Durch das Rufbus-Konzept sei man auch im ländlichen Raum „angebunden statt abgehängt“, schreibt die „tageszeitung“. Beim Subventionsbedarf liege es allerdings in der Regel keineswegs zwischen Linien-ÖPNV und Taxi, sondern weit oberhalb. Jetzt soll der Linienbedarfsverkehr auch Taxiunternehmen ohne weitere Fachkundeprüfung zugänglich werden – eine neue Chance?
„Auf dem Land geht nichts ohne Auto? Doch! Jede dritte Nahverkehrsgesellschaft in Deutschland bietet flexible Kleinbusse an, die nach Bedarf fahren“ stellte die „tageszeitung“ (Taz) jüngst fest. Dalli heiße das Angebot beispielsweise in Bad Saarow und Umgebung, zwischen dem Flughafen BER und Frankfurt/Oder gelegen. Die weiß-grün-blauen Kleinbusse, die sich per Smartphone rufen ließen, kämen zwar nicht ganz bis nach Hause, aber fast. Und sie brächten Bürgerinnen und Bürger zum Arzt, zum Einkaufen oder holten sie abends vom Konzert ab – all das zum normalen Tarif des öffentlichen Nahverkehrs zuzüglich einem Euro „Komfortzuschlag“. Die Betriebszeiten enden laut Onlineportal fahrdalli.de allerdings jeden Tag bereits um 22 Uhr.
„Es stimmt nicht mehr, dass die Leute hier abgehängt sind“, zitiert die Taz in der Folge Tim Jurrmann, der beim Kreisentwicklungsamt des Landkreises Oder-Spree (LOS) für Organisation und Abrechnung des Rufbusses „Dalli“ zuständig ist. Ähnliche Angebote gäbe es mittlerweile bundesweit bei einem Drittel der Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs. „Die Klage, man sein auf dem Lande abgeschnitten, spiegele in vielen Fällen so eher ein Gefühl wider als die Realität“, begeistert sich Jurrmann gegenüber der Taz, „die Leute überlegen, ob sie ihren Zweitwagen noch brauchen“.
Einziges Manko der Rufbusse sei laut Taz-Berichterstattung ihr hoher Zuschussbedarf, da sie lediglich 15 bis 20 Prozent ihrer Einnahmen per Ticketverkauf erzielten. Der Rest kommt vom Landkreis, der Stadt Storkow, dem Amt Scharmützelsee und dem Land Brandenburg. Traditionelle ÖPNV-Linienverkehre schafften hier immerhin 30 Prozent. Insgesamt gebe es knapp 100 Rufbus-Modelle in Deutschland. Es sei aber bei 90 Prozent der Projekte unklar, ob und wie sie mittelfristig fortgeführt werden.
Dies also sollte die Stunde der Alternativen sein! Ein gewährter Zuschussbedarf von mehr als 80 Prozent für individuelle gewerbliche Fahrgastbeförderungen – das müsste doch eigentlich bei den Taxlern die Kasse klingeln lassen. Warum also sind hier in der Regel keine Taxiunternehmen mit am Ruder?
Bei den Dalli-Bussen handelt es sich beförderungsrechtlich und einen Linienbedarfsverkehr. Im Unterschied zu Taxis können hier Sammelfahrten organisiert werden, die auch unabhängig voneinander gebucht werden können. Als Linienbedarfsverkehr ist der Verkehr somit dem Linien-, und nicht dem Gelegenheitsverkehr zugeordnet. Daher ist für die Durchführung nicht nur die kleine, sondern die große Fachkunde notwendig, was die meisten Taxler von den Verkehren zunächst ausschließt. Zusätzlich sind solche Verkehre ausschreibungspflichtig.
Woran liegt das? Sowohl einen Bus als auch einen Rufbus als auch ein Taxi kann man auf verschiedenen Wegen buchen – oder sogar einfach zusteigen. Der Rufbus darf lediglich zusätzlich im Gegensatz zum Taxi Sammelfahrten durchführen und im Gegensatz zum Bus bedarfsorientiert fahren, während der Linienbus auch leer durch die Gegend gondeln muss, falls gar niemand mitfahren möchte. Grund für den erhöhten Zuschussbedarf sei dabei trotzdem die geringere Auslastung der Rufbusse. Aber ist das wirklich die Ursache?
