Steve McNamara, Generalsekretär der Londoner Licensed Taxi Driver Association (LTDA), des größten Taxiverbands der britischen Hauptstadt, kommentiert im Taxi-Times-Interview den Londoner Taxi-Aktionsplan: „Londons Taxifahrer sind auf sich allein gestellt“
„Dieser Aktionsplan ist eine verpasste Chance. Er ist voller Plattitüden über die Bedeutung lizenzierter Taxis und erkennt die ernsten Herausforderungen an, vor denen wir stehen, enthält aber keine konkreten Pläne, um diese Herausforderungen tatsächlich anzugehen“, kommentierte Steve McNamara den kürzlich veröffentlichten Aktionsplan der Taxi- und Mietwagenbehörde und Verkehrsgesellschaft Transport for London (TfL).
Der 63-jährige McNamara, stets offen und kämpferisch, betont, dass das Londoner Gewerbe praktische Unterstützung braucht, um zu überleben. Eine kürzlich veröffentlichte Prognose eines lokalen Thinktanks warnte, dass das Gewerbe in 20 Jahren ausgestorben sein könnte.
Kurz vor der Veröffentlichung des Aktionsplans, Ende März, sprach Taxi Times mit McNamara, dem Vorsitzenden von Londons größtem Taxiverband mit 10.000 Mitgliedsbetrieben, denen derzeit 16.816 Taxifahrer und 14.470 „Black Cabs“ angehören. Zum Vergleich: In London fahren 107.998 Mietwagenfahrer auf 96.788 Mietwagen. Das sind rechnerisch fast 6,7 mal so viele Mietwagen wie Taxis.
Welche Punkte werden im Aktionsplan nicht wirklich angesprochen? McNamara spulte sie ab: Das Londoner Taxigewerbe benötigt Unterstützung beim Kauf eines teuren Plug-in-Elektrotaxis, da die staatliche Förderung von 4.780 Euro im März eingestellt wurde. Taxifahrer sollten außerdem von einem Mehrwertsteuersatz von null auf den Kauf dieses rollstuhlgerechten Fahrzeugs und auf das Aufladen ihrer Fahrzeuge an öffentlichen Ladestationen profitieren. (Schottlands Taxifahrer erhalten ein zinsloses Darlehen.) Außerdem: Die berüchtigte Ortskundeprüfung, der „Knowledge of London“-Test, der als einer der schwersten der Welt gilt und zum Taxifahren in London absolviert werden muss, muss laut McNamara aktualisiert und ins elektronische Zeitalter gebracht werden (Näheres dazu siehe unten).
Der Aktionsplan folgt unmittelbar auf die Vorhersage des Thinktanks Centre for London, dass Taxis in 20 Jahren von Londons Straßen verschwinden könnten, wenn die Behörden nicht bald Maßnahmen ergreifen, um den Rückgang zu stoppen. Im vergangenen Jahr wurden nur 104 Taxilizenzen neu vergeben, während der Mietwagenmarkt kräftig weiter wuchs. McNamara stimmt dem zu: „Wir, das Taxigewerbe, befinden uns an einem Wendepunkt, aber wir leben schon seit Oliver Cromwells Zeiten – 1662 – hier, und wir werden so schnell nicht verschwinden“, sagte er, und fügt hinzu: „Mit der richtigen Unterstützung können wir die wichtige Rolle der Taxis als vollständig zugänglichen Teil des Londoner Verkehrsmix’ und als das beste und umweltfreundlichste Taxi der Welt festigen. Ohne diese Unterstützung steht unsere Branche jedoch vor sehr realen existenziellen Bedrohungen, die die politischen Entscheidungsträger nicht länger ignorieren können.“
McNamara ist mit dieser Meinung nicht allein. Antonia Jennings, Geschäftsführerin des Centre for London, warnte: „Taxis sind ein wesentlicher Bestandteil des Londoner Stadtbildes. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie [nur noch] Teil der Geschichte der Hauptstadt werden. Neben ihrem kulturellen Status bieten Taxis das, was die Londoner heute brauchen: zugängliche, bequeme und sichere Verkehrsmittel. Es ist schlicht undenkbar, dass die Londoner Taxis bis 2045 aussterben. Die Regierung muss die Taxibranche unterstützen und diesen Abwärtstrend umkehren, bevor es zu spät ist.“
Während des Interviews im Taxi House diskutierten wir viele dringende Themen, von denen keines im Aktionsplan von TfL wirklich behandelt wurde. Stattdessen bot der Plan viele Diskussionspunkte, keine umzusetzenden Maßnahmen, sondern nur viele Zahlen und Diagramme. Der freimütige Generalsekretär McNamara ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, und seine unmittelbare Schlussfolgerung war eindeutig: „Für uns ist völlig klar, dass die lizenzierten Londoner Taxifahrer allein in der Sache sind und es an uns liegt, die Langlebigkeit der legendären Londoner Black Cabs und ihren unverzichtbaren Service zu sichern.“
Was McNamara ärgert, ist, dass die im Plan genannten Herausforderungen nicht angegangen werden: „Obwohl die Probleme der Branche gegenüber TfL und dem Bürgermeister immer wieder betont werden, sehen wir statt Taten nur die gleichen leeren Versprechungen, mit uns zusammenzuarbeiten, uns zu beraten, zu fördern und Lobbyarbeit für Dinge zu leisten, die die Regierung bereits beschlossen hat – ohne konkrete Maßnahmen zur Unterstützung hart arbeitender Taxifahrer.“ Auch andere Taxiorganisationen, Unternehmen und der Fahrdienst Free Now, der in London vor allem Taxis vermittelt, zeigten sich enttäuscht. Das Hauptproblem: TfL ist auf Maßnahmen der Londoner Stadtverwaltung und der britischen Regierung angewiesen.
