Wenn die Taxibranche die Behörden auf Missstände und Handlungsmöglichkeiten aufmerksam macht, lässt sich mitunter Abhilfe auf den Weg bringen. Ein Beispiel ist die Großstadt Essen.
Das Ruhrgebiet ist der größte Ballungsraum Deutschlands. In der Metropolregion Rhein-Ruhr leben zehn Millionen Menschen – eine Goldgrube für Uber & Co. Mittendrin liegt die kreisfreie Großstadt Essen mit knapp 585.000 Einwohnern. Das Uber-Problem der Stadt ist immens, da auch die Mietwagen aus den umgebenden Städten das Essener Stadtgebiet zunehmend frequentieren, allen voran aus Düsseldorf und Neuss.
Seit Februar drängt die Essener Taxifunkgenossenschaft, geleitet von Dirk Heinrichsen, die Stadtverwaltung, etwas in Richtung Tarifkorridor zu unternehmen, um dem ruinösen Wettbewerb, dem Sozialbetrug und der Ausbeutung der Mietwagenfahrer etwas entgegenzusetzen (Taxi Times berichtete). Ein für diese Woche geplantes Gespräch wurde nun aber seitens der Stadt zunächst verschoben.
Parallel wurde auch Taxi-Times-Abonnent Norbert Czwienk aktiv, dem die zunehmende Zahl von Mietwagen, vor allem aus Nachbarstädten, gegen den Strich ging. In der WhatsApp-Gruppe der Abonnenten fragte Czwienk am 25. Januar seine Kollegen, wer Erfahrungen mit der Meldung von Rechtsverstößen durch Mietwagenfahrer habe. Aufgrund der Schwemme an Mietwagen aus Düsseldorf und Neuss sei er an Erfahrungen von Taxiunternehmern und ‑fahrern aus dem Raum Düsseldorf interessiert, da in Essen noch das Problembewusstsein fehle.
Prompt berichtete ein Unternehmer aus Koblenz, dass sämtliche Anzeigen dort „ins Leere“ liefen, so dass es dort inzwischen doppelt so viele Mietwagen gäbe wie Taxis. Ein Potsdamer Fahrer zitierte den knapp ein Jahr zurückliegenden Schriftwechsel mit der zuständigen Behörde, nachdem er sich über Mietwagen mit Berliner Kennzeichen beschwert hatte, die in der Nachbarstadt Potsdam illegal taxiähnlichen Verkehr durchführen. Diese weist darauf hin, dass – mit Ausnahme der Rückkehrpflicht – keine Regel die Ausführung von Aufträgen an Orten außerhalb der Betriebssitzgemeinde einschränken würde, so dass die Beobachtungen nicht ausreichten, um gegen die Fahrer vorzugehen. Auch die angeschriebene Berliner Genehmigungsbehörde bedauerte, nichts unternehmen zu können.
Norbert Czwienk beschloss, sich mit seinem Anliegen an die Essener Stadtverwaltung und weitere Politiker zu wenden, und schrieb unter anderem einen offenen Brief an Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU). Er legte explizit dar, dass Uber in Essen „mit extremen Dumpingpreisen“ illegal taxiähnlichen Verkehr anbietet und so „dem Taxigewerbe das Leben schwer macht“. Er erläuterte die Rechtslage und skizzierte das Geschäftsmodell von Uber: „Ziel von Uber ist dabei das Taxigewerbe, welches bekanntlich zum Grundbedarf gehört, […] mit allen Mitteln zu vernichten um irgendwann eine marktbeherrschende Stellung zu erreichen. Wenn Uber die Konkurrenz des Taxigewerbes irgendwann mit seinen Dumpingpreisen weitgehend ausgeschaltet haben wird, wird dieser Konzern mangels Angebots die Preise am Markt durchsetzen, die es haben will.“ Zudem rechnete Czwienk vor, dass die Mietwagen-Dumpingpreise ohne Rechtsverstöße nicht wirtschaftlich umzusetzen sind. Er zählte eigens dokumentierte Verstöße durch Mietwagenfahrer mit Nennung der Kfz-Kennzeichen auf.
