Trotz bemerkenswerter Erfolge Berlins im Kampf gegen illegale Mietwagen werden sich auch Taxler der Hauptstadt am nationalen Aktionstag TAXI beteiligen. Der Protest richtet sich gegen das Zögern bei der Einführung von Mindestbeförderungsentgelten.
Das Verhältnis des Taxigewerbes der Bundeshauptstadt zu ihrer Verkehrssenatorin ist derzeit ein gutes, doch wenn am kommenden Mittwoch in vielen Städten Deutschlands Taxidemos stattfinden (in Frankfurt am Main bereits am Dienstag), wird Berlin wohl dennoch die Stadt mit den meisten Teilnehmern sein. Dort werden die Kollegen sich zum einen vom Olympischen Platz in Westend aus, zum anderen von der Mühlenstraße in Friedrichshain aus auf den Weg zur Kundgebung am Brandenburger Tor machen, wo sie zusammentreffen und nochmals lautstark ihre Kernforderung ausrufen werden: Eine sofortige Einführung von Mindestbeförderungsentgelten (MBE) für Mietwagen.
Die Bereitschaft zur Einführung hat der Berliner Senat schon länger in der Pipeline, aber bis zur endgültigen Umsetzung wird die Taxibranche wieder und wieder vertröstet. Dies wurde auch bei der Jubiläumsfeier der Berliner Taxi-„Innung“ deutlich, bei der die zuständige Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) viel Wertschätzung gegenüber der Taxibranche zum Ausdruck brachte, zum Thema MBE aber keine Aussagen tätigte. Das Wort Mindestbeförderungsentgelte kam in Bondes Redemanuskript nicht vor. Dabei hatte der Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses bereits am 29. Januar einen dringlichen Antrag der Berliner Koalitionsfraktionen, denen die Verkehrssenatorin (CDU) und der auf der Feier anwesende und mit großem Applaus bedachte Tino Schopf (SPD) angehören, zur baldigen Einführung von Mindestfahrpreisen, einstimmig angenommen. Die Linke und die AfD hatten sogar für eine Beschleunigung plädiert. Doch trotz Zuspruchs zweier Juristen, darunter der zur Anhörung geladene Experte Herwig Kollar, Präsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM), hatte Bonde die Erwartungen gebremst und stoisch darauf verwiesen, dass man die Sache eingehend juristisch prüfen müsse, um eine rechtssichere Regelung auf den Weg zu bringen. Diese Prüfung, die bereits von Bondes Vorgängerin Manja Schreiner auf den Weg gebracht worden war, zieht sich nun bereits über viele Monate hin.
Auf Anfrage von Taxi Times, wann man denn nun mit einer Einführung der Mindestbeförderungsentgelte für Mietwagen rechnen dürfe, verwies Bonde kürzlich erneut auf die Notwendigkeit der eingehenden Prüfung, um die Sache rechtssicher hinzubekommen. Genaueres mochte sie nicht sagen. Von Seiten ihrer Pressesprecherin erfuhr die „Berliner Zeitung“, es werde weiterhin an dem heiklen Thema gearbeitet, und man werde dabei „sehr aufmerksam von der Plattformwirtschaft beobachtet“. Insofern bitte man um Verständnis, dass einzelne Prüfschritte und Zwischenergebnisse nicht nach außen kommuniziert werden.
Das Verständnis dafür mag man noch entgegenbringen, doch der Branche bleibt keine Zeit mehr für weitere Verzögerungen. Jeder Tag länger, an dem die Plattformbetreiber mit Dumpingpreisen agieren, treibt die Taxiunternehmen weiter in die Pleite. Deshalb wird es in Berlin am Mittwoch besonders laut werden.

Das bedeutet nicht, dass Berlins Taxifahrer und ‑unternehmer generell mit ihrer Senatsverwaltung unzufrieden sind. Die Wertschätzung füreinander ist groß, das wurde bei der 125-Jahr-Feier der „Innung“ des Berliner Taxigewerbes e. V. am 13. Juni deutlich. Dorthin hatte Ute Bonde viel Zeit für Gespräche mitgebracht, die sowohl ernst als auch heiter ausfielen und auf Augenhöhe stattfanden. Auch widmete sie den Memorabilien des Verbandes und dem Bildband des Fotografen Klaus Einwanger, der ihr und Staatssekretär Dr. Severin Fischer je ein persönliches Exemplar überreichte, mehr als nur kurze Aufmerksamkeit.
Der Besuch einer Jubiläumsfeier eines alteingesessenen Branchenverbandes zählt wohl zu den eher angenehmeren Pflichten eines Landesministers, besonders, wenn der Berufsstand mit dessen Arbeit tendentiell zufrieden ist und womöglich auch noch Hoffnung in die politischen Entscheidungen des Volksvertreters setzt. Entsprechend war die Stimmung auf der Jubiläumsfeier trotz höchst angespannter wirtschaftlicher Situation relativ gut und gelassen.