Welche Herausforderungen stehen dieser traditionsreichen Branche bevor? In London dürfen nur emissionsfreie Taxis zugelassen werden. Die Kosten für ein TX-E-Taxi sind seit 2017 um 40 Prozent gestiegen. Obwohl McNamara die Beschwerden der Branche hört, der LEVC TX sei „für das, was er ist, zu teuer“, vergleicht er das Fahrzeug – das einzige noch für Londoner Taxifahrer verfügbare E-Taxi (mit Range Extender), produziert von der Geely-Tochter LEVC – mit anderen Fahrzeugen auf dem Markt. „Ja, die Anschaffung ist teuer. Mit einem Kredit kommt man leicht auf über 100.000 Euro. Aber ein neuer Ford Transit kostet locker 75.000 Euro, ein elektrischer Audi oder Mercedes-Benz 90.000 Euro. Moderne Fahrzeuge sind nicht mehr billig.“

Ein optimistischer McNamara lehnt die Abschaffung des 7,62 Meter langen Wendekreises für Londoner Taxis ab: „Der enge Wendekreis ist wirklich praktisch, da wir immer häufiger unter Straßensperrungen leiden. Straßen werden zu Radwegen umgebaut und verkehrsberuhigte Zonen ausgebaut. Die meisten unserer Mitglieder möchten diese Vorgabe beibehalten.“ Sollte TfL beschließen, die Vorgabe abzuschaffen, würde LEVC TfL sicherlich verklagen, und die Abschaffung des Wendekreises würde sicherlich nicht vor 2030 erfolgen, meint McNamara. Er fügt den „ikonischen Look des Londoner Taxis“ als besonderes Merkmal hinzu: „Das Londoner Taxi ist sofort als eines der Wahrzeichen Londons erkennbar. Kein Wunder, dass so viele Menschen innerhalb und außerhalb der Taxibranche die Fahrzeuge sammeln. Es gibt riesige Fanclubs auf der ganzen Welt, die die Oldtimer-Taxis in einwandfreiem Zustand halten.“
McNamara besteht darauf, dass das Taxi seinen Wert behält: „Ein fünf Jahre alter LEVC TX hat immer noch einen Restwert von 77.700 Euro. Kaufen Sie einen neuen Ford, ist der in fünf Jahren nicht einmal mehr die Hälfte wert. Mercedes Vito-Taxis, die aufgrund ihrer Größe insbesondere für Flughafenfahrten nach wie vor beliebt sind und 2017 zugelassen wurden, haben noch fünf bis sechs Jahre Zeit, bevor sie gemäß der Zwölf-Jahres-Regelung aus dem Verkehr gezogen werden müssen.
Der Thinktank-Bericht hatte festgestellt, dass die Anforderung der Ortskunde „Knowledge of Londen“ (das „Wissen über London“) für Taxifahrer – ein Test, der so komplex ist, dass Wissenschaftler feststellten, dass er einen kleinen Teil des Gehirns der Fahrer verändert – ebenfalls abschreckend wirkt. Eine Branchenumfrage der Taxi-App Free Now ergab, dass mehr als die Hälfte der Kandidaten eine Ausbildung zum Taxifahrer aufgrund des langwierigen Prozesses – in der Regel drei Jahre oder länger – ausgeschlossen hatten. Fast ein Drittel hielt den Wissenstest für zu schwierig. Das Centre for London forderte TfL daher auf, die Prüfungsanforderungen zu reformieren, um mehr Fahrer zur Bewerbung und Qualifizierung zu ermutigen.
„Das Problem mit dem Knowledge-Test ist, dass er immer noch analog ist“, sagt McNamara. „Er basiert auf einer Karte, dem A bis Z von London. Aber die Welt hat sich weiterentwickelt, und ich bin sicher, dass dieses Kartenbuch seit 20 Jahren nicht mehr gesehen wurde.“ Anwärter, die ihre Routen überprüfen, fahren nach McNamaras Beobachtung bereits mit Laptops statt mit Karten auf ihren Mopeds herum. Der Test basiert auf dem Erlernen von 320 Routen aus dem „blauen Buch“, die sich alle in einem Umkreis von 10 km um den zentralen Bahnhof Charing Cross befinden, sowie aller Sehenswürdigkeiten und wichtige Adressen auf jeder Route. Der Kandidat muss dem Prüfer – während eines Live-Interviews mit einem ehemaligen Polizisten – jeweils die kürzeste Route nennen können.
