Seit knapp fünf Jahren überarbeitet die Stadt St. Gallen ihr seit 1994 bindend geltendes Personenbeförderungsreglement. Jetzt wird es am 1. Juli in Kraft treten und, laut städtischer Pressemitteilung, für mehr Klarheit, Fairness und Nachhaltigkeit beim Taxi- und Fahrdienstangebot im schweizerischen Kanton sorgen.
Der Entstehungsprozess des nun neu festgezurrten Reglements gestaltete sich schwieriger und langwieriger als zunächst angenommen (Taxi Times berichtete). Bevor man das Regelwerk neu definierte, habe die Stadt erst sämtliche Interessensgruppen zu Wort kommen lassen, von den Taxibetreibern über diverse Plattformanbieter bis hin zu den „Konsumentinnen und Konsumenten“.
Am spannendsten für alle Beteiligten dürfte der Punkt sein, inwieweit die Tür für Uber und andere Anbieter nun geöffnet wurde. Bislang mussten auch diese Fahrer, um eine Fahrbewilligung auf Stadtboden zu erlangen, gewisse Voraussetzungen erfüllen. So musste beispielsweise eine ausreichende Deutschkompetenz belegt werden sowie eine Prüfung über gute Kenntnisse der Stadt und der Vorschriften im Taxiwesen nachgewiesen werden.
Verzichtet wird künftig im Gegensatz zur Fachkundeprüfung auf die Ortskenntnisprüfung, da, laut Stadt, mit Hilfe von Navigationssystemen die Ziele auch ohne Ortskenntnisse auf dem direktesten Weg angefahren werden könnten. Somit unterstehen Fahrer App-basierter Personenbeförderungsdienste der gleichen Bewilligungspflicht wie die klassischen Taxibetriebe, allerdings nur, wenn sie Fahrgäste mit Ausgangs- und Zielort innerhalb der Stadt St.Gallen befördern. Keiner Bewilligung bedürfen sie dagegen, wenn sie Fahrgäste mit Ausgangsort außerhalb der Stadt an einen Zielort innerhalb des Stadtgebietes befördern und auf der direkten Heimfahrt Fahrgäste spontan aufnehmen und an einen Zielort außerhalb des Stadtgebiets befördern. Künftig dürfen App-basierte Unternehmen direkt Fahrten anbieten – bisher durften über entsprechende Apps nur Fahrten vermittelt werden, durchgeführt wurden sie unterdessen dann von regulären Taxiunternehmen. App-basierte Dienste benötigen auch keinen Taxameter, da der Fahrpreis bereits über die App verbindlich und transparent dargestellt werde.
Gesetzlich wurde alles neu strukturiert und festgelegt und doch Alles mit einem sehr dehnbaren Spielraum. Inwiefern beispielsweise kontrolliert werden könne, welcher Uberfahrer jetzt tatsächlich einen Zufallsfahrgast in seinem Fahrzeug sitzen hat und wer sich sträflicher Weise „illegal“ Kundschaft besorgt habe, darauf hatte auch die Stadt keine Antwort.
Zusätzlich wurden die bisherigen Einschränkungen des Marktzugangs – insbesondere die unbefristeten Standplatzbewilligungen – aufgehoben. Der Stadtrat verzichte auf eine Beschränkung der Anzahl der Standplatzbewilligungen pro Taxigesellschaft. Ab Juli werden diese dann aber auf maximal sechs Jahre befristet und in einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren vergeben. Für Großveranstaltungen sind zusätzlich zwanzig Event-Standplatzbewilligungen vorgesehen worden, um temporär ein erhöhtes Fahrangebot sicherstellen zu können.
Städtische Fahrzeugbewilligungen werden nur erteilt, wenn die Autos die vom Stadtrat festgesetzte Mindestanforderung hinsichtlich der Energieeffizienz erfüllen, das heißt die Energieklasse B. Damit leiste die Stadt, ihren Worten zu Folge, einen wertvollen Beitrag zum Umweltschutz und zur Reduktion der CO₂-Emissionen. Für bestehende Fahrzeuge gilt eine Übergangsfrist von sechs Jahren. Bei der ersten Ausschreibung sind Fahrzeuge bis Energieeffizienzklasse E ausnahmsweise noch zugelassen.
Die „Stadt der 1000 Treppen“, wie St. Gallen aufgrund seiner speziellen Topografie genannt wird, hat, nach eigenen Angaben, endlich für Klarheit gesorgt – bei uns bleiben aber dennoch viele Fragezeichen. nu
Beitragsfoto: St. Gallen, Bahnhofplatz; Pixabay