Wenn der Taxipreis erhöht wird, sorgt das selten für positive Schlagzeilen. Die „Bayerische Staatszeitung“ sieht in manchen Preisanpassungen gar eine „soziale Sprengkraft“. Leider lässt der Autor die Konsequenzen seiner These offen. Dabei müsste man sie gerade den Lesern jener Zeitung bewusst machen.
Vergangenen Sonntag veröffentlichte die „Bayerische Staatszeitung“ (BSZ) einen Beitrag mit der Überschrift „Teurer, teurer, Taxifahren“. Der Autor pickt darin einige bayerische Städte und Landkreise heraus, in denen die Erhöhung des Taxitarifs besonders drastisch ausfällt. So sei der Preis in Rosenheim um „gut ein Drittel“ gestiegen und in Altötting um rund 28 Prozent, während München noch moderat weggekommen sei. Zitiert wird dabei Thomas Kroker vom Landesverband Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmer, der darauf hinweist, dass in vielen Gebieten die Preise seit Jahren nicht mehr angepasst worden waren.
„Ursachen dafür, dass die Behörden den teils kräftigen Preisschüben zustimmten, sind laut Kroker die Erhöhung des Mindestlohns im Juli und Oktober sowie die gestiegenen Spritpreise“, schreibt die BSZ. Und weil trotz gestiegener Taxitarife das Niveau der Spritpreise laut Bundesverband Taxi- und Mietwagen nicht „konsequent berücksichtigt“ worden sei, sei mit weiteren Erhöhungen zu rechnen (Taxi Times hat hier einen Überblick über die Tarifentwicklungen im Jahr 2022 veröffentlicht).
Dessen Folgen und Auswirkungen skizziert die BSZ dann mit interessanten Thesen: Zum einen könnte ein zu teures Taxi einer bereits eingeläuteten Verkehrswende im Weg stehen: „Die Zahl der Menschen, die auf ein eigenes Auto verzichten, wächst in Bayerns Städten seit Jahren. Für Strecken mit schlechter ÖPNV-Verbindung nutzen diese oft ein Taxi“, schreibt Autor Tobias Lill und malt daran anschließend ein Schreckensszenario an die Wand, indem er von einer „enormen sozialen Sprengkraft“ spricht. „Viele alte Leute sind, um überhaupt aus dem Haus zu kommen, auf Taxis angewiesen – nicht nur für Krankenfahrten. Wenn letztere teurer werden, steigen auch die Mehrausgaben für die Krankenkassen – als Folge könnten die Krankenkassenbeiträge noch weiter in die Höhe schnellen“, begründet Lill seine These. Danach ist der Beitrag zuende.
Lösungen für die in den Raum gestellten Thesen werden in der „Bayerischen Staatszeitung“ nicht vorgeschlagen. Taxi ist ein Teil des ÖPNV und somit auch ein Teil der mobilen Daseinsvorsorge. Insofern sind zu hohe Tarife in der Tat nicht gesellschaftsfähig, wenn sie die Taxinutzung für bestimmte Zielgruppen unerschwinglich macht.
Wenn allerdings die durch Kriege, Pandemie und politische Entscheidungen verursachte Kostenexplosion keine wirtschaftliche Alternative als drastische Preiserhöhungen zulässt, liegt es in der Verantwortung der Politik, die Taxibranche finanziell zu unterstützen. Zur Erinnerung: Während die kommunalen Verkehrsbetriebe großzügig subventioniert werden (und diese dann von den öffentlichen Geldern teure On-demand-Shuttles mit zusätzlichen Fahrzeugen auf die Straße schicken), trägt sich jeder Taxibetrieb selbst.
Dabei muss es nicht zwingend eine großzügige finanzielle Subvention sein. Gerade im städtischen Bereich wäre der Branche schon sehr geholfen, wenn die verantwortlichen Behörden den Rechtsrahmen des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) konsequent nutzen würden. Die wildwuchs- und wildwestmäßige Ausbreitung des taxiähnlichen Mietwagenverkehrs könnte durch konsequente Kontrollen und Ahndung der Rechtsverstöße eingedämmt werden – erst recht seit der Novelle des PBefG, die dafür zahlreiche Instrumentarien geschaffen hat. Als Beispiele sind hier die Festsetzung von Mindestpreisen für Mietwagen zu nennen oder auch die neu geschaffene Möglichkeit, dem Taxigewerbe ebenfalls Zugang zu den Regionalisierungsmitteln zu geben.
Auch im ländlichen Bereich könnten die Behörden für finanzielle Entlastung der Taxibetriebe sorgen. Beispielsweise, indem sie Dumpingverträge nicht genehmigen, zu denen Taxibetriebe von Krankenkassen gezwungen werden. Oder indem sie bei Mietwagenbetrieben, die für Tarife weit unterhalb der Wirtschaftlichkeit fahren, eine einfache betriebswirtschaftliche Plausibilitätsüberprüfung durchführen. Ohne solche behördlichen Missstände könnten Taxibetriebe auch bei kundenfreundlicheren Taxitarifen rentabel agieren.
Es ist fast schon Ironie, dass ausgerechnet in der bayerischen Staatszeitung der soziale Sprengstoff (nicht ganz zu Unrecht) beim Namen genannt wird, die daraus nötigen Konsequenzen dann aber nicht zur Sprache kommen. Schließlich sind gerade die Leser dieser Zeitung diejenigen, die solche Lösungen sogar kraft ihrer Tätigkeit umsetzen könnten.
Dazu muss man wissen: Die „Bayerische Staatszeitung“ bezeichnet sich als „unabhängige Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft, Kommunales und Kultur“. Die Begriffe „Staatszeitung“ und „unabhängig“ sind eigentlich Gegensätze, und der tatsächliche Charakter liegt offenbar dazwischen. Laut „Wikipedia“ hat das einmal wöchentlich erscheinende Blatt „Entscheidungsträger auf allen Ebenen der Politik, der öffentlichen Verwaltung, der Bildungsträger sowie der Wirtschaft“ als Zielgruppe. „Die Beilage Bayerischer Staatsanzeiger dient als Amtsblatt der öffentlichen Verwaltung aller Ebenen (amtliche Verlautbarungen, Bauausschreibungen etc.).“ Beides zusammen erscheine „auf Grundlage eines Vertrages zwischen dem Freistaat Bayern und den Verlagen Süddeutscher Verlag und Münchner Zeitungsverlag aus dem Jahr 1955.“
Da wird also in einer Zeitung für die behördlich und administrativ Verantwortlichen das Thema Taxipreise angesprochen und deren sozialgesellschaftliche Relevanz herausgearbeitet – und dann verzichtet man darauf, die Lösungen zu skizzieren. Schade um diese verpasste Chance. jh
Beitragsfoto: Axel Rühle, Pexels; Collage: Axel Rühle
Es ist wohl davon auszugehen, dass der nicht gerade objektive Artikel der „BSZ“ unter Mithilfe der Vertreter der Mietwagen-Lobby verfasst worden ist. Das wäre – siehe „Uber Files“ – nicht das erste Mal…