Im Rahmen der Ökonomisierung der Pflege- und Gesundheitsversorgung schließen viele Tagespflege- und ambulante Reha-Einrichtungen Komplettverträge mit den Kostenträgern ab – inklusive der dafür notwendigen Patientenbeförderung. Diese Fahrdienste sind daher als gewerbliche Fahrgastbeförderungen zu werten, die dem Personenbeförderungsrecht unterliegen und sie bedürfen der entsprechenden Qualifikationen. Dies bestätigte kürzlich erneut ein Hamburger Gericht.
In Zeiten steigender Gesundheitskosten werden Tagespflegeeinrichtungen immer beliebter, sowohl bei den Patienten als auch bei den jeweiligen Kostenträgern. Pflegebedürftige Menschen können so an einem oder an mehreren Tagen der Woche gut untergebracht und unterstützt werden, ohne dass eine kostenintensive 24-Stunden-Unterbringung finanziert werden müsste. Auch zwischenmenschlich ist die Nutzung einer solchen Pflegeeinrichtung sowohl für die Pflegenden als auch ihre Schützlinge attraktiv. Oft kann dadurch eine stationäre Unterbringung etwas nach hinten verschoben werden oder sogar gar nicht mehr notwendig sein.
Allerdings stellt sich dabei dann regelmäßig die Frage nach der Beförderung, vor allem dann, wenn die gesundheitlich eingeschränkten Menschen den regulären Linien-ÖPNV nicht mehr selbstständig nutzen können. Ähnliche Anforderungen ergeben sich auch bei ambulanten Rehas, wo Heimschläfer ebenfalls regelmäßig befördert werden müssen. Um dafür die besonders kostenintensiven Individualfahraufträge zu vermeiden, macht es natürlich Sinn, die Beförderungsaufträge zu bündeln und als Sammelfahrten zu organisieren. Wohl auch um dieses Ziel rechtssicher zu erreichen, wurde der Patiententransport einfach in viele Pflege- und Reha-Aufträge der Kostenträger integriert. Damit haben Tagespflege- und Reha-Einrichtungen nun auch die Aufgabe, ihre Patienten oder Kunden von zu Hause abzuholen und nach verrichtetem Tagewerk wieder dorthin zu bringen.
Um solche Aufträge kostengünstig abwickeln zu können, kann man die Fahraufträge entweder ausschreiben und hoffen, dass sich ein Mietwagenunternehmen findet, welches – oftmals zu, im wahrsten Sinne des Wortes, halsbrecherischen Konditionen – die immerhin regelmäßigen Aufträge – übernimmt. Alternativ könnte man Taxen damit beauftragen, aber deren tarifbasierte Preisvorstellungen schmecken den Einrichtungen offenbar meist nicht. Daher organisieren diese stattdessen einen eigenen Fuhrpark samt Fahrpersonal und versuchen sich selbst als Fahrgastbeförderungsunternehmen. Da die Fahrgäste selber ja nichts zahlen, geht man hier vielfach einfach davon aus, dass diese Dienstleistung kostenfrei und somit auch nicht genehmigungspflichtig sei.
Schon 2019 hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVG) den Reha-Einrichtungen jedoch klar auferlegt, dass sie für solche Beförderungsfälle sehr wohl einen nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) genehmigungspflichtigen Verkehr anbieten, der in der Regel als Mietwagenverkehr einzustufen sei. Daher müssten die eingesetzten Fahrzeuge als Mietwagen konzessioniert sein und das Personal zudem über einen Führerschein zur Fahrgastbeförderung verfügen. Allem voran bedürfe es aber eines fachlich qualifizierten Verantwortlichen, der dazu die Fachkundeprüfung Taxi/Mietwagen bei einer IHK abgelegt haben muss. Das Urteil in vollem Umfang lässt sich hier nachlesen.
Tenor der BVG-Entscheidung war, dass der Fahrdienst der damaligen Klägerin den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes unterläge. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift gemäß Paragraf 1 Abs. 2 PBefG seien nicht gegeben. Ebenso wenig sei der Fahrdienst nach der Freistellungs-Verordnung von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes freigestellt worden. Der Fahrdienst der Klägerin sei damit eine sowohl entgeltliche als auch geschäftsmäßige Personenbeförderung im Sinne des PBefG.
