Den Tarifkorridor als digitale Revolution für das deutsche Taxigewerbe zu bezeichnen, ginge wohl zu weit, denn auch in München wird letztendlich nur mit Wasser gekocht. Trotzdem gibt es viel Positives – aber auch kritisches zu berichten. Ist es der Anfang vom Ende der analogen Zeit?
Thomas Kroker vom Landesverband Bayern konnte kurz vor Weihnachten auf der TMV-Mitgliederversammlung in Hannover vor allem viel Positives, aber auch Kritisches über das neue bayerische Vorzeigeprojekt berichten, welches vielleicht doch den Abschied der Branche aus der analogen Zeit zumindest einläuten könnte.
„Für Fahrten auf vorherige Bestellung können Festpreise bestimmt oder Regelungen über Mindest- und Höchstpreise getroffen werden, innerhalb derer das Beförderungsentgelt vor Fahrtantritt frei zu vereinbaren ist.“ Mit dieser Formulierung hatten die Macher der im August 2021 in Kraft getretenen Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) der bundesdeutschen Taxibranche eine Option zu öffnen versucht, mit der diese sich möglicherweise gegen konkurrierende Plattformanbieter behaupten könnte, ohne dass der Gesetzgeber selbst regulierend eingreifen muss.
Auch innerhalb des Gewerbes gab es zunächst Stimmen, die diesen nun optional möglichen Tarifkorridor zunächst als Teufelswerk brandmarkten. Allerdings erscheint er inzwischen in Verbindung mit einer Mindestpreisregelung für Mietwagen, die ebenfalls über die PBefG-Novelle ermöglicht wurde, als die einzige erfolgversprechende Strategie, mit der das Taxigewerbe trotz des engen gesetzlichen Rahmens vielleicht doch seinen angestammten Platz in der gewerblichen Fahrgastbeförderung gegen Uber & Co. behaupten kann. Die Mindestpreisregelung harrt bisher noch der ersten erfolgreichen praktischen Umsetzung (Taxi Times berichtete), aber der Tarifkorridor funktioniert schon mal, nämlich in der bayerischen Landeshauptstadt.
Zunächst sei man fast überrascht gewesen, mit welcher Energie die Genehmigungsbehörde der Landeshauptstadt München die Einführung eines Tarifkorridors noch vor dem Start des diesjährigen Oktoberfests verfolgt habe, berichtete Thomas Kroker, Vorstandsmitglied der Taxi München eG und Vorsitzender des Landesverbandes bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmer. Das Münchener Taxigewerbe habe sehr gut mitgezogen, und gemeinsam habe man das zuvor von dessen Machern ja nur theoretisch erdachte neue PBefG-Instrument letztendlich in Rekordzeit mit Leben füllen können.
Die Münchener Genehmigungsbehörde einigte sich mit den beiden führenden Münchener Gewerbevertretungen LV Bayern und Taxiverband München e. V. sowie den beiden Münchner Taxizentralen dann auf eine Ausgestaltung des Tarifkorridors, der Differenzen von minus fünf bis plus zwanzig Prozent zum kilometerbezogenen Fahrpreis zulässt. Ziel sei dabei gewesen, den im reinen Kilometerfahrpreis ja nicht berücksichtigten Wartezeitanteil tageszeitabhängig pauschalisieren zu können. Die beiden Münchener Großzentralen haben bei der Pauschalpreisermittlung jeweils ihre Statistikwerte der vergangenen Jahre zugrunde gelegt. Auf dieser Basis errechnen die beiden Zentralen daher nun auch leicht unterschiedliche Fahrpreise, die dem Grunde nach aber doch nur minimal differieren.
In der Praxis kann man jetzt allen Kunden in München und den drei Flughafen-Landkreisen, die per App oder telefonisch bestellen, für jede dieser Fahrten einen Pauschalpreis anbieten, falls bei der Bestellung neben der Startadresse auch das Fahrziel bekannt ist. Wo allerdings per Butler oder ohne Fahrzielangabe geordert wird, wie dies ja beispielsweise bei der Gastronomie oder für Hotels üblich ist, oder wenn oder das Fahrzeug direkt an der Straße gewinkt wird, gilt nach wie vor der Taxameter als alleiniger Maßstab zur Fahrpreisermittlung. Dies gilt natürlich auch, wenn sich Fahrtverlauf oder ‑ziel während der Auftragsabwicklung ändern. Bei kundenbedingten Zwischenstopps wird die dort ermittelte Wartezeit zum Pauschalpreis hinzu addiert.
Inzwischen werden ca. 15 Prozent des vermittelten Gesamtvolumens mit Pauschalpreisvereinbarung vermittelt. Bereinigt man diese Zahl aber um die Fahraufträge ohne Zielvorgabe oder auch solche, die aus anderen Gründen nicht pauschalpreisfähig sind, ergibt sich, dass inzwischen schon bei mehr als der Hälfte der Fahraufträge die Korridorlösung zum Einsatz kommt. Interessant ist laut Kroker, dass sich die durchschnittliche Gesprächszeit bei der Auftragsannahme durch die enthaltene Pauschalpreisabsprache nur unwesentlich verlängert habe. Diese läge derzeit im Durchschnitt bei einer Minute.
