Was in München und Wien funktioniert, wollen Taxigewerbe und Senat nun auch zügig in Berlin einführen: einen Tarifkorridor mit Festpreisen. In Berlin sollen bis zu 20 Prozent nach oben und unten möglich sein.
Nachdem die Berliner Gewerbevertretungen noch vor zwei Jahren trotz Willensbekundungen aus dem Senat mit ihren Vorschlägen zu Festpreiszonen auf Granit bissen – seit August 2021 bietet das novellierte Personenbeförderungsgesetz (PBefG) solche Optionen –, ist mit der jetzigen Verkehrssenatorin Dr. Manja Schreiner und dem neuen Vorsitzenden des Landesverbandes Taxi Deutschland Berlin, Hermann Waldner, eine konkrete Planung für einen Tarifkorridor für (vor-)bestellte Taxifahrten auf den Weg gebracht worden.
Auch in Berlin soll es demnach künftig möglich sein, dass die Zentrale bzw. der Vermittler einer Taxifahrt, die „telefonisch oder auf andere Art“ bestellt wird, dem Kunden einen verbindlichen Festpreis nennt, der nicht mehr verändert werden kann, solange der Fahrgast seinerseits keine Änderungen wie etwa eine Fahrtunterbrechung oder einen Wechsel des Fahrziels vornimmt. Bei Umleitungen oder verkehrsbedingten Wartezeiten von einer Minute erbringen Taxifahrer und ‑unternehmer dann unter dem Strich eine Mehrleistung, die sich nicht mehr im Taxameterpreis niederschlägt. Zum Ausgleich kann der Festpreis, der vor der Fahrt berechnet wird, um bis zu 20 Prozent oberhalb des zu erwartenden Taxameterpreis liegen.
Wenn die Verhandlungen zwischen dem Senat und den im Anhörungsverfahren befindlichen Landesverbänden zeitnah zu einer konkreten Einigung führen, könnte der Tarifkorridor bereits Anfang 2024 Einzug in den Berliner Taxitarif halten, wie Hermann Waldner sagte.
Auch die „Berliner Zeitung“ hat sich dem Thema ausführlich gewidmet. Sie zitiert Constanze Siedenburg, die Sprecherin der Verkehrssenatorin: „Die Senatsverwaltung hat in diesem Sommer mit Gewerbevertretungen bei der Industrie- und Handelskammer zu Berlin einen Austausch zu Festpreisen angeregt. Uns liegt nunmehr ein Antrag aus dem Taxigewerbe vor, der sich konzeptionell am Münchner Modell orientiert, das zum 1. September 2023 in Kraft getreten ist. Der konkrete Abstimmungsprozess läuft. Mit den Verbänden wurde vereinbart, dass hieran prioritär gearbeitet wird.“
In München ist der Tarifkorridor zum 1. September eingeführt worden und wird bislang gut angenommen. Auch der Vorsitzende des Taxiverbandes Bayern, Florian Bachmann, wird zitiert: „Es ist sehr schön, dass Berlin dem Münchener Beispiel folgen möchte. Bei uns in München wird dem Fahrgast, wenn er den Festpreis wünscht und die Zieladresse angibt, der Preis nach der kürzesten Strecke berechnet, zuzüglich der Einschaltgebühr.“
Der Spielraum innerhalb des Korridors ist laut Bachmann „dafür gedacht, dass der Fahrer bei extremen Verkehrsverhältnissen wie Schnee oder Eis dennoch sein Geld verdienen kann.“ Umgekehrt könne nachts, wenn viele Ampeln ausgeschaltet sind, Wartezeit gespart werden. Deshalb ermögliche der Tarifkorridor auch eine Abweichung nach unten.
