Mindestpreise für Fahrdienste sind zulässig – diese grundsätzliche Entscheidung des Leipziger Verwaltungsgerichts wurde schon im November letzten Jahres bekannt. Nun liegt auch die Urteilsbegründung vor, die keine Zweifel mehr an der Zweckmäßigkeit dieses neuen Tools aus dem Personenbeförderungsgesetz zulässt. Damit können zukünftig auch präventiv Mindestfahrpreise festgelegt werden.
Das Verwaltungsgericht (VG) Leipzig hat in der schriftlichen Urteilsbegründung zu seiner Grundsatzentscheidung behördliche Mindestpreise für Fahrdienste wie Uber grundsätzlich als zulässig eingestuft und empfiehlt gefährdeten Kommunen eine präventive Realisierung. Es ist das deutschlandweit erste Urteil in dieser Frage. Taxis sind ein überragend wichtiges, schützenswertes Gemeinschaftsgut. Es ist zu erwarten, dass von dieser Entscheidung eine Signalwirkung ausgeht, da derzeit unter anderem für Berlin und München die Einführung von Mindestfahrpreisen für Fahrdienste vorbereitet werden.
Im Zuge der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG), die im August 2021 in Kraft trat, hatte der Gesetzgeber unter anderem den neuen Paragrafen 51a in das Bundesgesetz aufgenommen, der den Genehmigungsbehörden das Recht einräumt, zum Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen für den Verkehr mit Mietwagen, der in ihrem Bezirk betrieben wird, tarifbezogene Regelungen, insbesondere Mindestbeförderungsentgelte, festzulegen.
Dieses Instrument zur Regulierung der individuellen gewerblichen Fahrgastbeförderung wurde tatsächlich genau dafür entwickelt, um den auch schon im Jahr 2021 heftig diskutierten Wettbewerb zwischen tariflich festgelegten Taxis und diesbezüglich freien Mietwagen in der Form kontrollierbar zu gestalten. Zeitweilige Sonderangebote weit unter den Betriebskosten, welchen die gesetzlich festgelegten tarif- und dienstzeitgebundenen Taxis nichts entgegensetzten können, sollten zum Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen unterbunden werden. Da das Taxi einer Betriebs-, einer Tarif- und einer Beförderungspflicht unterliegt und so allein das öffentliche Verkehrsinteresse wahrt, nach dem rund um die Uhr Angebote zur gewerblichen Fahrgastbeförderung verfügbar sein sollen, sollte diese Verkehrsform davor geschützt werden, durch mit Mietwagen kooperierenden Plattformanbieter an den Rand des Aussterbens gebracht zu werden.
In der vorangegangenen Diskussion um die Novelle des PBefG hatten sich die Verbände zunächst stark auf eine Verschärfung der Regelungen zur Rückkehrpflicht für Mietwagen konzentriert. Insofern kam die Einführung dieses neuen Instruments in das PBefG auf für viele gewerbepolitisch aktive Kollegen eher überraschend, da es offensichtlich im Umfeld von Verkehrsministerium (BMDV) und Verkehrsausschuss des Bundestages erarbeitet worden war.
Natürlich formierte sich sofort massiver Widerstand seitens der Plattformanbieter wie Uber gegen diese neue Regelung. Und so war es erwartbar, dass die Stadt Leipzig, welche bundesweit schon im Dezember 2021 als erste die Einführung solcher Mindestpreise für Mietwagen auf den Weg zu bringen versuchte, sich dann auch sofort mit einer Klage gegen diese Einführung vor dem Verwaltungsgericht auseinandersetzen musste. Gerade deshalb wurde nun nicht nur die Ende vergangenen Jahres ergangene Entscheidung des VG Leipzig von vielen mit Spannung erwartet, sondern vor allem die zur der Entscheidung führende Begründung, die erst jetzt veröffentlicht wurde. Die sehr umfassende aber unbedingt lesenswerte Urteil im Volltext können Interessierte hier nachlesen.
Von der Stadt Leipzig wurden die Mindestpreise so festgesetzt, dass eine Fahrt im Fahrdienst als Grundpreis das Dreifache eines ÖPNV-Tickets kostet, plus zwei Euro pro Kilometer. Damit lag der Mindestpreis nach dem Leipziger Modell gerade bei kurzen Strecken teilweise deutlich über dem Taxitarif. Diese Preisgestaltung beanstandet das Gericht in seinem Urteil und empfiehlt, dass man sich dabei eher am Taxitarif orientieren solle. Dies wird den Protagonisten zukünftig sicherlich ein Leichtes sein, denn die alternative Orientierung an den örtlichen ÖPNV-Tarifen war wohl lediglich einer offensichtlich unnötigen Vorsicht bei der Fahrpreisgestaltung geschuldet.