Es sei dabei zunächst nicht ganz einfach gewesen, alle Münchener Taxler von dem System zu überzeugen, berichtete Kroker, da dort vielfach die Sorge bestanden habe, ggf. auch unter Preis fahren zu müssen. Inzwischen habe man aber das Vertrauen der meisten Unternehmen gewinnen können. Auch hätten einige Kunden zunächst erwartet, auch direkt am Fahrzeug den Preis aushandeln zu dürfen, aber auch diese Anfangshürden konnten inzwischen vielfach überwunden werden. Besonders die Kundenakzeptanz nicht nur bei dem jungen, digital orientierten Publikum sei inzwischen enorm und mache den Münchener Tarifkorridor schon jetzt zu einem Erfolgskonzept.
Ergibt sich im Vergleich zum stets maßgeblichen Taxameter-Fahrpreis eine Differenz außerhalb des vorgegebenen Tarifkorridors, erhält der Unternehmer digital im Unternehmerportal seiner Taxizentrale im Übrigen eine Information über diese „Tarifüberschreitung“, damit er diese in jedem Einzelfall prüfen und Stellung beziehen könne. Damit erfüllt der geeichte Taxameter dann auch seine Funktion als geeichtes Messgerät zur Feststellung der gefahrenen Wegstrecke als Kontrollinstanz für die internetbasierte Fahrstreckenberechnung.
Ganz wichtig bei jeder Diskussion um die neue Pauschalpreislösung sei, so Kroker, im Übrigen die Definition der Begrifflichkeiten. Die von den Zentralen und den Apps rein fahrstreckenbasiert ermittelten Referenzpreise, die dann um einen tageszeitabhängig festgelegten prozentualen Aufschlag ergänzt würden, seien eben nicht identisch mit dem Taxameter-Fahrpreis. Im Umkehrschluss würde also beispielsweise ein Nachlass von fünf Prozent auf den rein kilometerbasierten Fahrpreis bei einer entsprechenden Pauschalpreisvereinbarung dann einen realen Nachlass von ca. 13 Prozent bewirken, wenn zusätzlich noch die verkehrsbedingte Wartezeit ihre Wirkung entfalte. Hier sei also große Vorsicht geboten.
Tatsächlich habe man inzwischen auch schon feststellen müssen, dass die vereinbarten 20 Prozent als Obergrenze nicht immer ausreichen. Kroker würde allen Nachahmern daher inzwischen mindestens 25 Prozent als Obergrenze empfehlen. Wichtig sei im Übrigen auch die Wahrnehmung aller Beteiligten, dass Pauschalpreisfahrten gemäß Tarifkorridor stets Teil des Tarifs seien und daher keiner Sondervereinbarung bedürfen. Als möglichen Fahrplan zur Umsetzung weiterer Korridore auch in anderen Teilen der Republik stellte Kroker folgende fünf Schritte in den Raum, die alle ihre eigenen Tücken in sich trügen:
Zunächst müsse eine geeignete Software zur Pauschalpreisermittlung beschafft werden. Dann müsse die Vermittlungssoftware erweitert werden, damit sie die vereinbarten Pauschalpreise auch mit übermitteln könne. Zusätzlich müssten auch die lokal verfügbaren Apps in das System eingebunden werden. Im nächsten Schritt müssten dann die Kunden klar informiert werden, auch um Missverständnisse mit den Taxilenkern auf der Straße zu vermeiden. Und zu guter Letzt bedürfe es einer guten Personalschulung in den Taxi-Unternehmen sowie in den Callcentern der Zentralen. Ein solches Projekt lasse sich also nicht ohne intensive Vorbereitung realisieren.
Ergänzend zu Krokers Vortrag berichtete der neue bayerische Verbandsgeschäftsführer Christian Linz von Plänen für einen Frankentarif, der möglicherweise bald für den Großraum Nürnberg, Erlangen und Bamberg als Korridormodell umgesetzt werden solle. In Sachen Zukunft für das Gewerbe richten sich somit derzeit alle Augen nach Bayern und so hat zumindest deren Landeshauptstadt etwas von dem Vorsprung aufgeholt, den sich der Stadtstaat Hamburg in den vergangenen Jahren als vermeintliche Speerspitze des Gewerbes erobert hatte, und hat nun nicht nur den besten Taxi- und Mietwagen-Kontrolldienst, sondern ist auch bei Korridor und Mindestpreis bundesweit ganz vorne dabei. rw
Beitragsbild: Collage Remmer Witte
Die 15% werden allerdings nur erreicht, weil dem Kunden während des Bestellvorganges der Festpreis zuerst angeboten wird. Das geschieht etwa so, wie bei einer Freenow-Taxibestellung dem Kunden zunächst der Preis für eine günstigere Mietwagen-Bestellung angezeigt wird. Dennoch halte ich den Taxi Festpreis für notwendig.