Den Preis bereits vor Antritt der Fahrt zu wissen, ist laut Bachmann einer der größten Kundenwünsche. Er ist daher froh, dies in München seit letztem Monat anbieten zu können. Zwar hätten Taxiunternehmer aktuell auch Nachteile, weil sie für die Fahrten nicht immer den eigentlichen Preis erhalten, doch komme auch von deren Seite „Unterstützung, weil man hofft, das durch mehr Aufträge wieder auszugleichen“, erläutert Bachmann. Ob die Akzeptanz von Dauer ist, werde sich zeigen. Möglicherweise müsse bei den Taxitarifen nachgesteuert werden, zitiert die „Berliner Zeitung“ Bachmann.
Nicht nur aus Behördensicht sind Festpreise im Rahmen eines Tarifkorridors wünschenswert. Das Taxigewerbe sieht im Tarifkorridor die Möglichkeit, einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der unlauteren Konkurrenz abzuschaffen: Die Mietwagen-Plattformen, die im Unterschied zum Taxigewerbe nur eine einzige Bestellmöglichkeit – die App – bieten und keiner Tarifpflicht unterliegen, bieten schon seit ihrem Markteintritt Vorab-Festpreise an, die der jeweilige Algorithmus nach Kriterien festlegt, die für die Kundschaft zwar in der Regel völlig intransparent sind, aber dennoch einen entscheidenden Vorteil in Form von Preissicherheit bieten.
Einen ortsunabhängigen Festpreis, wie es ihn seit Jahren in Hamburg für längere Fahrten gibt, hat Berlin bereits seit Jahrzehnten für Kurzstrecken im Tarif: Wer maximal zwei Kilometer fährt, zahlt auf Anfrage pauschal sechs Euro. Das ist im Unterschied zu München allerdings nicht bei vorbestellten Fahrten möglich, sondern ausschließlich bei Heranwinken eines Taxis auf der Straße – für Reiseketten daher irrelevant.
Die Taxibranche hofft, damit Kunden zurückgewinnen zu können und neue Fahrgäste anzulocken. In Berlin sind heute mehr Mietwagen als Taxis unterwegs und dominieren vor allem abends und nachts das Geschäft. Hermann Waldner bezeichnet die Situation als katastrophal. Man könne beobachten, wie es jeden Tag weiter nach unten geht. Obwohl durch Studien belegt ist, dass die Mietwagenanbieter unter den derzeitigen Bedingungen nicht wirtschaftlich arbeiten können, liegen deren Fahrpreise oft deutlich unter den Taxitarifen – in Berlin bis zu 60 Prozent, wie Waldner beklagt. Das ist kein Gewinngeschäft und nur mit finanzstarken Sonsoren, Steuerhinterziehung und Sozialbetrug möglich. Uber & Co. streiten das noch immer ab.
Noch wichtiger als ein Tarifkorridor sind aus Waldners Sicht aber nach wie vor Mindesttarife für Mietwagen. Auch dafür setzen sich die Taxiverbände in Deutschland vehement ein, wie zuletzt in Köln erneut sichtbar wurde. ar
Beitragsbild: So könnte es künftig auf der taxi.eu-App aussehen. Fotomontage: Axel Rühle
Soll das jetzt „nur“ eine Erweiterung des bestehenden Tarifs um eine Festpreisoption werden oder sollen auch die Tarifdaten geändert und damit eine Neuprogrammierung der Taxameter nötig werden?
Das wird zunächst nur eine Erweiterung des bestehenden Tarifs, d. h. Grund- und Kilometerpreise usw. bleiben unverändert, und die Festpreisoption kommt hinzu. Nur so ist es möglich, die Änderung zeitnah umzusetzen. Würde man im Zuge dessen auch eine Änderung des Tarifs anstreben, so würde das Verfahren aufgrund der üblichen bürokratischen Vorgänge wesentlich länger dauern. Leider ist dazu dennoch eine Umprogrammierung der Taxameter nötig, da die Festpreise im Fahrpreisanzeiger gedrückt werden müssen. Die Gewerbevertreter, mit denen wir gesprochen haben, gehen aber davon aus, dass die Inveestition sich mehr als auszahlen wird.
