Wem ist das nicht schon passiert? Eingefädelt auf einer Linksabbiegerspur und dann doch geradeaus weitergefahren. Dumm nur, wenn für die Linksabbieger eine eigene Ampel noch auf „rot“ zeigte und dort auch noch ein Blitzer installiert ist. Es blitzt also und der Staat verhängt ein Fahrverbot. Doch dagegen kann man sich juristisch wehren.
Das drohende Fahrverbot für einen Rotlichtverstoß kommt für Taxifahrer einem Berufsverbot gleich. Allerdings bedarf es für ein Fahrverbot auch der Würdigung der daraus resultierenden Gefährdung. Somit ist Rotlichtverstoß nicht gleich Rotlichtverstoß, wie das OLG Rostock kürzlich festgestellt hat. Wohl dem, der eine Verkehrsrechtschutzversicherung hat: Berufskraftfahrer, vor allem auch städtische Taxifahrer, leben gefährlich, denn ständig hängt das Damoklesschwert eines Fahrverbotes über ihnen, was stets auch ein temporäres Berufsverbot beinhaltet. Natürlich gelten die Verkehrsregeln uneingeschränkt auch für Taxler. Allerdings sind Berufskraftfahrer oft schon gezwungen, deren Gültigkeit zumindest bis zum Rande zu strapazieren, wenn sie im dichten Stadtverkehr vorankommen wollen und müssen.
Bei Geschwindigkeitsübertretungen lässt sich in der Regel schlecht diskutieren. Bei Rotlichtverstößen hängt dagegen öfter eine etwas längere Geschichte an den Ereignissen, die zumindest Spielraum zur Interpretation öffnet. Ähnliches gilt durchaus auch beim Thema Fahrerflucht.
Im in Rostock entschiedenen Fall war ein Verkehrsteilnehmer zunächst auf der Linksabbiegerspur gefahren, wo eine Ampel rot zeigte. Er war daraufhin jedoch Geradeaus gefahren, wo die Ampel grün zeigte. Da er jedoch noch auf der Linksabbiegerspur in die Kreuzung einfuhr, wurde er dort geblitzt. Es wurde ihm ein Rotlichtverstoß vorgeworfen und ein Fahrverbot auferlegt. Dagegen wehrte er sich und bekam tatsächlich in zweiter Instanz in der Form Recht, dass das Fahrverbot aufgehoben wurde. In erster Instanz hatte das Amtsgericht Stralsund die Strafe zunächst sogar noch verschärft und den Betroffenen zu einer Geldbuße von 2.000 Euro und einem Fahrverbot von drei Monaten verurteilt. Dieses Gericht begründete dies mit Voreintragungen im Fahreignungsregister sowie weiteren Verkehrsverstößen des Betroffenen.
Das Oberlandesgericht (OLG) Rostock entschied dementgegen jedoch am 24.01.2024, dass auch bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß ein Fahrverbot bei einer fehlenden abstrakten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht zwingend zu verhängen sei (Aktenzeichen: 21 ORbs 6/24). Der wegweisende Beschluss des OLG zeigt deutlich, dass eine starre Anwendung der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) eben doch nicht in jedem Fall angemessen ist.
Im Detail stellte das OLG Rostock fest, dass stets auch eine sorgfältige Prüfung der tatsächlichen Umstände erforderlich ist, auch, wenn ein qualifizierter Rotlichtverstoß vorliegt. Eine Ordnungswidrigkeit sei hier zwar grundsätzlich gegeben, denn das Einfahren in die Kreuzung bei Rotlicht auf der Linksabbiegerspur stelle gemäß Paragraf 37 Abs. 2 Straßenverordnung (StVO) eine Verkehrsordnungswidrigkeit dar, auch wenn der Betroffene anschließend auf eine durch Grünlicht freigegebene Geradeausspur gewechselt sei. Allerdings fehle dabei eine abstrakte Gefährdung durch den verantwortlichen Fahrzeugführer.
Entscheidend für die Rechtsfolgen sei hier, so das OLG, dass durch das grüne Signallicht auf der Geradeausspur eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer tatsächlich ausgeschlossen war. Die Kreuzung war für Querverkehr gesperrt, sodass weder querende Fahrzeuge noch Fußgänger gefährdet wurden. Die erforderliche Verhältnismäßigkeit eines Fahrverbots verlange allerdings eine solche Gefährdung. Das Regelfahrverbot gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) diene dazu, Gefahren durch Querverkehr bei Rotlichtverstößen zu verhindern. Lägen jedoch besondere Umstände vor, die eine solche Gefahr ausschließen, müsse ein Gericht prüfen, ob ein Fahrverbot dennoch verhältnismäßig sei. Das OLG Rostock hob daraufhin den Rechtsfolgenausspruch des Amtsgerichts auf und verwies die Sache zurück. rw
Beitragsbild: Remmer Witte