Fahrdiensten wie etwa Uber, in Deutschland als Mietwagen bekannt. Beide Verkehrsarten sollen bewilligungspflichtig sein. Im Gegenzug für weniger hohe Hürden bei der Zulassung von Mietwagen sollen Taxis bestimmte Privilegien behalten, etwa die Nutzung der Standplätze von Gemeinden und das Befahren der Busspur.
Für eine Rückweisung stimmten folgende Parteien:
SVP (Schweizerische Volkspartei, national-konservativ, wirtschaftsliberal, stärkste Partei in der Bundesversammlung, dem Schweizer Parlament),
FDP.Die Liberalen (vergleichbar mit der deutschen FDP, aber wesentlich stärker und an der Regierung beteiligt),
GLP (Grünliberale Partei, auf Deutschland übertragen in etwa zwischen den grünen Realos und dem liberalen Kern der FDP anzusiedeln),
Die Mitte (mit der deutschen CDU/CSU vergleichbar),
EVP (Evangelische Volkspartei, nicht mit der Europäischen Volkspartei in Brüssel zu verwechseln, auf Deutschland übertragen in etwa zwischen CDU und SPD anzusiedeln),
EDU (Eidgenössisch-Demokratische Union, in etwa mit einer stärker christlich orientierten CSU vergleichbar).
Gegen die Rückweisung oder mit Enthaltung stimmten demnach SP (Sozialdemokraten), Die Grünen, PSA (Autonome Sozialistische Partei des Südjura) und AL (Alternative Linke).
Uber ist im Kanton Bern, dem zentralen und großflächigen Hauptstadtkanton, im Februar 2020 eingefallen – aufgrund der damaligen strengen Gesetzeslage zunächst als reiner Taxivermittler, aber ohne Tarifpflicht und damit als Preisdumping-Konkurrent (Taxi Times berichtete). Dort erzählte Uber wie überall seine Märchen von neuen Möglichkeiten und höherer Auslastung.
Bis das neue Gesetz vom Großen Rat angestoßen wurde, dauerte es drei Jahre. Wie die große Schweizer Tageszeitung Der Bund meldet, überwies das Parlament im März 2023 eine Motion (Antrag eines Parlamentariers auf eine Maßnahme wie z. B. einen Gesetzesentwurf der Regierung) für ein liberaleres Taxiwesen von Patrick Freudiger (SVP). Der daraufhin vom Regierungsrat (der Kantonsregierung) vorgelegte Entwurf stieß in der Vernehmlassung (Konsultation, eine Phase der schweizerischen Gesetzgebung) auf Kritik. „Manche Parteien, Gewerkschaftskreise und eine Mehrheit der Gemeinden äußerten die Befürchtung, Taxifahrende könnten in unsichere Arbeitsverhältnisse geraten und Taxis vom Markt verdrängt werden“, so Der Bund.
Diesen Bedenken habe der am Donnerstag von Freudiger präsentierte Rückweisungsantrag Rechnung tragen sollen. Gefragt sei nun zwar doch eine Bewilligungspflicht für alle, jedoch weniger hohe Hürden für Mietwagen. Deren Fahrer sollten nur „gewisse Grundanforderungen“ erfüllen müssen, etwa einen einwandfreien strafrechtlichen Leumund.
In der Diskussion um den Zurückweisungsantrag wurden bekannte Positionen wiederholt. Regierungsrat (Mitglied der Kantonsregierung) Philippe Müller (FDP) begrüßte die Stoßrichtung des Antrags, während die Ratslinke vor einer Regelung warnte, die bei Fahrdiensten ausbeuterische Arbeitsverhältnisse und Schwarzarbeit ermöglichten. Das klassische Taxigewerbe laufe Gefahr, durch unfaire Regelungen beeinträchtigt und letztlich zerstört zu werden.
Der Bund weiter: „Der Parlamentsmehrheit schwebt eine ‚Regulierung mit Vernunft’ vor, wie es Francesco Rappa (Mitte) ausdrückte. In der Tat brauche es Spielregeln, sagte etwa Marianne Schild (GLP) – aber man müsse genau schauen, was wirklich nötig sei, um die Sicherheit der Fahrgäste, den Arbeitnehmerschutz und gewisse öffentliche Interessen zu gewährleisten.“
Nicht nur ein Teil der politischen Parteien, auch der Gewerkschaftsbund des Kantons Bern kritisiert die Rückweisung des Taxigesetzes durch den Großen Rat. Der Entscheid lasse sozial- und arbeitsrechtliche Standards außer Acht. Verlierer seien die Arbeitnehmer, denn auf eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung solle nach Wunsch der Mehrheit bewusst verzichtet. Das könne man nicht nachvollziehen, da Anbieter wie Uber und Bolt für die Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen und die Umgehung von Arbeitgeberpflichten gerichtlich bekannt und verurteilt seien. Dennoch im maßgeblichen Gesetz bewusst auf Instrumente zur Regulierung dieser Geschäftspraktiken zu verzichten, sei paradox. Die angestrebte Minder-Anforderung an Mietwagenfahrer sei eine „Bewilligung light“.
Der Antrag, den Gesetzesentwurf zurück an vorberatende Kommission zu verweisen, wurde schließlich mit 102 zu 49 Stimmen angenommen. Definitiv geklärt werden die Fragen in der zweiten Lesung, die nun von der Kommission vorbereitet wird. ar
Beitragsbild: Rathaus der Stadt Bern, Sitz des Grossen Rates des Kantons Bern (Foto: Conceptuel /Wikipedia) mit hineinmontierten Fahrzeugen (Fotos: Axel Rühle)









Wie bei uns in Deutschland offenbaren ein Teil der Politiker auch in der Schweiz große Naivität über die tatsächlichen Absichten und Strategien der global aufgestellten Plattformen.
Vordergründig verbinden sich die Begriffe liberal und effektiv im Sinne z.B. von Entbürokratisierung und Arbeitsvereinfachung. Dabei ist die Motivation dieser Firmen eine regelungsfreie ungebremste radikale Marktwirtschaft mit dem Anspruch, mit Technologie alle Probleme zu lösen.
Derzeit dominieren die Tech-Firmen aus dem Siliconvalley mit ihrer Idelogie dieses Tech-Bro-Topia mit ihren führenden Köpfen die amerikanische Politik bis ins Weiße Haus. Dort wurde der gefährliche Weg in die Autokratie beschritten mit genau diesen Personen im Hintergrund.
Auch hier in Europa sind sie wie weltweit mit massivem Personal- und Finanzeinsatz dabei, die demokratisch beschlossenen Rechte der Bürger zu unterlaufen, vorsätzlich zu missachten und ihre Position völlig rücksichtslos auszubauen.
Das nenne ich mafiösen Machtmissbrauch ihrer finanziellen Mittel. Und Anwälte wie Politiker machen sich mit ihrer naiven Haltung von „wird doch alles viel besser so“ oder „ist doch gar nicht so schlimm“ zu Mittätern bei der Zerstörung unserer demokratischen Grundlagen.
Nichts ist derzeit nötiger als faktenbasierte zuverlässige Information und offene Debatte ohne Scheuklappen, mit klarer Ausrichtung auf Rechtsstaatlichkeit, Lobbykontrolle, Gewaltenteilung und auf die Interessen der Allgemeinheit.