Die praktische Seite ist mir auch nicht so ganz klar.
Wird dann im Falle des Falles der (wie denn nun genau berechnete?) Festpreis irgendwie (wie???) ins Taxameter eingetippt oder lässt man die Uhr so lange laufen bis „das Preisziel“ erreicht ist?
(Was bei den 25,80 aus dem Beispielbild schon mal nicht funktioniert, da das Taxameter in ungeraden 20-cent-Schritten zählt).
Und wenn der Festpreis höher angesetzt als der Tarif und man bei 2 Euro weniger schon am Ziel ist? Ist der Rest dann Trinkeld, oder muss man der Firma dann mitteilen, dass man 2 Euro „nicht vom Taxameter erfasste Einnahmen“ hatte? Sind diese dann auch noch mit 7% zu versteuern oder mit 19%, da ja für zwei Euro keine Personenbeförderung mehr stattgefunden hat?
Und wie erklärt man dem Fahrgast, dass er ohne den Festpreis günstiger gefahren wäre, oder kassiert man dann doch „nur“ was auf der Uhr steht?
—- Ok, zu kompliziert.
Also Taxameterwerkstatt (60 Euro) und Eichamt (100 Euro): und dann?
Ich kann die 4 Tasten des Taxameters dazu bringen (mit ein bisschen Übung) einen bestimmten Preis einzugeben – fertig.
Fertig? Der Fahrgast möchte eine Fahrtunterbrechung oder ein anderes Fahrziel; wie sage ich es meinem Taxameter?
Der Fahrgast steigt an der Halte ein, winkt oder was auch immer, er hat nicht bestellt, will aber partout einen Festpreis – „Oops, diese Option haben sie leider nur, wenn Sie ein Taxi bestellen“ (Fahrer überreicht Fahrgast ca. 10 Visitenkarten mit Nummern und QR-Codes) Fahrgast: „Ja wie, soll ich jetzt irgendwo anrufen damit Sie mich fahren?“
…. Der Einfachheit halber (auf die Diskussionen ist ja nun wohl niemand scharf), schätze ich, geht die Sache in den meisten Fällen dann wohl ohne Taxameter oder mit irgendwann vorher ausgeschalteter Uhr über die Bühne…
Und das in Zeiten von TSE und überhaupt…
Überhaupt lässt mich der Gedanke nicht los, dass diese Festpreisgeschichte nur ein Herumdoktern an Symptomen ist. Ein Versuch eben, ob dann „alles besser“ wird.
Ich zweifle daran, lasse mich aber gerne eines besseren belehren.
Ohne gleichzeitige Mindestpreise, für taxispielende Mietwagen, die nicht unter dem Taxitarif liegen dürfen, auch nicht mit Rabattaktionen (!) kann man sich das ganze Theater aber wirklich sparen denke ich.
Habe ich nicht neulich irgendwo hier in der Taxi Times gelesen, dass das Labo für zukünftige (!) Mietwagenkonzessionen einen Datenabgleich mit den Plattformen machen will um die Vermittlung an nicht konzessionierte Wagen zu unterbinden? Warum nicht einfach an UberBoltFreeNow die Liste der bestehenden Konzessionen rüberfunken und gut is‘? Achja kann man ja eh nicht kontrollieren? Und warum läßt man eigentlich Herrn Mohnke machen was er macht?
Ach. Fragen über Fragen… im Ergebnis sind wir hier in Berlin nicht einen Schritt weiter als 2018…
Der Bedarf an Beförderung scheint mir wieder auf vor-Corona-Niveau angekommen, es gibt aber zu viele Fahrzeuge. Festpreise werden das nicht ändern. Eine strikte Umsetzung des PBefG und entsprechendes Engagement des LABO schon eher… eine angemessene Zahl an Taxen, Mietwagen nur zu den Zwecken die üblicherweise einer Mietwagenkonzession bedürfen (plus Vorbestellfrist möglicherweise) und man könnte wahrscheinlich den Taxitarif sogar auf die letzte Version senken.