Ein wichtiger Grund dürfte auch die Organisation der Rufbus-Konzepte als aufgesattelte Verkehre sein. Für Rufbusse werden in der Regel eigene, oftmals sehr teure neue Fahrzeuge angeschafft und aufwändig designt, und es wird eigenes Personal eingestellt. Damit werden Synergieeffekte zwischen Bus und Rufbus, aber auch zwischen Rufbus und Taxi, von vornherein verhindert. Ein weiterer Grund dürfte die Projektierung der Rufbusse durch möglicherweise fachfremde Organisatoren sein. Das Rufbuskonzept arbeitet bedarfsorientiert und in der Regel mit Fahrzeugen für maximal acht Fahrgäste. Es ist also sehr nahe am individuellen Gelegenheitsverkehr angesiedelt. Und dafür sind eigentlich die Taxler die Profis.
Wird ein Rufbus-Konzept also als Linienbedarfsverkehr ausgeschrieben, sind bisher die meisten Taxler automatisch außen vor, weil Ihnen die dafür notwendige große Fachkunde fehlt. Hier aber scheint es Bewegung zu geben, wie Taxi Times kürzlich von dritter Seite erfuhr. Im Bund-Länder-Fachausschuss (BLFA) aus dem vergangenen Herbst soll jedoch eine diesbezügliche Änderung diskutiert worden sein.
Das Bundesverkehrsministerium (BMDV) habe dort ausgeführt, dass nur der Bedarfslinienverkehr gemäß Paragraph 50 PBefG auch für Taxis und Mietwagen offen sei, weil hier ausschließlich Pkw eingesetzt würden. Ein Linienbedarfsverkehr gemäß Paragraph 44 PBefG dürfe dagegen bestimmungsgemäß auch mit Omnibussen durchgeführt werden. Allerdings sei für das BMDV übergangsweise vorstellbar, Genehmigungen für Linienbedarfsverkehre im Einzelfall auf Pkw bis 9 Sitzplätze zu beschränken und diese so möglicherweise auch für Inhaber der kleinen Fachkunde zugänglich zu machen. Eine solche Regelung verstößt allerdings noch gegen die Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr (PBZugV), insofern wäre es wohl ratsamer, gleich eine fundierte Lösung anstatt einer Übergangslösung anzustreben. Aber immerhin, es scheint Bewegung im Thema zu geben.
Mit Rufbussen experimentierten Gemeinden seit 40 Jahren, recherchierte die Taz weiter, allerdings habe die Technik in der vergangenen Dekade einen Sprung gemacht. Smartphone-Apps, die Nutzer und Busse lokalisieren, ermöglichten es, die Fahrzeuge zum genau richtigen Zeitpunkt an den gewünschten Ort zu bestellen. Und dies sei einer der Gründe für die bundesweite Verbreitung der Bedarfsverkehre. Auch hier war also die Digitalisierung bzw. ihr Fehlen wieder mal der Schlüssel zu Erfolg oder Misserfolg.
Nun sollten die Taxler vehement dafür eintreten, dass ihre Kompetenz zur Ökonomisierung genutzt wird, denn an dieser Stelle gibt es zum einen das System Taxi, welches zumindest insoweit auch ökonomisch funktioniert, dass es keine Zuschüsse frisst, und zum anderen das System Linien-ÖPNV, welches einen hohen Zuschussbedarf verzeichnet. Dazwischen gibt es noch das System Rufbus, welches zumindest prozentual noch unökonomischer zu sein scheint als der Linien-ÖPNV. Und das soll nun das Modell für die Zukunft sein? Hier liegt also eine Steilvorlage für das Taxigewerbe.
Das Taxi krebst seit Jahrzehnten am Rande des Existenzminimums oder auch der Legalität herum, wird aber auch von den Linienverkehrsunternehmen vor Ort mehr oder weniger flächendeckend nicht als kompetenter Partner für solche Projekte wahrgenommen? Würden der Branche viele ihrer Fahrten mit bis zu 85 Prozent subventioniert, würde sie sicherlich mit Begeisterung sammeln, gleichzeitig ihren Fuhrpark elektrifizieren und trotzdem bestimmt um einiges günstiger als die Hochglanz-Rufbus-Projekte der vergangenen Jahre verkehren, auch wenn die Kunden dafür dann ebenfalls nur – wie im Landkreis Oder-Spree – minimal mehr als den ÖPNV-Tarif zahlen müssten.
Trotzdem muss sich die Branche nun wohl so lange noch an die eigene Nase fassen, solange es ihr nicht gelingt, dieses enorme Potential mit abzuschöpfen, welches sich hier im Laufe der Jahre ergeben hat. Das Taxi muss sich darstellen und mitreden, in den Kommunen präsent sein und es schaffen, unternehmensübergreifend als Gemeinschaft für gemeinsame Interessen einzutreten. Und dies gilt sicher im Kleinen wie im Großen. rw
Beitragsfoto: MIL / Land Brandenburg