Wohin steuert das Taxigewerbe im Zuge der Digitalisierung? Um diese Frage drehte sich eine Infoveranstaltung der Bergischen IHK in Wuppertal. Am Podium standen der Vizepräsident des Bundesverbands Taxi, ein Hochschulprofessor, ein FDP-Politiker und ein Uber-Vertreter.
Im Zuschauerraum saßen rund 60 Gäste, hauptsächlich Taxiunternehmer aus der Region, die sich bei der anschließenden Diskussionsrunde zahlreich zu Wort meldeten. Begonnen hatte die Veranstaltung mit einer kurzen Ansprache des Gastgebers Michael Wenge von der IHK. Er sieht das Taxi als Bestandteil der Unternehmenskultur in Deutschland, mahnte aber auch unter Berufung auf Facebook-Kommentare, dass sich manch ein Kunde über schlechten Service beschwere. Das gewählte Thema der Veranstaltung und auch die Referentenauswahl diene dem Zweck, das Thema vor dem Hintergrund eines fairen Wettbewerbs zu diskutieren, sagte Wenge.
Einer dieser Referenten war Professor Dr. Frank Fichert, dessen Impulsvortrag den Reformbedarf in gesetzlicher Hinsicht thematisierte. Fichert schlug vor, im Bereich der Taxitarife eine Lockerung nach unten einzuführen, nach oben aber eine Höchstgrenze festzulegen, die über dem aktuellen Tarif liegen solle. Fichert ist Volkswirt und lehrt an der Universität Worms. Als zweite These stellte er eine Aufhebung der Kontingentierung in den Raum, betonte dabei aber die Notwendigkeit, dass der dadurch freigegebene Markt von den Behörden gut kontrolliert werden müsse. Das Hamburger Modell sei dafür ein gutes Beispiel.
Im Hinblick auf die derzeit in der Diskussion stehende Aufhebung der Rückkehrpflicht betonte Fichert, dass zunächst einmal die Regeln im Taxibereich gelockert werden müssten, ehe man sich an einzelne Veränderungen bei den Mietwagen heranmache, da diese sonst eine reine Rosinenpickerei wären.
Peter Zander, Vizepräsident des Bundesverbands Taxi und Mietwagen e.V. und zweiter Redner der Veranstaltung, pflichtete Fichtner in diesem Punkt bei und erinnerte daran, dass die Rückkehrpflicht auf ausdrücklichen Wunsch der Politik in das PBefG aufgenommen wurde.
Deutliche Widerworte kamen von Zander hinsichtlich einer Tarifhöchstgrenze. Die Politiker, denen das derzeit vorschwebe, denken dabei an eine Höchstgrenze auf dem Niveau des jetzigen Taxitarifs und der sei sowieso mit Müh und Not auskömmlich. Das Modell, wonach man bei ruhigerer Nachfrage durch einen reduzierten Fahrpreis mehr Fahrgäste in die Personenbeförderung locken könnte, greife nicht, da Fahrgäste nicht aus Jux und Dollerei Taxi fahren würden, sondern weil zu einer bestimmten Zeit ein klar definiertes Mobilitätsbedürfnis vorherrsche.
Den von Fichert angesprochen positiven Aspekten einer Aufhebung der Kontingentierung der Taxikonzessionen hielt Zander das Negativbeispiel Berlin entgegen. Dort fahren mittlerweile über 8.000 Taxis und die Behörde versage bei der notwendigen Marktüberwachung. Erschwerend komme hinzu, dass Hamburg in ganz Deutschland die einzige Stadt sei, die angemessen kontrolliere. Somit seien die administrativen Voraussetzungen für einen unreglementierten Konzessionsmarkt in keiner Gebietskörperschaft gegeben. Man müsse laut Zander auch beachten, dass überall dort, wo die Anzahl der Taxikonzessionen begrenzt ist, bestehende Konzessionen gekauft würden, weshalb man eine Aufhebung auch nur mit einer Übergangsfrist umsetzen dürfe.
