Bei den Recherchen zum kriminellen Berliner Firmennetzwerk hat auch BVTM-Präsident Kollar als Sachverständiger mitgewirkt. Der TMV zeigt sich empört. Verkehrspolitiker Schopf hat Strafanzeige gestellt.
Seit gestern berichten mehrere Medien in Berlin vom kriminellen Netzwerk aus Mietwagen- und Taxiunternehmern, die – als Weiterentwicklung der berüchtigten 20-Monats-GmbHs – ein System etabliert haben, bei dem kriminelle Firmen erst mittels Steuer- und Sozialabgabenhinterziehung viel Geld „verdienen“ und dann an eine bulgarische Holding veräußert werden, um Kontrollen durch deutsche Behörden zu entgehen (Taxi Times berichtete).
Wie der rbb recherchiert hat, ist dieses „Berliner System“ noch immer aktiv. In den vergangenen Monaten seien nahezu wöchentlich Unternehmen aus der Taxi- und Mietwagenbranche an die bulgarische Holding überführt worden. Eine zentrale Figur bei den fragwürdigen Geschäften sei ein Mann mit Wohnsitz nördlich von Berlin, der in allen recherchierten Fällen in die Prozesse der Unternehmensverschmelzung oder des Verkaufs involviert sei und – große Überraschung – zugleich Geschäftsführer einer GmbH in der viertgrößten Stadt Bulgariens sei. Er arbeite eng mit immer denselben Berliner Notaren zusammen. Die bulgarische Firma gehöre einer Kapitalgesellschaft in Wales, deren Hauptgesellschafter Aziz L., ein saudi-arabischer Staatsbürger sein soll.
Ein Fernsehbeitrag des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) zu dem Thema ist unter diesem Link zu sehen.
Der rbb wollte den Aktivitäten des Brandenburgers auf den Grund gehen und schickte ihm einen umfangreichen Fragenkatalog zu den Sachverhalten. Nachdem er darauf nicht antwortete, suchten die Journalisten ihn sogar an seinem Wohnsitz auf. Man habe ihn dort auch angetroffen, doch habe er nur mit „kein Kommentar“ geantwortet.
Im Zuge ihrer monatelangen Recherche, unterstützt vom Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM), haben die rbb-Journalisten nach eigenen Angaben auch hunderte Verträge, Urkunden und Belege des kriminellen Firmenbestattungssystems eingesehen, darunter auch Bilanzen. Diese hat Herwig Kollar, Präsident des BVTM, im Auftrag von rbb24 Recherche analysiert.
Rechtsanwalt Kollar berichtet, dass ihm ein Muster aufgefallen ist: Nicht nur die von den Firmen im Handelsregister hinterlegten Umsätze seien viel zu niedrig gegenüber dem normalen Branchendurchschnitt, sondern auch die Personalkosten. Das habe zur Folge, dass „das Unternehmen so gut wie keine Sozialabgaben bezahlen muss“. Dagegen würden jedoch die Fahrzeugkosten nach seiner Einschätzung „absurd hoch“ angegeben, so dass man klar von einer bewussten Hinterziehung von Steuern und Sozialabgaben ausgehen könne, zitiert der rbb den BVTM-Präsidenten.
Für den Berliner Politiker Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus, der seit Langem gegen den unlauteren Wettbewerb agiert und Missstände aufdeckt, sei die jüngste Recherche des rbb „eine Überraschung gewesen, weil ich wirklich gedacht habe, dass wir den kriminellen Sumpf teilweise trockengelegt haben“. Er hat deshalb jetzt eine umfangreiche Strafanzeige erstattet – „gegen Personen aus dem Mietwagen- und Taxibereich wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit und wegen des Verdachts auf eine systematische Firmenbestattung in mehr als 50 Fällen“, wie der rbb weiter berichtet.
Zwar müssen Plattformen wie Uber eigentlich seit Jahresbeginn Umsatzdaten einzelner Anbieter direkt an die Finanzverwaltungen übermitteln, doch wie die rbb-Journalisten erfuhren, gab es hierbei technische Probleme auf Seiten des zuständigen Bundeszentralamtes für Steuern, wodurch sich die Datenübermittlung über Monate verzögert habe. Das bewirke wiederum, dass die Berliner Finanzbehörden frühestens Ende 2024 Firmendaten von Uber & Co. für 2023 betrachten können. Um die Besitzer der mittlerweile gelöschten Mietwagenfirmen zu belangen, könnte es dann zu spät sein.
