Ein Oberlandesgericht stellt die legale Nutzung der vielfach verwendeten Liegen in Frage. Ein Verband wertet das Urteil jedoch als Einzelfall.
In einer Pressemitteilung weist der Verband des gewerblichen Straßenpersonenverkehrs Nordrhein-Westfalen VSPV e. V. auf ein aktuelles Urteil des Oberlandesgericht Hamm aus Nordrhein-Westfalen hin, welches die gängige Praxis vieler Mietwagenunternehmen für illegal hält, die auch Liegendtransporte, sogenannte „unqualifizierte Krankentransporte“, durchführen. Besonders perfide ist dabei, dass das Urteil nicht die Durchführung ansich, sondern viel mehr die Verwendung der vielfach dafür genutzten Ausrüstung in Frage stellt. Damit macht das Urteil es den betroffenen Unternehmen erheblich schwerer, auf diese Entscheidung zu reagieren.
Der VSPV ist die Berufsvertretung aller im privaten Straßenpersonenverkehrsgewerbe tätigen Unternehmer – Taxi-, Mietwagen-, Omnibus- sowie Krankentransport- und Notfallrettungsdienstunternehmer – in Nordrhein-Westfalen und ist nach eigenen Angaben im Bereich Krankentransport- und Notfallrettungsdienst auch bundesweit tätig.
Auslöser des Rechtsstreits, dessen Ergebnis Mietwagenunternehmen, die Liegendtransporte durchführen, in Aufregung versetzt hat, war ein Anbieter aus dem Rettungsdienst, welcher vor Gericht generell die Legitimation von Mietwagen anzweifelte, solche Transporte überhaupt durchzuführen. Juristisches Mittel der Wahl war dabei das Wettbewerbsrecht, welches Nachteile für den Anbieter aus dem Rettungsdienst feststellen sollte, weil dieser im Unterschied zu den Mietwagenbetreibern höhere Auflagen erfüllen müsse, um die gleichen Aufträge erfüllen zu können. Er führte dabei ins Feld, dass die Genehmigung bestimmter Liegen Bestimmungen beinhalte, dass diese in KTW (Krankentransportwagen) und RTW (Rettungstransportwagen) nur dann eingesetzt werden dürften, wenn dafür minimal zwei besonders qualifizierte Mitarbeiter*innen mit an Bord seien. Solche Liegen gemäß DIN EN 1865 sind aber gemäß einer Satzung des Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2002 (und auch gemäß den Vorgaben anderer Bundesländer) die einzigen, die auch im unqualifizierten Liegendtransport mit Mietwagen überhaupt eingesetzt werden dürfen.
Das OLG Hamm schloss in der Folge den Einsatz eben dieser Liegen im unqualifizierten Krankentransport mit Mietwagen für den Fall aus, dass keine entsprechende Betreuung sichergestellt ist. Die einzig zulässigen Liegen sind somit dann ausgeschlossen, wenn neben den Fahrgästen lediglich unqualifiziertes Fahrpersonal zur Fahrgastbetreuung eingesetzt wird. In diesem Sinne gab das OLG dem Rettungsdienst Recht und verurteilte das beklagte Mietwagenunternehmen auf Unterlassung.
Im juristischen Detail liegt die Ungenauigkeit des OLG nach Einschätzung des VSPV in der Tatsache, dass sich die fragliche DIN-Norm explizit auf die Nutzung der Liegen im qualifizierten Krankentransport bezieht und dort auch explizit Teil der rechtlichen Basis für die Genehmigung für den Betrieb solcher Verkehre ist. Die Vorgaben der Bundesländer an den unqualifizierten Krankentransport lehnen sich nach Einschätzung des VSPV dementgegen lediglich an diese Norm an. Aus diesem Grunde wertet der Verband die Entscheidung des OLG als Einzelfallentscheidung.
Eine juristische Spitzfindigkeit setzt hier also eine vorangegangene juristische Spitzfindigkeit schachmatt. Dies wird bei den betroffenen Unternehmen und Genehmigungsbehörden allerdings wohl nur Fragezeichen auf die Stirn rufen. Schon hilfreicher ist da eine gemäß VSPV vorliegende Stellungnahme des nordrhein-westfälischen Verkehrsministeriums, welche in Bezug auf das Urteil des OLG Hamm feststellt, es werde „weder aus zulassungsrechtlicher noch aus personenbeförderungsrechtlicher Sicht ein Genehmigungsentzug durch die Straßenverkehrsämter für erforderlich gehalten. Inwieweit die Liegen als Medizinprodukt bei abweichenden Festlegungen in den Bedienungsanleitungen tatsächlich genutzt werden dürfen, kann von hier aus allerdings nicht beurteilt werden.“
Weitere Schützenhilfe erhofft sich VSPV-Geschäftsführer Jörg Beer auch von den Krankenkassen: „Bei einer Million Fahrten pro Jahr, die statt im Liegemietwagen mit dem qualifizierten Rettungsdienst durchgeführt würden, käme auf die ohnehin sehr belasteten Gesetzlichen Krankenkassen allein in Nordrhein-Westfalen eine Mehrbelastung im dreistelligen Millionenbereich zu.“ Zudem würde es zu schwerwiegenden Versorgungsengpässen bei der Beförderung von liegenden Patienten kommen, da keine ausreichenden Kapazitäten vorhanden seien, um die bisher im Liegemietwagen beförderten Personen im Rahmen des qualifizieren Krankentransports zu befördern. „Ein tödliches Versorgungsdesaster droht, sollte der Liegemietwagen rechtlich nicht mehr genehmigungsfähig und einsetzbar bleiben“, sekundiert sein Geschäftsführerkollege Sascha Waltemate.