Czwienk appellierte an den Oberbürgermeister, „zeitnah für die Einführung eines Tarifkorridors für Taxis und Mietwagen“ zu sorgen, „um den ruinösen Preiswettbewerb durch den weltweit tätigen Plattformanbieter Uber zu Lasten des heimischen Taxigewerbes, welches hier im Gegensatz zu Uber Steuern bezahlt, zu unterbinden“. Darüber hinaus bat er Kufen, „in allen Kommunen unserer Region für die Einführung von einheitlichen Tarifkorridoren für Taxis und Mietwagen zu werben und dies auch auf die Agenda des Deutschen Städtetags zu setzen“. Wenn Politik und Verwaltung „jetzt nichts unternehmen“, werde es in einigen Jahren kein funktionierendes Taxigewerbe mehr geben.
Durch den offenen Brief auf das Problem aufmerksam geworden, äußerte sich Thomas Spilker. Der FDP-Politiker, der beim Vorgehen gegen Missstände gelegentlich aneckt, erklärte sich mit Czwienks Anliegen solidarisch, aber: „In der Fraktion scheint hierzu noch Informationsbedarf zu bestehen um dann eine abschließende Meinungsbildung durchzuführen. In der Sache wünsche ich Ihnen viel Erfolg.“
Auch die Einwohnerbehörde wurde aktiv und fragte Czwienk nach schriftlichen und fotografischen Beweisen für seine Vorwürfe – die er zum großen Teil liefern konnte. Seine Erkenntnis, die er an seine Kollegen weitergab: „Die Düsseldorfer Verkehrsgewerbestelle kümmert sich darum, wenn wir Düsseldorfer Uber-Mietwagen dort anzeigen, die in Essen taxiähnlichen Verkehr durchführen. Deshalb sollten im eigenen Interesse alle Kollegen mitmachen und Verstöße gegen die Rückkehrpflicht dort anzeigen.“
Die Linke im Stadtrat machte sich inzwischen zur Thematik schlau, indem Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Jannoff auf Czwienks Rat hin unter anderem Taxi Times konsultierte. Am 19.2. beantragte sie bei den Vorsitzenden der Ausschüsse für öffentliche Ordnung und für Verkehr, den Punkt „Maßnahmen gegen Tarifdumping im Taxigewerbe“ auf die Tagesordnungen ihrer nächsten Sitzungen zu setzen.
Darüber hinaus beantragte sie, beide Ausschüsse mögen beschließen: „Die Verwaltung wird beauftragt, die Voraussetzungen für die Einführung von Festpreisen und Tarifkorridoren für Taxifahrten sowie von Mindesttarifen für Mietwagenfahrten als Maßnahmen gegen Dumpingpreise im Taxi- und Mietwagengewerbe zu schaffen; die dafür notwendigen Änderungen an den bestehenden Satzungen und Vorschriften für die Einführung der oben genannten Maßnahmen zur Beschlussfassung im Rat vorzubereiten; die notwendigen Personalbedarfe zur ordnungsbehördlichen Kontrolle der neu eingeführten Regelungen und des regelkonformen Einsatzes von Mietwagen darzustellen.“
Als Begründung schrieb die Fraktion, Uber unterbiete mit Dumpingpreisen die Preise des Essener Taxigewerbes. „Die Taxibranche befürchtet einen ruinösen Preiskampf und einen Verdrängungswettbewerb. Deshalb gibt es aus der Branche den Vorschlag an den Oberbürgermeister zur Einführung eines so genannten Tarifkorridors und von Festpreisen innerhalb des Pflichtfahrgebiets. Das hat die Stadt München als erste deutsche Großstadt eingeführt. Leipzig und Lörrach haben zudem Mindesttarife für Mietwagen eingeführt. Diese Maßnahmen zusammen sollen für eine Eindämmung von Dumpingpreisen sorgen.“ Schon jetzt gebe es Hinweise auf „Verstöße gegen bestehende Regelungen durch Uber“. Um diese zu unterbinden und für die Einhaltung der neuen Regelungen zu sorgen, sollten die notwendigen Personalbedarfe ermittelt werden.
