Der Widerstand des Taxigewerbes in der nordbelgischen Region Flandern gegen neue gesetzliche Regelungen hat zu einem rechtlichen Vakuum geführt: Vorerst können keine Taxi-Genehmigungen und Fahrerausweise ausgestellt werden.
Der Ausführungserlass des flämischen Taxidekrets wurde am 30. März vom Belgischen Staatsrat aufgehoben. Das hat zur Folge, dass keine neuen Genehmigungen und Fahrerausweise mehr ausgestellt werden können. Auch können Taxis derzeit nicht neu angemeldet werden. Wer bereits Genehmigungen und einen Fahrerausweis hat, kann weiterhin arbeiten. In einem Gewerbe, in dem ohnehin seit Längerem Personalmangel herrscht, bedeutet dies ein erhebliches Desaster – das sich das Taxigewerbe zusammen mit den Gewerkschaften selbst eingebrockt hat.
Für die Taxiregulierung sind in Belgien die drei Regionen zuständig – auf Deutschland übertragen: Ländersache. Belgien hat drei Regionen: Flandern (etwas 5.500 Taxis in Städten wie Antwerpen, Gent, Brügge und Mechelen), Brüssel-Hauptstadtregion und Wallonien. Das flämische Taxidekret wurde im Frühjahr 2019 vom Landesparlament verabschiedet. Die bisherigen festen Tarife wurden abgeschafft. Die Unternehmer können nun ihren eigenen Preis bestimmen. Auch die Festlegung von einem Taxi pro 1.000 Einwohner verschwand, ebenso die Begrenzung des Betriebsgebietes auf das Gebiet einer Gemeinde. Die flämische Regierung hoffte, das Taxi dadurch billiger zu machen – ein Wunschtraum. Darüber hinaus musste das neue Dekret die Realisierung neuer Konzepte (im ÖPNV) und Sharing-Plattformen wie Uber regulieren. Es gab plötzlich zwei Kategorien von Taxis: „Taxistandtaxis“ (die klassischen Taxis) und „Straßentaxis“, die frei herumfahren und bestellt werden können (wie Uber).
Der Durchführungserlass sei „aus rein prozessualen Gründen“ aufgehoben worden, teilte das Kabinett mit. Die Ursache liegt in einem Anfechtungsantrag des Taxigewerbes selbst, so das Kabinett. „Die flämische Regierung unternimmt alle Anstrengungen, um sicherzustellen, dass eine geänderte Entscheidung im Interesse des Gewerbes so schnell wie möglich in Kraft tritt.“
„Es stimmt, dass GTL und die Gewerkschaften 2019 wegen einer Reihe zu strenger Verpflichtungen, die durch die neuen Vorschriften auferlegt wurden, vor den Staatsrat gegangen sind,” kommentiert die Gewerbevertretung Nationale Groepering van Ondernemingen met Taxi- en Locatievoertuigen met chauffeur (GTL). Der Verband und die Gewerkschaften sahen einen Anfechtungsantrag als letztes Druckmittel gegen die flämische Regionalregierung. Das Taxigewerbe kritisierte die neuen, zu strengen Sprachanforderungen (Niederländisch für Fahrer), die neuen strengen und komplizierten Umweltstandards für Taxis und die Tatsache, dass der Erlass eine unterschiedliche Behandlung von Straßentaxis und Taxistandtaxis schuf. „Aber der Staatsrat folgte dem Gewerbe nicht und hob die Entscheidung aus diesen Gründen nicht auf; wegen Nichteinhaltung einer Reihe formeller Anforderungen durch den Gesetzgeber, die Flämische Regierung.“ Einige im belgischen Taxigewerbe kritisierten schon damals den juristischen Schritt, wurden jedoch nicht gehört. In den letzten Jahren versuchte das flämische Taxigewerbe vergeblich, über diese Themen zu verhandeln. Man wurde ignoriert.
Letzten Mittwoch hat die flämische Regierung laut Kabinett „den ersten Schritt mit der grundsätzlichen Zustimmung zu einem geänderten Dekret getan und wird sich bei den nächsten Schritten auf die Dringlichkeit berufen“. Es ist noch nicht klar, wann dieser geänderte Erlass der flämischen Regierung in Kraft treten wird. Das Kabinett räumt (informell) ein, dass es wohl drei Monate dauern könnte, bevor die neuen Erlasse tatsächlich fertig sind und die politischen Prozesse durchlaufen haben.
Was bedeutet die konkrete Aufhebung des Durchführungserlasses des flämischen Taxidekrets? Die Betriebsbedingungen des Erlasses sowie die Verfahren zur Erlangung von Genehmigungen und Fahrerausweisen sind nicht mehr in Kraft. Aus diesem Grund hat die flämische Regierung die lokalen Behörden aufgefordert, keine neuen Genehmigungen und Fahrerausweise auszustellen, da derzeit rechtliche Risiken bestehen. Diejenigen, die bereits Genehmigungen und Fahrerausweise haben, können weiterhin arbeiten.
„Im Moment können wir nicht abschätzen, wie lange die Kommunen keine Erlaubnisse und Fahrerausweise ausstellen dürfen und was der nächste Schritt sein wird,” reagierte die GTL auf die Entscheidung des Staatsrates. „Die aktuellen Genehmigungen und Fahrerausweise bleiben in Kraft.“
Die GTL weist darauf hin, „dass der Erlass vom 29.03.2019 nicht aufgehoben wurde; dies betrifft nur die Aufhebung des Durchführungserlasses zu diesem Taxidekret. Dies ist daher keine Rückkehr zu den alten Vorschriften.” Mit anderen Worten: Der Erlass von 2019 gilt weiterhin, einschließlich der gemäß diesem Erlass ausgestellten Genehmigungen und Fahrerausweise. Die GTL weist auch darauf hin, dass die Entscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben wurde. „Es gibt also keine materiellen Gründe dafür.“
Welche Auswirkungen hat die Entscheidung des Staatsrates laut GTL? Anforderungen an das Fahrzeug (Umwelt, Ausstattung, Taxameter) und an den Service (Sprachanforderungen, Ticketausstellung) bestehen derzeit nicht mehr.
Die Bedienungsumkreise um die Taxistände (tabu für „Straßentaxis”) und um den Brüsseler Flughafen herum gelten ebenfalls nicht mehr. „Straßentaxis” (Uber & Co.) können nun vorübergehend an und um diese Orte herum stationieren, jedoch nicht an den Taxiständen. wf
Beitragsfoto: Wim Faber