„Meiner Wahrnehmung nach ist die PBefG-Novelle recht gut gelungen“. Mit diesem klaren Statement begann Thomas Grätz seinen Vortrag über die PBefG-Neuerungen. Er konnte seine Einschätzung gut begründen – mit spannenden Details, die erst auf den zweiten Blick erkennbar sind.
Mit einem Vortrag des Rechtsanwalts (und ehemaligen BZP-Urgesteins) Thomas Grätz auf seinem Unternehmertag in Visselhövede meldete sich der GVN (Gesamtverband Verkehr Niedersachsen) auch auf der gewerbepolitischen Bühne wieder zurück, nachdem es eine Zeitlang personenbedingt still um die Niedersachsen geblieben war.
Dessen Ritt durch das neue Personenbeförderungsgesetz (PBefG) hatte es in sich, wobei Grätz sich als Jurist nicht scheute, gerade auch die komplexeren Neuerungen durchzudeklinieren. Zu Beginn lobte Grätz in seinem historischen Abriss zur Novelle nicht nur das Ergebnis, sondern fand auch überraschend positive Worte für den scheidenden Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Der habe sich nach einer misslungenen Eröffnung – der Abschaffung der Rückkehrpflicht – getraut, sich persönlich der Wut von 2.000 Berliner Taxlern zu stellen. Und er habe dann mit seiner Findungskommission auch einen guten Weg gefunden, notwendige Neuerungen und Besitzstandswahrung in der gewerblichen Fahrgastbeförderung doch noch unter einen Hut zu bringen, Neuanbieter seien befriedigt und Taxi und Mietwagen blieben trotzdem gut geschützt.
Hauptmerkmal der Novelle seien neben der Öffnung der Branche für eine digitalisierte Zukunft mit dem Linienbedarfsverkehr (LBV) und dem gebündelten Bedarfsverkehr (GBV) die vielfältigen Einflussmöglichkeiten der Genehmigungsbehörden. Mit den neuen Verkehrsformen müssten auch Verkehre, die zunächst wie beispielsweise Moia nach der Experimentierklausel genehmigt worden seien, zeitnah ins PBefG eingepasst werden. Allerdings bleibe abzuwarten, ob die Genehmigungsbehörden ihre neuen Spielräume sinnvoll nutzen wollten und könnten.
Im Detail berge besonders der GBV vielleicht eine große Chance für alteingesessene Unternehmen vor allem im ländlichen Raum, denn mit Mischkonzessionen für den GBV und den Taxiverkehr ließe sich möglicherweise ein spannendes neues Geschäftsmodell auf den Weg bringen, wenn sich Taxiverkehr alleine nicht lohne, denn mit der PBefG-Novelle einhergehend sei auch das Regionalisierungsgesetz geändert worden und lasse neben Zuschüssen für den klassischen ÖPNV auch Subventionen für den Gelegenheitsverkehr zu. Wo zeitlich begrenzte Poolingangebote im ländlichen Raum organisiert würden, könnten diese subventionierbar sein, ohne überregionale Anbieter anzulocken. Solche Mischformen könnten örtlichen Betrieben möglicherweise eine verbesserte Existenzgrundlage bieten, die für überregionale Anbieter mit eigenem Fuhrpark trotzdem nicht angreifbar wären.
Ebenfalls spannend waren die Ausführungen zu der neuen Genehmigungspflicht für Vermittler. Das neue PBefG ließe zwar auch „reine Vermittler“ zu, die keiner Genehmigungspflicht unterlägen, aber besonders Uber sei den „verantwortlichen Vermittlern“ zuzuordnen und benötige somit definitiv eine Genehmigung. Diese könne auch versagt werden, wenn nicht für jede Kommune, in der man agiere, ein Betriebssitz nachgewiesen sei. Zusätzlich sei fraglich, ob im Zweifel ein Betriebssitz ggf. ohne Fahrzeuge überhaupt denkbar sei. Hier läge einiges an Zunder bereit. Grätz glaubt aber nicht, dass Uber sich nun brav zurückziehen wird. Es läge somit an den Genehmigungsbehörden, in der Folge hart zu bleiben und ihre Forderungen durchzuziehen.
Auch beim Thema Mobilitätsdaten eröffnete Grätz neue Perspektiven. Die Erhebung dieser Daten ermögliche den Genehmigungsbehörden bei Bedarf auch eine erheblich differenziertere Kontrolle der Vorgabe des PBefG. Hier sei eventuell auch ein neues Schwert im Kampf gegen Uber, Moia und Co. entstanden. Zur Datenerhebung selbst seien sowohl die „verantwortlichen“ als auch die „reinen“ Vermittler verpflichtet, also alle. Nicht verpflichtet seien aber die „Einzelunternehmen“, und als solche definierte Grätz alle Personengesellschaften bis hin zur GmbH mit einem Alleingesellschafter. Er wies aber auch darauf hin, dass ein nicht stringenter Zusatz im neuen PBefG dieser Definition möglicherweise zuwider laufe, welcher schon mit der Beschäftigung von Personal den Verpflichtungsfall definiere. Letztendlich müsse man abwarten, ob die Daten auch von diesen kleineren Unternehmen eingefordert würden.
Geliefert werden müssten zum einen statische Daten des Unternehmens, also Name, Adresse, Betriebsgröße, etc., und zum anderen dynamische Daten in Echtzeit, also auftrags- aber nicht personenbezogene Daten, GPS-Daten, der Status besetzt/frei oder auch Fahrpreise. Diese Daten seien mit welcher Technik auch immer an den nationalen Zugangspunkt (NAP) in Bergisch Gladbach zu liefern. Genehmigungsbehörden dürfen dann bei Interesse immer anlassbezogene Einzelfallanfragen an den NAP stellen. Da derzeit allerdings noch keine Bußgelder festgelegt seien, sei Abwarten und Teetrinken wohl die richtige Strategie.
Das neue Reizwort „Tarifkorridor“ interpretierte dem entgegen auch Grätz als eher gefährliches und vor allem unnötiges Element, denn auch allein mit den neuen Festpreisoptionen für Bestellfahrten seien zukunftsorientierte Tarifgestaltungen möglich.
Zur Ausgestaltung der Fachkunde wusste Grätz zu berichten, dass eine Entscheidung im März nächsten Jahres zu erwarten sei. Auch wenn das Gewerbe sehr darauf dränge, keinen reinen „Sitzschein“ zuzulassen, sondern eine Prüfung zu verlangen, gäbe es hier nach wie vor auch andere Stimmen.
Sehr bildhaft beschrieb Grätz die Entstehungsgeschichte der neuen Regelung im PBefG, welche die Bereitstellung außerhalb Taxiständen untersage, und begrüßte ausdrücklich, dass es nunmehr endlich möglich sei, bereitstehende Taxen abseits von Taxiständen zu sanktionieren. Dies gelte allerdings nicht zu Zeiten und an Orten, wo die örtliche Taxiordnung die Bereitstellung erlaube.
So arbeitete Grätz sich Punkt für Punkt durch die Novelle, immer mit dem Blick für das Positive. Selbst in der neuen Kassensicherungs-Verordnung entdeckte Grätz auch eine Chance, da mit dieser eventuell doch noch auf indirektem Wege eine Wegstreckenzählerpflicht für alle Mietwagen installiert werden könne.
Im Ergebnis erlebten die Zuhörer mit Thomas Grätz einen sehr engagierten Fachmann für das Gewerbe, der nach wie vor große Freude an den rechtlichen Details hat. Er wird der Branche auch zukünftig immer gern in der eine oder anderen Form zur Seite stehen, einfach, weil er gar nicht anders kann. rw