Nach zwei Jahren Dieselskandal hat sich so gut wie nichts getan. Dieses Resümee zieht die Deutsche Umwelt-Hilfe (DUH) bei einer Pressekonferenz diese Woche.
Anlässlich des Jahrestages und wohl auch der nahenden Bundestagswahl lud die DUH zur Pressekonferenz für ihr Resümee der vergangenen Jahre. Zur Erinnerung, DUH, das ist der Umweltverein, der mit seinem Vorsitzenden Jürgen Resch in deutschen Städten die Fahrverbote zur Luftreinhaltung einklagt.
Die DUH richtet heftige Vorwürfe an die Autoindustrie insgesamt, nicht an VW mit seiner Schummelsoftware, und die deutsche Politik, die sich von der Autoindustrie steuern ließe. Durch eigene Messungen im realen Fahrbetrieb wurde nachgewiesen, dass kein einziger der heute laufenden und nach wie vor verkauften Diesel-Pkw die vorgegebenen Abgasgrenzwerte tatsächlich einhält. Überschreitungen von mehr als das 17fache wurden gemessen.
Wohlgemerkt, es handelt sich größtenteils um Fahrzeuge nach der aktuellen EU6-Norm. Die vollständige Liste (und weiteres Informationsmaterial) kann man sich unter www.duh.de ansehen. In diesem Zusammenhang wird die von den Herstellern ausgelobte „Umweltprämie“ für den Tausch eines alten gegen einen neuen „sauberen“ Diesel als Begriffsverwirrung und unter Umweltgesichtspunkten kontraproduktiv bezeichnet. Ausgerechnet für die schlimmsten Umweltsünder werden die höchsten Prämien gezahlt.
In einem Faktencheck konstatiert die DUH trotz Reformversprechen keine Änderung im System:
Reformversprechen1: Entflechtung Zulassung und Kontrolle beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA): Die Zuständigkeit für Kontrollen sollte auf eine neue Bundesbehörde oder Umweltbundesamt ausgelagert werden. Der Faktencheck jedoch sieht anders aus: keine Änderung im System, KBA Zuständigkeiten unverändert.
Reformversprechen 2: Zur besseren Durchsetzung von Verbraucherinteressen hat die Bundesregierung (Justizminister Heiko Maas) eine Sammelklage-/Musterfeststellungsklage noch für diese Legislaturperiode zugesagt.
Faktencheck: Auf Druck der Autokonzerne scheiterte der mehrmalige Versuch einer entsprechenden Gesetzesvorlage bereits in der Vorabstimmung am Veto des Verkehrsministers Alexander Dobrindt.
Reformversprechen 3: Ankündigung unangemeldeter Kontrollen durch das KBA, dort Wiedereinrichtung KBA-eigener Abgasprüfstände und mobiler Abgasmessungen.
Faktencheck: keine unangemeldeten Prüfungen, keine neutralen Fahrer, KBA misst weiter auf Prüfständen der Hersteller bzw. technischer Dienste und bisher keine neutrale Veröffentlichung der gemessenen Werte.
Reformversprechen 4: Bundesverkehrsministerium (BMVI) kündigte für 2017 die Wiedereinführung der (vor zehn Jahren auf Druck der Autokonzerne abgeschafften) Abgasüberprüfung (AU) bei Euro 5+6 Diesel Pkw an (derzeit wird nur der Fehlerspeicher des Bordcomputers ausgelesen).
Faktencheck: Eine Kontrolle findet weiterhin nicht statt.
Reformversprechen 5: Das Kraftfahrt-Bundesamt werde bei festgestellten illegalen Abschalteinrichtungen konsequent gegen die Hersteller vorgehen.
Faktencheck: Nur wenn das KBA durch ausländische Behörden (Audi A7), Messungen der DUH (Fiat 500x) oder Medien (SPIEGEL – Porsche Cayenne) auf illegale Abschalteinrichtungen hingewiesen und diese dokumentiert wurden, leitete das KBA Rechtsverfahren ein.
Reformversprechen 6: Die illegalen Abschalteinrichtungen bei Diesel-Pkw der Marken VW, Skoda, Seat und Audi werden durch amtlich angeordnete Rückrufe entfernt und der ordnungsgemäße Zustand der Fahrzeuge hergestellt.
