Die Schweizer Bahn beklagt mangelnde Resonanz auf eine Ausschreibung für Behindertenfahrten in der gesamten Schweiz. Nun muss kleinteilig nach Fahrdiensten gesucht werden.
Um die Inklusion voranzubringen, hat die Schweizerische Bundesbahnen AG (SBB-CFF-FFS) sich das Ziel gesetzt, das Bahnnetz, dessen Bahnhöfe in vielen Fällen noch nicht behindertengerecht ausgebaut sind, ab Sommer dieses Jahres mit Fahrdiensten für körperlich eingeschränkte Personen zugänglich zu machen. Dazu ist die staatliche Bahngesellschaft ein halbes Jahr später sogar verpflichtet, da das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) verlangt, dass ab Januar der öffentliche Verkehr barrierefrei sein muss.
Um dieses Ziel zu erreichen, gab es Anfang dieses Jahres eine Ausschreibung, die eine große Zahl teils lukrativer Fahrten beinhaltet: Künftig sollen Personen mit eingeschränkter Mobilität per Inklusionstaxi oder ‑mietwagen vom nicht behindertengerechten Bahnhof zum nächstgelegenen barrierefreien Bahnhof befördert werden, falls die Barriere vor Ort nicht mit Hilfe des Bahnpersonals überwunden werden kann. Nicht behindertengerecht bedeutet, dass der Bahnhof keinen stufenfreien Zugang hat oder der Zugang bzw. die Treppe zu schmal ist, um die Person(en) per Mobilift, eine an Schweizer Bahnhöfen übliche gelbe Hebebühne, auf den Bahnsteig zu heben. Dieser Dienst war zunächst bis Ende 2029 vorgesehen.
Die Ausschreibung hat laut einer Meldung des Nachrichtenportals „watson“ viel zu wenige Angebote zur Folge gehabt, um die Taxidienste schweizweit anbieten zu können. „Die SBB gehen laut Mitteilung davon aus, dass die in der Ausschreibung vorgegebenen Bedingungen schwierig umzusetzen sind“, so die Erläuterung. So sei etwa eine Frist von zwei Stunden gefordert worden, innerhalb derer ein Fahrdienst angeboten werden müsse.
Man habe in Folge der enttäuschenden Resonanz den Beginn des Angebots nicht nur auf den Jahreswechsel verschoben, sondern sich zudem darauf eingestellt, sich an jedem der über 500 betroffenen Orte einzeln nach Anbietern umsehen zu müssen. Das Thema hat eine gewisse Brisanz, da auch in der Schweiz das Taxigewerbe zunehmend dem Verdrängungskampf durch Anbieter wie Uber ausgesetzt ist.
Die Staatsbahn der Schweiz wurde Anfang 1999 ähnlich wie in Deutschland von einer Bundesanstalt in ein Unternehmen umgewandelt, das sich aber komplett im Besitz des Staates befindet. Auch die SBB haben mehrere Tochterunternehmen, darunter die deutsche SBB GmbH, die einige Strecken im Grenzgebiet betreibt. In der Schweiz genießt die Bahn als Verkehrsmittel eine höhere Popularität als in Deutschland. Das gesamte Streckennetz in der Schweiz ist elektrifiziert. Der hohe Strombedarf für den Bahnbetrieb in dem bergigen Land wird fast komplett aus Wasserkraftwerken bezogen, die überwiegend dem Konzern gehören. ar
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