Der VSPV stellt das erstinstanzliche Urteil des LG Bochum und die aktuelle Entscheidung des OLG Hamm Interessierten zur Verfügung. rw
Beitragsfoto: Waldspurger Fahrzeugbau
Der hier gestartete Streit „Das ist aber mein Feuer/Patient“ ist vor Jahrzehnten (1992) geklärt worden. Im PBefG steht eine recht klare Definition, in den Rettungsgesetzen der Länder ebenfalls. Die Grenze ist längst gezogen. Konkretisiert wurde dies durch das „Gutachten Gorgaß“, das die Unterschiede zwischen Krankentransport und Krankenfahrten detailliert aufzählt. Dazu kommen die Stellungnahmen der Bundesärztekammer und der Bayerischen Staatsregierung sowie Entscheidungen des EuGH.
Der Streit beruht doch auf „Dollarstress“: Namhafte LMW-Anbieter haben den Markt verlassen, weil die DRG der Kassen einen wirtschaftlichen Betrieb des Unternehmens (fast) unmöglich machen. Hier springt dann der öffentliche Rettungsdienst ein, wenn ein Unternehmen seine „Schlagzahl“ nicht schafft und die Patienten pronto von A nach B befördert werden müssen.
Übrigens: Die von Ihnen genannten eine Million Beförderungen (auf einer Krankentrage?) wurden ja bisher vom Taxigewerbe durchgeführt. Dann haben Bund und Länder den „Gelegenheitsverkehr zum Zwecke des Krankentransports“ (§49) 1992 aus dem PBefG gestrichen. Jahre später wurde dann quasi durch die Hintertür der „Taxi-Krankenwagen“ unter Mietwagenregelung wieder eingeführt.
Beim öffentlichen Rettungsdienst stehen die Versorgung und Herstellung der Transportfähigkeit im Vordergrund, bzw. im sogenannten qualifizierten Krankentransport die Aufrechterhaltung der Transportfähigkeit und die Absicherung gegen mögliche Risiken während der Fahrt (siehe Handbuch für das Rettungswesen). Dazu reicht ein eintägiger, prüfungsfreier Erste-Hilfe-Kurs nicht aus. Auch ihre Mitgliedsunternehmen werden ein Versterben des Patienten auf der Heimfahrt von der Dialyse nicht wünschen. Ich meine es wäre in Monheim gewesen: Am Ziel war der Patient tot. Beide Krankenfahrer haben absolut rechtskonform vorn gesessen, weil es im LMW keine Betreuungspflicht gibt.
PBefG – § 1 Sachlicher Geltungsbereich
(…)
(2) Diesem Gesetz unterliegen nicht Beförderungen (…)
2. mit Krankenkraftwagen, wenn damit kranke, verletzte oder sonstige hilfsbedürftige Personen befördert werden, die während der Fahrt einer medizinisch fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtung des Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen solches auf Grund ihres
Zustandes zu erwarten ist.
Der Patient kommt zuerst, dann das Geldverdienen.
Eine verworrene Rechtslage gefährdet letztlich die Gesundheit der beförderten Menschen. Es ist schon seltsam, dass der Gestzgeber erkannte „Grauzonen“ weiterhin zulässt. Das ist doch nicht Made in Germany? Wenn ein Patient sogar während eine Heimfahrt aus der Rettungsstelle liegend befördert wird, ist die Vermutung doch, dass es ihm gesundheitlich ziemlich schlecht geht.
Ich vermute mal, dass die Ärzte die Liegendmietwagen verordnen die Schnittstellen Mietwagen – Krankentransport – Rettungswagen genau definieren sollten. Die persönliche Haftung des Verordnungen Arztes znd des durchführenden Transporteurs greift hier ziemlich empfindlich, wenn etwas schief geht.
Die Frage ist nicht ob eine medizinisch fachliche Betreuung um Mietwagen abgesichert wird, sondern sie ist per Personenbeförderunsgesetz nicht erlaubt. Diese Leistung ist eindeutig dem qualifizierten Krankentransport und der Notfallrettung zugeordnet. Wer das nicht glauben will, sollte sich an seine Aufsichtsbehörde wenden und eine behördliche Genehmigung beantragen. Ich bin mal gespannt, was dann passiert.