Faktencheck: Tatsächlich behauptet VW bis heute in den zivilgerichtlichen Auseinandersetzungen, es handele sich beim Rückruf um eine „freiwillige Aktion“, die betroffenen Kläger werden vom BMVI nicht unterstützt. Tatsächlich belegen Straßenmessungen, dass die Abgasemissionen unverändert (VW Amarok) oder nur um ca. 1/3 verringert werden.
Reformversprechen 7: Bei der Zulassungsbehörde KBA werde ein Verbraucherbeirat eingerichtet. Faktencheck: Verbraucherbeirat existiert bis heute nicht.
Reformversprechen 8: Die EU-Zulassungsverordnung sieht die Verhängung von hohen Strafzahlungen bei nachgewiesenem Abgasbetrug vor.
Faktencheck: Bis heute wurde in Deutschland gegen keinen einzigen Autobauer eine Geldbuße verhängt. Ende 2016 hat deshalb die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
Reformversprechen 9: Die im Zuge von Dieselgate vom KBA gemessenen starken Abweichungen von CO2-Werten sollten untersucht und die Ergebnisse veröffentlicht werden.
Faktencheck: Erst im Sommer 2017 und damit mehr als ein Jahr nach dem NOx-Bericht veröffentlichte das BMVI einen Bericht zu nunmehr (mit Ausnahme Smart und Opel Zafira) unauffälligen CO2- und damit Spritverbrauchswerten. Den Herstellern wurde im Einzelfall erlaubt, die Prüffahrzeuge im Werk nachzubehandeln, eigene Fahrer einzusetzen und schließlich alle denkbaren Toleranzen von den gemessenen Werten abzuziehen.
Reformversprechen 10: Die andauernde Fernsteuerung der Bundesregierung durch die Autokonzerne wird rundweg bestritten.
Faktencheck: Sie geht unvermindert weiter, wie der Diesel-Gipfel im August mit der Vorveröffentlichung der Ergebnisse samt Bewertung durch den Verband der Automobilindustrie VDA eindrucksvoll zeigte. Ein Jahr nach Bekanntwerden des Diesel-Abgasskandals setzte sich die Bundesregierung in Brüssel im Herbst 2016 unter Hinweis auf Bedenken von BMW gegen RDE-Tests für Partikel-Emissionen bei Benzin-Direkteinspritzern ein. Anstatt rechtskonform Geldstrafen in Milliardenhöhe von den Herstellern einzufordern, begnügt sich die Bundesregierung mit einer freiwilligen Spende der Autokonzerne in Höhe von 250 Millionen Euro.
Nach Ansicht von Jürgen Resch werden die angekündigten Maßnahmen keinen messbaren Erfolg haben. Es drohen also Fahrverbote, wenn die Hersteller weiterhin nicht zu handfesten Nachbesserungen an ihrem laufenden Fahrzeugbestand bereit sind. Zudem fordert er, dass ab 1. Januar 2018 nur noch Autos verkauft werden dürfen, die die Abgasnormen im realen Fahrbetrieb wirklich einhalten. Das hieße auch, Schluss mit den so genannten „Temperaturfenstern“. Danach dürfen Abgasreinigungsanlagen in Pkw bei Temperaturen unter 17 Grad Celsius und über 30 Grad Celsius abschalten. Von Herstellern wird das weitgehend ausgenutzt, wodurch die Abgasreinigung überhaupt nur in 30 Prozent der Betriebszeit arbeitet.
Auf die Frage, was die DHU dem gutwilligen Gewerbetreibenden rät, der jetzt ein Auto braucht, weil er sein Gewerbe ohne nicht ausüben kann, kam die Empfehlung, er solle dann, bei Fahrverbot, gegen den Autohersteller klagen. Was soll man dazu sagen?
Bei aller Empörung über die desolate Situation, in die uns Autoindustrie und Politik gebracht haben, und bei aller Berechtigung der gestellten Forderungen, praktikabel und schnell umsetzbar ist die Politik der DUH nicht. Die gegenwärtige Bundesregierung ist unwillig und die neue Bundesregierung wird vor dem Jahreswechsel nicht handlungsfähig sein. Mit einiger Sicherheit wird also das Gewurschtel erst mal weitergehen und der Gewerbetreibende steht weiter im Regen. wh
Foto: Wilfried Hochfeld