Nach dieser Entscheidung war zwar eigentlich naheliegend, dass diese Voraussetzungen künftig auch von Tagespflegeeinrichtungen eingehalten werden müssen, wenn diese einen eigenen Fahrdienst anbieten wollen. Trotzdem benötigte eine Hamburger Einrichtung dazu noch einer gesonderten Aufforderung. Diese erließ dann im Sommer 2024 das Hamburger Verwaltungsgericht (VG).
Im Hamburger Urteil fasst das VG seine Entscheidung unter folgenden Leitsätzen zusammen:
- Die vom Träger der Tagespflege durchgeführten Transferfahrten, von Tagespflegegästen als Teil der Tagespflege von deren Häuslichkeit zu den Einrichtungen der Tagespflege und wieder zurück, unterliegen grundsätzlich den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes. Dementsprechend bedarf es einer Genehmigung.
- Der Freistellungstatbestand (gemäß Freistellungsverordnung) setzt eine vollstationäre Behandlung voraus
- Der Normgeber (also der Gesetzgeber) hat für Beförderungen zwischen Wohnung und Kindergarten – keinen Freistellungstatbestand für Transferfahrten von oder zu den Einrichtungen der Tagespflege geschaffen.
Mit diesen beiden Urteilen ist klargestellt, dass es bei ambulanten Einrichtungen gegebenenfalls für deren Fahrdienste eines konzessionierten Mietwagenverkehrs bedarf, mit entsprechend versicherten und TÜV-geprüfte Mietwagen, die von P-Scheininhabern* gesteuert und einem Absolventen der Fachkundeprüfung Taxi/Mietwagen bei der IHK als verantwortlichen Betriebsleiter geleitet werden.
Viele Fahrdienste größerer Träger wie DRK, Johanniter, Malteser oder Arbeiter-Samariter-Bund verfügen natürlich über diese entsprechenden Qualifikationen. Allerdings scheinen sich Tagespflegeeinrichtungen inzwischen teilweise auch für unabhängige private Träger zu rechnen. Vor allem hier macht es dann Sinn für örtliche Fahrgastbeförderungsunternehmen, deren ordentliche Konzessionierung prüfen zu lassen.
Prüfen bedeutet in diesem Fall ganz simpel, dass man der örtlichen Genehmigungsbehörde einfach nur das Hamburger Urteil in Kopie zukommen lassen muss, um diese dann parallel schriftlich zu bitten, auch für ihren Genehmigungsbezirk zu prüfen, ob dort alle derzeit angebotenen Patientenbeförderungen auch ordentlich versichert und konzessioniert verkehren. Kommt die Behörde dieser Bitte dann nicht nach und im Nachhinein würden Rechtsverstöße bekannt, dann wäre die Mitarbeiter der Behörde letztlich persönlich angreifbar, das will sich wohl kein Behördenmitarbeiter nachsagen lassen.
Ähnlich kann man im Übrigen inzwischen wohl auch bei den vielfach bei Veranstaltungen angebotenen Shuttleverkehren vorgehen. Vor allem, wenn diese von örtlichen Drittanbietern organisiert werden. Eine genaue Prüfung des lokalen Sachverhaltes anhand der Vorgaben des BVG-Urteils macht da immer wieder Sinn, denn allein der Vorwurf einer möglichen Unterversicherung bringt auch viele Autohäuser in der Öffentlichkeit schnell in eine ungeliebte Bredouille, welche sie zumindest für die Zukunft unbedingt zu vermeiden versuchen werden. rw
Beitragsfoto: Remmer Witte (freepikbasiert)
Anmerkung der Redaktion: Taxi ist wertvoll – gerade bei Fahrten in diesem sensiblen Bereich. Eben solche Tagespflegefahrten sind sozial sehr anspruchsvoll. Der Fahrgast und auch dessen Angehörige brauchen eine gewisse Sicherheit, denn es geht weit über die schlichte Beförderung von A nach B hinaus. Der Fahrer sollte möglichst einfühlsam sein und sorgsam mit seinem – in diesem Fall sogar Schützling umgehen. Berührungsängste sind hier schlichtweg fehl am Platz und oftmals muss die Chemie zwischen Fahrer und seinem Fahrgast mehr als stimmen, um einen reibungslosen und stressfreien Transport zu ermöglichen. Taxi ist wertvoll – weil auf die individuellen Bedürfnisse des Fahrgasts eingegangen werden kann.
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