Ach ja, und was war das kürzlich mit dem IHK-Mitarbeiter, der gegen Geld bei den Unternehmerprüfungen nachgeholfen hat? (Leider ein Artikel nur für Abonnenten der Berliner Morgenpost, was war da los?)
einfach Toll geschrieben !!!!!! so sind auch meine Gedanken… weiter so….
Sorry, aber Uber und Co. versucht Zeit zu gewinnen und der Einfluss auf die Behörden beziehungsweise auf die Verkehr. Senatorin ist einfach zu groß, dass sie etwas dagegen machen können. Das Taxi Gewerbe ist verloren, daran ändert auch ein Tarifkorridor nichts. wenn man bedenkt, wie viel Steuereinnahmen durch die illegalen Machenschaften von Uber und und dem Berliner Stadtstaat verloren gehen, dann könnte man doch denken, dass es politisch so gewollt ist. Ne andere logische Erklärung gibt es nicht, die haben einfach zu viel Geld. Sorry.
Danke für Ihre Einschätzung, die wir aber so nicht teilen wollen. Das Taxigewerbe ist nur dann verloren, wenn es keine Energie mehr aufbringt, an einer Weiterentwicklung zu arbeiten und Dinge zu verbessern.
Konkrete Kritik auf der Basis der Kundenbeschwerden und entsprechende detaillierte Verbesserungsvorschläge werden leider von dem obersten gewerbevertreter als „schlecht reden über seine Zentrale“ abgelehnt und übergangen…
„Noch wichtiger als ein Tarifkorridor sind aus Waldners Sicht aber nach wie vor Mindesttarife für Mietwagen. Auch dafür setzen sich die Taxiverbände in Deutschland vehement ein…“ – ein tarifkorridor nützt überhaupt nichts, wenn der angegebene Festpreis deutlich höher liegt als der von uber & co! viel wichtiger ist in der Tat ein mindesttarif für Mietwägen! der muss durchgedrückt werden! und da hilft anscheinend auch keine Hinterzimmer-Diplomatie von sogenannten gewerbevertretern, die nicht zugeben wollen, dass auch im Taxigewerbe kein Unternehmer mit den derzeit erzielbaren umsätzen ehrlich den Mindestlohn bezahlen kann…! das wäre ja „Nestbeschmutzung“… wenn sich das Taxi Gewerbe aber nicht ehrlich macht, dann kann es auch nicht mit realistischen Zahlen erklären, um wie viel drastischer die Ausbeutung der Fahrer im mietwagensektor ausfällt, und wie man selber durch die neue Konkurrenz mit einem Bein ins Gefängnis gedrängt worden ist. – ich fürchte, die Taxifahrer selber, und vielleicht noch die sogenannten selbstfahrenden Unternehmer ohne Angestellte müssen hier mal an die Öffentlichkeit gehen, um dort die schmutzige Wäsche zu waschen und um laut und unmissverständlich, und das heißt zur Not auch mit Streik und Blockaden, die gerechten, eigenen sozialen Forderungen darzustellen!
PS: konkret: wie soll ein Taxiunternehmer mit dem derzeit erzielbaren Umsatz pro Stunde von ca. 16,20 € (Zahlen laut fiskaltaxameter-Server) Lohnkosten von 15 € ca. ( 12 € plus Arbeitgeberanteil) bezahlen, ohne zeitnah Pleite zu gehen ?? ein Taxifahrer bekommt in einem halbwegs fairen Unternehmen 50% vom Umsatz, was den Bruttolohn ergibt, bzw 40% als Nettolohn. soviel zum realen Verdienst pro Stunde. und uber und Co haben bis zu ca 30% Mehrkosten (höhere Provision, höhere Mehrwertsteuer), die natürlich aus der Tasche des Fahrers geholt werden. „moderne sklaventreiberei“ – wie ein ehrlicher uber-fahrer das mal im Gespräch nannte…