In ihrer Rede würdigte die Senatorin den Berufsstand: Die Berliner Taxifahrer seien in glücklichen und unglücklichen Zeiten immer für die Berliner und die Besucher der Stadt da gewesen, sie kutschierten und kutschieren Kaiser, Könige, Kanzler und Kleingärtner, wüssten, wo die schönsten Ecken Berlins sind, wo man auch nachts eine Currywurst bekomme und welche Straßen man aktuell besser meide, um der nächsten Demo zu entgehen. In 125 Jahren habe sich „natürlich einiges grundlegend geändert: Früher rief man eine Droschke mit einem eleganten Winken, heute tippt und wischt man dafür auf dem Smartphone herum.“ Früher hätten Pferdestärken im wahrsten Sinne des Wortes für den Antrieb gesorgt, heute setzten viele Unternehmer bereits auf E-Taxis und die Pferde seien im Ruhestand.
Nicht geändert habe sich dagegen „Ihre Rolle als verlässliche Mobilitätsdienstleister der Berlinerinnen und Berliner. Ob bei Regen oder Sonnenschein, ob zur Hochzeit, ins Krankenhaus oder zum Friedhof, ob für den großen Auftritt oder die ganz kleine Heimfahrt: Sie sind da! Zuverlässig und – ich schränke es ein bisschen ein – fast immer auch freundlich [Lächeln bei den Zuhörern]. Dafür möchte ich Ihnen heute von Herzen danken. Sie als Taxifahrerinnen und Taxifahrer sichern einen wichtigen Teil der Mobilität in Berlin; Sie sind Teil der Daseinsvorsorge.
Natürlich sind die Zeiten nicht immer einfach. Ihr Gewerbe steht seit Jahren unter strukturellem Druck durch Angebotsüberschuss, den Rückgang des Fahrgastaufkommens in Folge der Tegel-Schließung, der pandemiebedingten Veränderungen bei Geschäftsreisen und Tourismus, Homeoffice-Trend, Inflation und alternative Mobilitätsangebote wie ÖPNV, E-Scooter und Carsharing. Die massive Konkurrenz durch App-basierte Mietwagenangebote bereitet Ihnen seit Jahren Sorgen, derer ich mich annehme, angenommen habe und auch weiter annehmen werde [zurückhaltender Beifall].
Andererseits bringt die Digitalisierung natürlich auch Chancen. Fest steht jedenfalls: Klimaschutz und Verkehrswende fordern von uns allen Veränderung. Ich weiß, manchmal hat man das Gefühl, der Fahrgast ist noch nicht mal angeschnallt, da kommt schon die nächste neue Verordnung um die Ecke: Emissionsfreie Flotten – dafür gibt es Förderprogramme. Faire Wettbewerbsbedingungen – dafür setzen wir uns gemeinsam ein. Digitale Lösungen – ja, denn auch in Sachen Mobilität gilt: Man muss immer mit der Zeit gehen – oder eben fahren, besonders mit dem Taxi.
Meine Verwaltung und das LABO – und an dieser Stelle möchte ich auch den Abgeordneten der SPD im Abgeordnetenhaus, Tino Schopf besonders erwähnen, weil er sich auch sehr dafür starkgemacht hat [Beifall] – also meine Verwaltung, Tino Schopf und das LABO haben schon aufgeräumt und jeden Stein umgedreht, um nicht genehmigte Mietwagen vom Berliner Markt zu nehmen. Wir wissen, dass Ausweichmöglichkeiten gesucht werden und auch gefunden werden, denn Berlin ist eine Insel in Brandenburg und wir haben ganz viele benachbarte Landkreise. Aber gehen Sie bitte davon aus, dass wir dadurch in unserem Engagement zur Durchsetzung von Recht und Ordnung nicht ausgebremst werden – im Gegenteil: Wir sprechen natürlich mit den Landkreisen. Erst diese Woche habe ich mit dem Landrat Herzberger [aus dem Landkreis Dahme-Spreewald (LDS)] gesprochen, der auch am Flughafen zuständig ist. Er hat dann auch zugesichert, dass er mit den benachbarten Landkreisen nochmal spricht; wir haben uns an die Landkreise gewandt, an alle Landkreise. Ich habe mich an den Minister von Brandenburg [Infrastrukturminister Detlef Tabbert, BSW] gewandt, und wir haben eine hochrangig besetze ‚Arbeitsgemeinschaft Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit im Taxi- und Mietwagengewerbe’ ins Leben gerufen, und diese hat sich etabliert und befasst sich mit den illegalen Marktstrukturen. Und natürlich geben wir den benachbarten Landkreisen nicht nur Hinweise, sondern wir geben ihnen Unterstützung in dem, wie sie gegen dieses illegale Gewerbe jetzt auch vorgehen können, weil wir bei uns aufgeräumt haben – und ich glaube, wir sind damit jetzt deutschlandweit jetzt schon in einen sehr guten Ruf gekommen, weil eben auch andere Länder, andere Kommunen bei uns nachfragen und anfragen: Wie habt ihr das gemacht, was habt ihr gemacht und welche Strukturen habt ihr aufgebaut?

Jetzt aber nochmal zu Ihnen im Besondern: Sie können stolz sein. 125 Jahre Berliner Taxi-Innung, das sind 125 Jahre Unternehmergeist, Zusammenhalt, Stadtgeschichte und persönliches Engagement. Ich habe gerade gehört, dass es auch eine Stiftung als Verein gibt, der sich auch in schwierigen Situationen für die Kolleginnen und Kollegen einsetzt, wenn beispielsweise die Beerdigung nicht finanziert werden kann, dass dann auch die Finanzierung einer Beerdigung entsprechend unterstützt wird: Der Gustav-Hartmann-Unterstützungsverein [Beifall]. Und das ist natürlich ein nicht nur berufliches, sondern ein gesellschaftliches Engagement, was absolute Vorbildfunktion hat. Dafür auch ganz herzlichen Dank! Berlin wäre ohne seine Taxis nicht die Stadt, die wir alle lieben, und Sie tragen dazu jeden Tag bei. Also lassen Sie uns anstoßen auf die letzten 125 Jahre und noch viel mehr auf die nächsten 125 Jahre! Vielen Dank nochmal! Ihnen [an Detlef Slupinski gewandt] auch als Gastgeber ganz ganz herzlichen Dank – auch ein großartiges gesellschaftliches Engagement, und ich wünsche Ihnen allen allzeit gute Fahrt!“ jh / ar
Beitragsbild: Taxis vor dem Brandenburger Tor im Februar 2021
Fotos: Axel Rühle