Nach dem weitgehenden Uber-Verbot in Brüssel bleiben den Fahrern noch eine Verlagerung ihrer Dienste in die Nachbarregion, deren Sprache die wenigsten sprechen, oder ein Wechsel in das Taxigewerbe.
Als Reaktion auf das Urteil im Berufungsverfahren gegen Uber zeigte das Brüsseler Taxigewerbe sich gestern erleichtert und erneuerte gegenüber den Uber-Fahrern seine Jobangebote als Taxifahrer. „Es ist so weit, Uber muss in Brüssel seine Tätigkeit einstellen, um Strafzahlungen zu vermeiden. Jetzt ist allen klar: Uber musste schon immer mit Taxifahrern arbeiten,” sagte Pierre Steenberghen vom belgischen Taxiverband GTL. „Anfang des Jahres wurde in einem anderen Berufungsverfahren festgestellt, dass auch die VVB-Vorschriften (Limousinevermietung mit Fahrer), nach denen Uber-Fahrer seit 2017 fahren, weitestgehend nicht eingehalten wurden.”
Die Brüsseler Taxiunternehmen, die mit Personalmangel kämpfen, fordern die Uber-Fahrer auf, künftig als „richtige Taxifahrer” zu arbeiten. „Seit 2019 haben die Taxiunternehmen aufgrund der Corona-Krise viele Fahrer verloren und sehen sich daher mit einem erheblichen Mangel an Fahrpersonal konfrontiert. Sie sind bereit, die Uber-Fahrer kurzfristig mit einem Arbeitsvertrag, einem angemessenen Lohn und einer vorteilhaften Sozialversicherung einzustellen. Auf diese Weise werden die Kunden von Uber nicht im Stich gelassen.”
Das Versagen der Politik kommentiert das Taxigewerbe: „Die Brüsseler Regierung hat zu lange gewartet, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Gegen Uber wurden noch nie wirksame Maßnahmen ergriffen, auch nicht nach einem weiteren Urteil des Berufungsgerichts im Januar. Seit Jahren war eine Reform nötig, und die Politiker haben einfach weggeschaut und die Situation aus dem Ruder laufen lassen.“
Das Argument von Uber, dass die Brüsseler Gesetzgebung von 1995 veraltet und daher nicht mehr anwendbar sei, ist falsch, meint die GTL. „Es müssen Anpassungen vorgenommen werden, die mehr den heutigen Bestellmöglichkeiten gerecht werden und eine dynamischere Preisgestaltung ermöglichen.”
Während die Politiker nie den politischen Mut hatten, den Betrieb von Uber in Brüssel und den umliegenden Gemeinden zu verurteilen, hat die Justiz nach langen Berufungsverfahren und vielen juristischen Machtspielen seitens Uber nun die Verstöße unterbunden.
Um die administrative Gliederung Belgiens nachzuvollziehen, kann man sich das Land, offiziell eine Erbmonarchie, wie eine Art „Bundesrepublik” mit nur drei „Bundesländern” vorstellen, genannt Regionen, wobei die kleinste Region Brüssel-Hauptstadt mit nur 19 Gemeinden ist (Ministerpräsident: Rudi Vervoort). Zudem leben in den beiden großen Regionen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit verschiedenen Sprachen: im flämischen Norden (Flandern mit den Großstädten Antwerpen, Gent, Brügge und Löwen) die Flamen, die niederländisch sprechen, und im wallonischen Süden (Wallonien oder die Wallonie mit den Großstädten Charleroi, Lüttich und Namur) die Wallonen, die französisch sprechen, sowie eine deutschsprachige Gruppe. Die Region Brüssel-Hauptstadt (mit Brüssel, Schaarbeek und Anderlecht) liegt im Süden Flanderns, ist aber mehrheitlich französischsprachig.
Dort stellt sich seit dem Berufungsurteil die Frage, ob die Uber-Fahrer jetzt vermehrt über die Regionsgrenze in Flandern – nur Kilometer entfernt – fahren werden. Gewerbevertreter Pierre Steenberghen: „Uber ist derzeit in Flandern nicht sehr aktiv. Ob die Brüsseler Uber-Fahrer in Flandern starten können, ist fraglich, da sie die niederländische Sprache nicht oder nur wenig beherrschen.”
„Der Nachweis von Sprachkenntnissen ist eine neue Anforderung in der flämischen Gesetzgebung,” erklärt Steenberghen. „Flandern ist bei der Liberalisierung des Taximarktes sehr weit gegangen; die Zukunft wird zeigen, ob das gut funktioniert. Andererseits hat sich Flandern auch für ein weitreichendes Kontrollsystem entschieden, bei dem die Fahrer alle Daten in Echtzeit digital an die flämische Regierung weitergeben müssen. Wenn Uber mit Fahrern in Flandern zusammenarbeiten möchte, muss Uber diese Prüfung einhalten.” wf
Beitragsfoto: Taxi in Brüssel – künftiger Arbeitsplatz für viele Ex-Uberfahrer? Foto: Wim Faber