Am 20. Februar gab die Linke-Fraktion zudem eine Pressemitteilung heraus, in der neben dem Tarifkorridor für Taxifahrten auch von Mindesttarifen für Mietwagenfahrten die Rede war. Unter der Überschrift „Tarifdumping im Taxigewerbe verhindern – Für die Einführung von Festpreisen, Tarifkorridoren und Mindesttarife“ erläuterte sie ihre genannten Anträge. Die Fraktionsvorsitzende Heike Kretschmer schrieb: „„Mit Festpreisen innerhalb eines Tarifkorridors erhoffen sich die Taxifahrer, dass sie einen Nachteil gegenüber Uber ausgleichen und so die Attraktivität für die Kundinnen und Kunden erhöhen können. Diese wissen dann von vorne herein, was sie am Ende bezahlen werden, egal wie lange die Fahrt dauert. Das hat die Stadt München als erste Stadt in Deutschland im letzten Jahr eingeführt. Wenn dann noch zusätzlich Mindesttarife für die durch Uber buchbaren Fahrten eingeführt werden, können Dumpingpreise verhindert werden. Diese Mindesttarife haben die Stadt Leipzig und der Landkreis Lörrach jüngst eingeführt. […] Die Taxibranche ist eine hochregulierte Branche. Für viele Fahrerinnen und Fahrer steht die Existenz auf dem Spiel, wenn diese Regulierungen durch unlauteren Wettbewerb umgangen werden. Am Ende stehen auch die Kunden im Regen. Hat Uber erst mal das Taxigewerbe zerlegt und sich auf dem Markt durchgesetzt, werden die Preise steigen.“
Czwienk hatte mittlereile den Namen eines Mietwagenunternehmens ausfindig gemacht, das seiner Ansicht nach immer wieder gegen die Rückkehrpflicht verstoße. Obwohl der Name der Behörde bekannt sei, vermisse er entsprechende Maßnahmen „gegen die ständige Missachtung der Rückkehrpflicht der Mietwagen von Taxi … [Anmerkung der redaktion: Der hier verwendete Name des Unternehmens ist der Redaktion bekannt]“ und beklagte am 25.2., dass „meine ständigen Anzeigen in dieser Sache offenbar nicht zum Erfolg führen“. Er forderte erneut, „dass die Fahrer, die Unternehmer und die Zentrale von Taxi … für die systematische und tägliche Missachtung der Rückkehrpflicht und die Vermittlung an nicht zum Betriebsgelände zurückkehrende Mietwagen bestraft und im Wiederholungsfall die Konzessionen wegen Unzuverlässigkeit entzogen werden“.
„Die seinerzeitige App My Taxi hat bis zu einer vor vielen Jahren verlorenen Klage auch Fahrten an Taxis aus fremden Städten vermittelt. Wenn z. B. ein Taxi aus Essen am Flughafen Düsseldorf frei wurde, wurden diesem dann häufig Fahrten in Düsseldorf angeboten. Nach der verlorenen Klage hat diese App dafür gesorgt, dass dies nicht mehr möglich ist. Für mich stellt sich deshalb die Frage, ob es nicht einen Weg geben kann, Uber zu zwingen, genau so einen Mechanismus in die eigene App einzupflegen.“ Dann könne die Wilderei fremder Mietwagen an den Fleischtöpfen großer Städte mit Flughäfen, Messen und Ausgehvierteln verhindert werden, vermutet Czwienk. ar
Beitragsfoto: Axel Rühle
Das wäre auch ein Lösung für andere Großstädte, für einen fairen Wettbewerb!