Der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG), Florian Köbler, fordert daher eine grundsätzliche Umstellung der Besteuerung auf ein Echtzeit-System. Die Wirtschaft müsse „möglichst in Echtzeit oder zumindest zeitnah Daten an uns übermitteln, um eben den Steuerbetrug besser bekämpfen zu können“. Dieses Konzept werde bereits heute in skandinavischen Ländern erfolgreich praktiziert.
Nach der gestrigen Veröffentlichung hat sich auch der Taxi- und Mietwagenverband Deutschland e. V. (TMV) zu Wort gemeldet. Er reagierte empört auf die Enthüllung des kriminellen Netzwerks. Das Ausmaß und vor allem das komplexe „Firmenbestattungsgeflecht“ überträfen die schlimmsten Befürchtungen des Verbandes. „Solche Betriebe – auch 24-Monats-GmbH genannt – sind meist schon lange wieder verschwunden, bevor die erste Betriebsprüfung durch die Sozial- oder Rentenversicherungsträger erfolgen kann.“
Der TMV begrüßt die Strafanzeige durch Schopf und befürwortet auch Köblers Forderung. Und es sollte „eine Kooperation mit den Behörden in Bulgarien gesucht werden, so dass es einfacher wird, die Machenschaften der Unternehmen aus dem Mietwagensumpf besser nachzuvollziehen zu können“, fordert TMV-Präsident Kroker. ar
Hinweise der Redaktion: Weitere Meldungen zu den Firmenbestattungen im Taxi- und Mietwagenbereich finden Sie unter diesem Link.
Fotos und Beitragscollage: Axel Rühle
War ja doch klar das es anders nicht funktioniert. Wer mit solche Preise fährt kann nur sein Geschäft so beenden. Nur schuld sehe ich hier bei UBER und Bolt die miteinander konkurrieren und sich an keine soziale Standards halten . Hier hat man nur gedacht Taxi zu zerstören und eigene Werbung auf Kosten der Fahrer und Geschäftsführer der 24 Monaten GmbH durchzusetzen. Traurig das im Namen den Verursacher den Mittäter der die Behörden zum Chaos gebracht hat noch ein Uber Platz genannt wird . Und ich verstehe nicht wie lange darüber nur gesprochen wird . Warum sich nur so wenige Politiker drum kümmern und besorgt sind. Größte Respekt und ein großen Dank an Herrn Tino Schopf anscheinend ist das einziger Menschen dem die Situation in Deutschland nicht egal ist. Und man fragt sich nur warum dieses Problem nicht in Hamburg oder in Leipzig gibt ???? Wieso gibt es solche Probleme an einem so Nah an die Politik Stadt Berlin ? Direkt vor der Tür vom Bundestag????
Warum gibt es solche Problem nicht in Hamburg oder in Leipzig????
…. (Save Drive GmbH sollte mal unter Lupe genommen werden )
Die deutschen Behörden könnten ja mal anfangen richtig zu kontrollieren, leider ist der Standort Deutschland eine digitale Wüste.
Die sollten lieber die Behörden hierauf Vordermann bringen, anstatt das den Rest derselben zu finanzieren
Dann würde hier was vorwärtsgehen
… kein Wort von Uber, die ja bekanntlich keinen Cent Steuern in diesem Land bezahlen.
Die sind vollkommen überrascht und haben mit so etwas nicht gerechnet :-))) . Ich glaube, die Anzeigen werden ins Leere laufen. Daraufhin werden sich wieder alle wundern und vollkommen überrascht sein. Unser System gibt diese Methoden so her. Diese „Unternehmen“ wenden es an. Der Staat möchte es offenbar auch genauso.
Das dieses Geschäftssystem schon einige Jahre so gehandhabt wird ist kein Geheimnis. Nach der Firmenübertragung werden auch sämtliche Lastschriften wieder zurück gebucht. Wir merken das vermehrt bei den systematischen Rückbuchungen der Versicherungsbeiträge bzw. werden diese einfach nicht mehr weiter bezahlt und die Fahrzeuge kurz vor der Stilllegung auf eine neue Firma umgemeldet.