Die Diskussion über den Knowledge-Test tobt seit mindestens zehn Jahren, wenn nicht sogar länger. McNamara ist der Meinung, dass der erste Teil des Tests computergestützt oder vielleicht über eine App abgewickelt werden sollte, wodurch die persönlichen Interviews auf einen späteren Zeitpunkt verschoben würden. „Die Leute sagen: ‚Die Kandidaten werden schummeln‘. Aber das wird sich später in den Interviews herausstellen“, sagt McNamara. Er schlägt außerdem vor, nicht nur die Teile Londons zu überprüfen, die jetzt im Knowledge-Test enthalten sind: „London hat sich stark verändert. Einige wichtige Teile der Stadt sind derzeit überhaupt nicht im Test enthalten.“
Ein weiterer wunder Punkt ist die Dauer des Knowledge-Tests: „Ich habe kürzlich ein Buch mit dem Titel ‚Taxi‘ von Maurice Levinson gelesen, das in den 60er Jahren geschrieben wurde. Er absolvierte das Knowledge-Programm in elf Monaten. Einer meiner Vorgänger schaffte es in 13 Monaten. Heutzutage kann man es in zwei Jahren absolvieren – in Vollzeit, wohlgemerkt. Teilzeit? In vier Jahren. London ist nicht größer geworden, aber das Straßennetz ist komplexer als früher, mit vielen verstopften Straßen und verkehrsberuhigten Vierteln.“
Ein Londoner Taxifahrer mit einer grünen Plakette um den Hals zu sein, hat einen gewissen Status. Londoner Taxifahrer halten sich für die besten der Welt. Aber zahlt sich dieser Status aus? McNamara: „Das ist die Frage, die uns immer wieder gestellt wird.“ Er nennt zwei Beispiele von Taxifahrern, die er kennt. Einer ist sehr erfolgreich, der andere durchschnittlich. „Je nach Arbeit und Stundenzahl – wir sind selbstständig – kann es ein wirklich lohnender Job sein.“ Er nennt als Beispiel einen mittleren Jahreslohn zwischen 47.800 und 59.700 Euro. Fahrer über der 101.000-Euro-Grenze sind in Großbritannien mehrwertsteuerpflichtig und müssen einen registrierten Buchhalter beschäftigen.
Die Corona-Krise habe die Taxibranche „völlig überfordert“, sagt McNamara. „Wir haben gerade viel zu tun, obwohl Nebensaison ist. Die Zahl der Fahrer ist weiterhin rückläufig, da viele ältere Fahrer während der Covid-Pandemie zunächst ihre Lizenz behielten, sie dann aber aufgeben mussten. Gleichzeitig stiegen die Versicherungskosten für diese Fahrer enorm. Die Taxikosten wurden zum Problem.“ Das Londoner Taxigewerbe bestand früher zu 65 Prozent aus selbstständigen Fahrern mit ihren eigenen Taxis und zu 35 Prozent aus sogenannten Taxi-Mietern. Heute sind es eher 45 bis 55 Prozent. Die Miete beträgt in der Regel etwa 430 Euro pro Woche zuzüglich Versicherung.
Und die Konkurrenz? „Uber ist nicht mehr spottbillig wie früher, als die Leute mit Uber fuhren, statt mit Bus oder U-Bahn zu fahren.“ Eine ganze Generation sei herangewachsen, die sich jetzt eher ein Taxi schnappt. „Oftmals sind wir gleich teuer oder manchmal sogar günstiger bei deutlich höherer Qualität. Uber sucht verzweifelt nach Taxifahrern. In der Uber-App sind kaum Taxis verfügbar. Manchmal sieht man ein „Geistertaxi“, das man aber nie buchen kann. Wenn es in der Uber-App für London 50 Taxis gibt, ist das viel. Ich glaube, Uber möchte Taxis für ihren Status haben, um sich als App einen guten Ruf zu verschaffen.“ Die Branche betrachte Uber-Fahrer eher als persona non grata.
„Taxi ist wertvoll.“ Diesen Slogan von Taxi Times unterstreicht auch McNamara. „Taxifahren in London ist der beste Job der Welt“, sagt McNamara. „Ich habe es geliebt, Taxi zu fahren. Man unterhält sich mit Leuten oder hört einen Podcast, wenn es ruhig ist. Wir können unsere eigenen Arbeitszeiten selbst bestimmen, denn wir können arbeiten, wann wir wollen. Und heutzutage gibt es dafür ein hochwertiges Taxi.“ Und abschließend eine positive Bemerkung: „Derzeit nehmen 800 Menschen am Knowledge-Programm teil – die Zahl steigt, obwohl es normalerweise 7.500 wären. Die Leute finden, dass es ein lohnender Job ist, Londoner Taxifahrer zu sein.“ wf
Fotos: Wim Faber
Ich finde es gut das diese außergewöhnlich guten Londoner Taxifahrer wertgeschätzt werden!Heutzutage wird leider meist nur auf billig geschaut und nicht auf Qualität.Diese Einstellung macht das Leben sehr anstrengend.