Unmittelbar vor den Bayerischen Sommerferien wurde in München eine eigentlich geplante Einführung von Mindesttarifen für Mietwagen auf Eis gelegt. In einer Antwort auf einen Brandbrief eines Taxiunternehmers erläutert das Büro des Oberbürgermeisters die Gründe. Nicht alle davon sind nachvollziehbar.
Als in München mit einer lange vorbereiteten Allgemeinverfügung Mindestbeförderungsentgelte (MBE) für Mietwagen beschlossen werden sollten, stimmten kurz vorher die Münchner Faktionen der SPD sowie der CSU doch noch dagegen. Der Frust und das Unverständnis innerhalb des Münchner Taxigewerbes war groß, es kam spontan zu Taxidemonstrationen. Neben dem organsierten Widerstand ergriffen aber auch vereinzelte Taxiunternehmer individuelle Maßnahmen.
Einer von Ihnen, Berthold Uhl, schrieb beispielsweise einen Brandbrief an den Münchner SPD-Oberbürgermeister (OB) Dieter Reiter (Taxi Times berichtete). Nun liegt der Taxi-Times-Redaktion auch die Antwort an den Taxiunternehmer vor. Formuliert hat sie ein Mitarbeiter des Büros des Oberbürgermeisters in dessen Auftrag.
Gleich zu Beginn weist das OB-Büro darauf hin, dass ein MBE noch nicht vom Tisch sei. „Das Szenario einer Einführung besteht weiterhin.“
Dass eine Mehrheit des Münchner Stadtrats ein MBE Mitte des Jahres abgelehnt hat und somit eine Einführung des MBE nicht erfolgt ist, begründet das OB, dass zum damaligen Zeitpunkt unter anderem nicht ausreichend belegt werden konnte, wie mit der Einführung eines Mindestbeförderungsentgelts Sozialdumping verhindert wird. „Wie kann also garantiert werden, dass das Mehr an Einnahmen den Mietwagenfahrern und nicht den Firmen oder den Plattformen zugutekommt? Der gesetzliche Mindestlohn besteht doch schon jetzt“, schreibt der Büro-Mitarbeiter in Reiters Auftrag. Und weiter: „Dies kann unseres Erachtens nur erreicht werden, wenn es den betroffenen Firmen nicht mehr gelingt, sich den Kontrollen zu entziehen und in die Landkreise auszuweichen. Den Mietwagenfirmen ist durchaus bewusst, dass in München eine wesentlich höhere Kontrolldichte besteht als im Umland.“
Aus diesem Grund hätte sich Herr Reiter kürzlich auch an die zuständige Regierung von Oberbayern gewandt und diese aufgefordert, die Landkreisbehörden personell besser auszustatten. Nur wenn dort die Kontrolldichte deutlich erhöht werden, könne dem auch wirksam begegnet werden. Mindestbeförderungsentgelte allein garantieren keine rechtstreue Unternehmensführung.
Die Wirksamkeit eines MBE streitet das OB-Büro nicht ab: „Ich gebe Ihnen aber recht, dass diese zu einer gewissen Angebotsgleichheit zwischen Taxigewerbe und Mietwagenunternehmen führen würde.“
Als weiterer Grund für den Münchner MBE-Rückzug nennt das OB-Büro die aus Sicht der Stadt bestehende bundesgesetzliche Regelungslücke: „Der Bundesgesetzgeber muss hier zwingend nachbessern, so dass auch für die Mietwagenfirmen die gleichen Rechte und Pflichten gelten wie für das Taxigewerbe. Nur wenn alle die gleiche Verantwortung tragen, können behördliche Maßnahmen wirksam sein.“ Es den Kommunen zu überlassen, diese Schieflage auszugleichen, sei aus Sicht des Oberbürgermeisters zu wenig. Der OB habe dies dem Bundesverkehrsminister vor kurzem in einem Schreiben mitgeteilt.
Der dritte Grund für den aktuellen Stopp des MBE begründet das OB-Büro damit, dass man den Mietwagenplattformen vorher selbst nochmal die Möglichkeit geben will, die Missstände zu beseitigen: „Das Kreisverwaltungsreferat ist beauftragt, Gespräche mit diesen zu führen und entsprechende Verpflichtungen einzufordern. Sollten hieraus aber keine wirksamen Ergebnisse erzielt werden und sich kein fairer Wettbewerb entwickeln, ist die Einführung eines Mindestbeförderungsentgelts durchaus eine Option.“ jh
Anmerkung der Redaktion: Wer diese Zeilen genau liest, muss zu dem Schluss kommen, dass der Münchner OB derzeit kein Interesse hat, eine Entscheidung zu fällen, obwohl dies seit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) im Jahr 2021 vom Gesetzgeber genau so gedacht war. Weil die Wettbewerbssituation zwischen Taxis und Plattformen je nach Region sehr unterschiedlich ausfällt, sollten die jeweiligen Kommunen mit individuellen Maßnahmen spezifisch reagieren können.
Diesem Auftrag kommt die Stadt München nicht nach. Namentlich die SPD, die in dieser Sache eine Allianz mit der Oppositionspartei CSU eingeht und die Grünen als den eigentlichen Koalitionspartner vor den Kopf stößt.
Stattdessen reicht man den Stab weiter, schiebt die Verantwortung auf die Landkreise im Münchner Umland und ruft nach einer bundeseinheitlichen Regelung. Das OB-Büro möchte, „dass auch für die Mietwagenfirmen die gleichen Rechte und Pflichten gelten wie für das Taxigewerbe.“ Zwischen den Zeilen lässt sich hier die Forderung nach einem Einheitsgewerbe herauslesen. Das wäre durchaus erstrebenswert, wäre allerdings tatsächlich Sache des Bundes und ist so ein dickes Brett, dass man mit einer Umsetzung in diesem Jahrzehnt nicht mehr rechnen kann.
Und bis es soweit ist, wäre ein MBE eine gute und wirksame Zwischenlösung. Wie man damit Sozialdumping verhindert, haben sowohl die Taxibranche als auch neutrale Gutachten ausreichend belegt. Und die vom OB-Büro angefragte Garantie, „dass das Mehr an Einnahmen den Mietwagenfahrern und nicht den Firmen oder den Plattformen zugutekommt“, darf sich eine Politik nicht stellen. Sie muss lediglich dafür Sorge tragen, dass in ihrer Stadt nach den Grundsätzen des Rechtsstaats und der Sozialversicherungsgesetze agiert wird.
Beitragsfoto: KI-generiert







