Die Landesregierung der belgischen Region Brüssel-Hauptstadt hat Ende letzter Woche den Verordnungsentwurf über Taxidienste gebilligt, der den Wildwuchs auf dem Markt in den Griff bekommen soll.
Nun geht der Text ins Brüsseler Landesparlament, das den Entwurf noch vor der Sommerpause absegnen wird – hofft zumindest die Landesregierung. Der Verordnungsentwurf wurde auch allen Akteuren des Sektors vorgelegt und darüber hinaus dem Staatsrat, der Datenschutzbehörde und der regionalen Mobilitätskommission zur Stellungnahme übermittelt. Auffällig ist nur, dass der Text nicht – wie eigentlich versprochen – vorab an die belgische Gewerbevertretung GTL geschickt wurde.
Die Reform soll auf die aktuellen Herausforderungen für die Taxibranche der Region reagieren, die durch den Eintritt neuer Akteure wie Reservierungsplattformen gestört wird, und soll laut Ministerpräsident Rudi Vervoort „einen rechtssicheren Rahmen für die gesamte Berufsbranche schaffen (Taxiunternehmen, Taxizentralen, Verbände und Plattformen) und gleichzeitig einen qualitativ hochwertigen Service für die Nutzer gewährleisten“.
Der Verordnungsentwurf soll ein gemeinsames Statut – ein „Level playing field” – schaffen für den entgeltpflichtigen Personenverkehr mit gleichen Betriebsbedingungen für Unternehmer und Fahrer. Um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden, sieht diese gemeinsame Satzung einen angepassten Service durch „Taxistand-Taxis” (die klassischen Taxis) und „Straßentaxis”, die im Voraus gebucht werden müssen, vor. Außerdem wurde eine eigene „limousinenartige” Kategorie eingeführt, nämlich der „zeremonielle Taxidienst”. Für jeden Service gilt eine spezifische Preisgestaltung, die ihn so attraktiv wie möglich machen soll. Die regionalen Vorschriften enthalten auch Bestimmungen zu Reservierungsplattformen wie z. B. ein Anerkennungssystem, durch das sie autorisiert werden können, ihre Dienstleistungen auf dem Gebiet von Brüssel anzubieten.
Ministerpräsident Vervoort (Taxis sind in Brüssel „Chefsache”) hält „diese Reform für unerlässlich. Es ist notwendig, die Plattformökonomie – auch Uberisierung genannt – mit neuen Regeln zu gestalten, wobei der Fokus auf dem Schutz von Arbeitnehmern und sozialen Rechten sowie der Innovation von Dienstleistungen liegt. Solange sich diese neuen Spieler an die Regeln halten, sind sie in Brüssel willkommen.“
Die Belgische Taxiorganisation GTL (Nationale Groepering van Ondernemingen met Taxi- en Locatievoertuigen met chauffeur), die in allen drei Regionen Belgiens aktiv ist, fordert für die Hauptstadt-Region eine rasche Anpassung der Regeln. Derzeit fahren die Fahrzeuge von Uber gemäß einer Notstandsverordnung von Anfang 2021 ohne jegliche Kontrolle der Betriebe (keine Verträge, keine Taxameter). Die GTL beklagt, dass sie die Texte noch nicht einsehen konnte. „Und das beunruhigt uns, denn nach einem Treffen mit dem Büro des Premierministers wurde uns gesagt, dass die Vertreter des Taxisektors auf dem Laufenden gehalten werden.“
Für die Organisation stellt sich die Frage, ob es eine Begrenzung der Fahrzeuganzahl geben wird. „Oder wird die Schleuse komplett geöffnet, mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt – wie die unübersichtliche Situation in Amsterdam deutlich zeigt. Wie werden die Tarife ermittelt? Werden die Konzessionen nur noch an natürliche Personen (Selbständige) und nicht mehr an Unternehmen für deren Fahrzeuge erteilt, die dann von Fahrern in einer unselbständigen Erwerbstätigkeit geführt werden?“
Die beschriebene Debatte betrifft aktuell nur die Région de Bruxelles-Capitale (Region Brüssel-Hauptstadt). Eine bundesweite Taxi-Politik gibt es in Belgien nicht. Belgien ist ähnlich föderalistisch wie Deutschland oder Österreich gegliedert, hat aber nur drei „Bundesländer”, genannt Regionen, wobei die kleinste Region Brüssel-Hauptstadt mit nur 19 Gemeinden ist (Ministerpräsident: Rudi Vervoort). Zudem leben in den beiden großen Regionen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit verschiedenen Sprachen: im flämischen Norden (Flandern mit den Großstädten Antwerpen, Gent, Brügge und Löwen) die Flamen, die niederländisch sprechen, und im wallonischen Süden (Wallonien oder die Wallonie mit den Großstädten Charleroi, Lüttich und Namur) die Wallonen, die französisch sprechen, sowie eine deutschsprachige Gruppe. Die Region Brüssel-Hauptstadt (mit Brüssel, Schaarbeek und Anderlecht) liegt im Süden Flanderns, also nahe dem Zentrum des Staatsgebietes, ist aber mehrheitlich französischsprachig. Die Verwaltungsebene unterhalb der Regionen, die in Deutschland Landkreise bzw. Kreise heißen und in Österreich Bezirke, heißen in Belgien Provinzen. wf
Beitragsfoto: Wim Faber