Herwig Kollar, Präsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM), begrüßt das Urteil gerade in seiner Deutlichkeit ausdrücklich: „Das Urteil des Gerichts hätte nicht deutlicher ausfallen können. Das Gericht stellt klar: Mindestpreise sind zulässig und der Schutz des Taxigewerbes als Teil des öffentlichen Verkehrssystems ist ein legitimer Schutzzweck einer solchen Maßnahme. Dieses Urteil bestärkt alle Städte, die derzeit konkret an der Einführung solcher Regelungen arbeiten: Sie sind auf dem richtigen Weg“.
Die Existenz und Funktionsfähigkeit des Taxiverkehrs beschreibt das Gericht als überragend wichtig und stellt klar, dass Fahrdienste wie der von Uber dessen Funktion nicht übernehmen können. Auch ist es nach dem Urteil aus Leipzig nicht erforderlich, zunächst die Taxitarife – beispielsweise mit Tarifkorridoren – zu flexibilisieren. Eine solche Flexibilisierung ohne die parallele Einführung einer Mindestpreisregelung für Mietwagen könne sich sogar kontraproduktiv für den erwünschten Erhalt des Taxigewerbes vor Ort auswirken. Die Städte können direkt Mindestpreise für Mietwagen einführen, um die Daseinsvorsorgefunktion des Taxis als Teil des öffentlichen Verkehrssystems zu schützen.
Der BVTM sieht sich nach dem Urteil in seiner Auffassung bestätigt, dass die Städte aktiv werden müssen. Der Wettbewerb zwischen Taxi und Mietwagen dürfe nicht durch Dumpingpreise verzerrt werden, dies hatte auch der Gesetzgeber mit der Novelle deutlich gemacht. Der BVTM weiter: Viele Presseveröffentlichungen zu den Mietwagenplattformen hätten deutlich gezeigt, dass die von den Plattformen vorgegebenen Fahrpreise für die angeschlossenen Unternehmen nicht kostendeckend seien. In Berlin sei dazu von den Behörden festgestellt worden, dass große Teile des Mietwagenverkehrs dem Bereich der organisierten Kriminalität zuzuordnen seien. In Frankfurt am Main streikten deshalb zahlreiche Uber-Betriebe und forderten von der Plattform eine leistungsgerechte Vergütung, um die gesetzlichen Verpflichtungen (z. B. Mindestlohn und Sozialabgaben) bezahlen zu können.
Auch zur Umsetzung präventiver Mindestentgeltregelungen hat das Gericht eine klare Meinung, indem es formuliert, dass ein rein präventives Handeln sehr wohl gerechtfertigt sein kann und keine bereits erfolgte Beeinträchtigung öffentlicher Verkehrsinteressen voraussetzt. Genehmigungsbehörden müssen demnach also definitiv nicht abwarten, bis es kein funktionierendes Taxigewerbe mehr gibt und benötigen dafür auch keine Verkehrsgutachten, sondern können präventiv Vorkehrungen treffen.
Darüber hinaus formuliert das Gericht explizit, dass eine Genehmigungsbehörde die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers erfüllt, wenn sie Regelungen des Unterbindens von Leistungen zu nicht marktgerechten Preisen festlegt. Abschließend stellt das Gericht dann sogar fest, dass nur durch frühzeitiges Handeln dem Anliegen des Gesetzgebers, die Säulen des öffentlichen Verkehrs zu schützen, entsprochen werden kann. Das VG fordert die betroffenen Kommunen damit sogar direkt zu präventivem Handeln auf. Kollar kommentiert dies in der BVTM-Pressemeldung: „Mit dem Urteil im Rücken gibt es nichts mehr, was Genehmigungsbehörden davon abhält. Wir fordern alle Städte, in denen taxiähnliche Fahrdienste wie Uber & Co. aktiv sind, auf, schnell und entschlossen zu handeln.“
Spannend bleibt nun, ob sich diese intensive Auseinandersetzung des VG Leipzig mit dem Thema gelohnt hat und die grundsätzlich noch mögliche Berufung beim Oberverwaltungsgericht Sachsen (OVG) daraufhin ausbleibt. rw
Beitragsbild: Remmer Witte