Im Anschluss an Zanders Vortrag eröffnete die Moderatorin der Veranstaltung eine Diskussionsrunde, zu der neben Fichert und Zander auch noch Bodo Middeldorf, verkehrspolitsicher Sprecher der FDP in NRW und Dennis Heusser, ein Mitarbeiter von Uber, das Podium komplettierten. Der Uber-Mann wiederholte die seit Jahren bekannten Aussagen des Unternehmens, dass man sich als Anbieter einer umfassenden Mobilitätsplattform etablieren möchte und man keineswegs gegen das Taxi arbeite, sondern ja sogar mit ihm zusammenarbeite. Bezogen auf den von Zander erhobenen Vorwurf, dass man an einer Bedienung des ländlichen Raumes nicht interessiert sei, verstieg sich Heusser zu der These, dass daran die Rückkehrpflicht schuld sei.
Middeldorf lenkte die Diskussion in den ländlichen Bereich und die dortige Ausdünnung des ÖPNV. Hier müsse man Pooling Dienste anbieten können. Als FDP wolle man deutlich machen, dass man die neuen Möglichkeiten nutzen solle – unter gleichen Regeln für alle, welche aber die neuen künftigen Anforderungen an Mobilität berücksichtige. Das Surge-Pricing, also die Preisgestaltung, die sich an der Nachfrage orientiert, findet Middeldorf in Ordnung. Warum solle ein Fahrgast an Silvester nicht mehr Geld bezahlen als sonst? Hotels wären zu Peak-Zeiten ja auch teurer. Diesen Einwand konterte ein Taxiunternehmer aus Wuppertal mit der Bemerkung, dass Politiker die ersten wären, die lauthals protestieren würden, wenn es niemanden mehr gäbe, der die Schwiegermutter zu einem bezahlbaren Preis nach Hause brächte. Er erinnerte daran, dass Deutschland keine freie, sondern eine soziale Marktwirtschaft habe.
Fast 30 Minuten hatten die rund 60 Besucher der Veranstaltung, hauptsächlich Taxiunternehmer aus Wuppertal und der Region, Gelegenheit für Fragen und Einwände. Nicht alle davon wurden beantwortet. Der Uber-Vertreter schwieg beispielsweise auf die Frage, ob er denn wisse, wie viele Milliarden sein Unternehmen pro Quartal Verlust mache und Middeldorf wollte nichts dazu sagen, dass die FDP die Partei mit den höchsten Parteispenden durch Uber sei. Auch die IHK musste sich den Vorwurf gefallen lassen, einem Uber-Vertreter ein Podium zu bieten, wo doch das Unternehmen nachweislich illegal in Deutschland agiere und somit permanenten Rechtsbruch begehe.
Ein Düsseldorfer Taxiunternehmer sprach die prekären Arbeitsverhältnisse an, die bei Uber und Co vorherrschen würden. Dies sei ein wichtiger Aspekt, der ihm persönlich bei der vorangegangen Diskussion zu kurz gekommen sei. Sein Kollege ärgerte sich über die ungleiche Bewertung bei der Wirtschaftlichkeit. Während Taxis wirtschaftlich agieren und dies bei jeder Konzessionsverlängerung auch nachweisen müssen, können Moia, Clever Shuttle und andere unbeanstandet viel Geld verbrennen.
Zum Thema freie Preisgestaltung kam das klarste Statement von einem Taxiunternehmer aus Wuppertal: „Ich wehre mich dagegen, dass uns die Gelegenheit gegeben werden soll, in eine Abzocker-Mentalität zu rutschen, nur weil wir zu Stoßzeiten nehmen dürfen, was wir wollen. Das tun wir nicht, dafür sind wir zu anständig.“
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Thema Digitalisierung im Taxigewerbe um jenen Aspekt erweitert, der bei allen Überlegungen über eine Ausgestaltung der künftigen Mobilität niemals außer Acht gelassen werden darf: Personenbeförderung ist kein Markt, es ist eine Dienstleistung mit hoher sozialpolitischer Verantwortung. Professor Fichert hatte das am Ende verstanden, er versprach, über den Aspekt der Preishöchstgrenze noch einmal nachzudenken. jh
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