Taxi-Times-Auslandskorrespondent Wim Faber hat jüngst an mehreren internationalen Taxi-Veranstaltungen teilgenommen. Wie in einem Reisebericht gibt er in mehreren Teilen die Ideen und Entwicklungen im weltweiten Taxigewerbe wieder. Seine zweite Station war ein hochrangig besetztes Treffen im Südosten der USA.
Tagebuch-Eintrag 3, Myrtle Beach, USA, 19. bis 23. September: In den Vereinigten Staaten halten Konzentration im Gewerbe, mehr soziale Beförderungsaufgaben und größere Öffnungen im ÖPNV Einzug. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln werden durch die Apps aufgeweicht.
Die jährlichen Treffen der Transportation Alliance (TTA), der größten Gewerbevertretung für Taxis der USA, die – wie viele ursprüngliche Taxiunternehmen – mittlerweile allen Formen der Mobilität ein Zuhause bietet (auch Mietwagen, notfallmedizinischen Transportdiensten usw.), sind ein wahres Sammelsurium an Themen und Rednern: Führungskräfte, Politiker, Berater, Experten und nicht zuletzt Unternehmerkollegen geben Ratschläge zu Entwicklungen in der Mobilitätswelt und sprechen über ihre jüngsten Echtzeit-Erfahrungen im (breiten) Sektor. Zudem ist das Jahrestreffen stets mit einer Messe verknüpft, vergleichbar mit der zweijährlichen Europäischen Taximesse in Deutschland.
Die USA: über 4.500 Kilometer von einem Ende bis zum anderen – in diesem riesigen Land ist es für alle ein besonderer Moment, sich wieder persönlich zu treffen und über viele Themen informiert zu werden. Diesmal traf man sich vom 19. bis zum 22. September in der Kleinstadt Myrtle Beach im Bundesstaat South Carolina an der Ostküste.
Die TTA – zunächst mit mehr als 1.000 Mitgliedsorganisationen – musste während Corona einen deutlichen Mitgliederrückgang verkraften, der auch zu problematischen finanziellen Einbußen führte. Mittlerweile ist der Verband hinsichtlich der Mitgliederzahlen wieder auf einem guten Weg und seine Finanzen im grünen Bereich. Die Corona-Krise hat zwei starke Trends hervorgerufen und verstärkt: die Übernahme kleinerer Taxiunternehmen durch größere Organisationen und die Stärkung der Fähigkeiten dieser Organisationen und Partnerunternehmen durch die Erweiterung von Non-Emergency Medical Transportation, abgekürzt NEMT, einer Mischung aus nicht akuter Patientenbeförderung und sozialen Beförderungsaufgaben – im deutschen Sprachgebrauch allgemein Krankenfahrten genannt.
Diese beiden Trends (Übernahmen und Fusionen) wurden von führenden Unternehmern in der ersten Sitzung der „Captains of Industry“ (führende Taxiunternehmer) konkret angesprochen: In den USA wachsen viele Taxiunternehmen schon länger auf die zwei genannten Arten, zum einen Fusionen oder die Übernahme kleinerer Taxibetriebe (ein Trend, der auch seit einiger Zeit im Vereinigten Königreich zu beobachten ist), zum anderen durch die Teilnahme an riesigen „Medicaid-Ausschreibungen“, also Bewerbungen um Großaufträge für Krankenfahrten für Menschen mit niedrigem Einkommen, wofür kleinere Betriebe kaum geeignet sind.
Diese NEMT-Ausschreibungen finden jeweils für einen ganzen Bundesstaat statt und werden dann in kleinere Bündel aufgeteilt. Beide Entwicklungen seien miteinander verknüpft. Und beide „Captains of Industry“, die bei der Konferenz referierten, sind Experten, was diese aktuellsten Themen betrifft.
Bill George ist ein alter Hase im Übernahmegeschäft. George, heute Geschäftsführer von WHC Worldwide und zTrip (zwei Anbieter, die sich derzeit zu USA-weiten Marken entwickeln), arbeitete lange Zeit für den Französischen ÖPNV-Konzern Transdev, allerdings weniger im öffentlichen Nahverkehr als vielmehr im Taxibereich, wo er am Aufkauf von Taxiunternehmen beteiligt war. Sein Prinzip: „Auffrischung“ der Taxiunternehmen durch ein neues, auf eine jüngere Generation ausgerichtetes Erscheinungsbild (mit Einsatz von Apps und relativ jungen gebrauchten Mietwagen in Graumetallic ohne Taxiausstattung), Umstrukturierung und Zentralisierung der Geschäftsführung, Integration der meisten lokalen Aufgaben in ein größeres Ganzes und Nutzung eines aktuellen Fahrten- und Fahrzeugmanagements. Zusammenfassend: „Taxiunternehmen waren früher lokale Unternehmen, heute agieren sie jedoch auf nationaler Ebene.“ Seit 2018 hat George nicht weniger als 31 Unternehmen übernommen. Bis Ende 2023 will er in 34 Städten aktiv sein. Dabei gehe es um den Zukauf von vier bis sechs Unternehmen pro Jahr, „höchstens zehn, wenn sich große Chancen ergeben“. Auffallend viele seiner Mitarbeiter kommen aus der Taxi- und ÖPNV-Branche.
„Fusionen gibt es in unserer Einkaufsstrategie nicht“, sagt George entschieden. „Es gibt Käufer und Verkäufer – Fusionen funktionieren nicht, weil immer einer das Sagen haben muss.“ George nutzt gerne das Wissen des örtlichen Taxiunternehmers, der seinem alten Unternehmen möglicherweise zwei Jahre lang verbunden bleibt. Ansonsten folgt George einer „12-12-12-Zahlungsweise“: Bezahlt wird der Aufkauf eines Unternehmens in drei Raten: zu Beginn der Übernahme, nach 12 Monaten und nach weiteren 12 Monaten, basierend auf dem Bruttoeinkommen. Die Fahrzeugflotte wird separat abgerechnet. „Wir wollen, dass beide Parteien mit dem Deal zufrieden sind“, sagt George, „und dafür sorgen, dass die andere Partei nicht anderswo nach einem besseren Angebot sucht.“
Kurz bevor der Verkaufsprozess abgeschlossen ist, richtet George eine Facebook-Gruppe für die Fahrer ein, füttert sie mit Informationen über die neuen Unternehmer und Arbeitsweisen und macht den Fahrer mit der „größten Klappe“ ausfindig, um falsche Gerüchte im Fahrerkreis zu bekämpfen. „Fahrer müssen auch wissen, dass sie uns brauchen, genauso wie wir sie brauchen.“ Die Rekrutierung von Fahrern – selbstständige Unternehmer, keine Arbeitnehmer, wie überall im US-Taxisektor – über verschiedene Medien (Google Ads, Facebook usw.) ist ein kontinuierlicher Prozess, der zentral und nahezu wissenschaftlich gesteuert wird.
Und die Zukunft? „Wir haben eine Liste mit 220 Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern, die wir gerne bedienen würden. Wir bevorzugen die Hauptstädte der Bundesstaaten. Aber es gibt auch Staaten, in die wir niemals gehen werden.“ Welche Staaten das sind, erwähnt Bill George nicht.
Der andere Bill, Bill Yuhnke, der im September in Myrtle Beach zum neuen Präsidenten der TTA für ein Jahr gekürt wurde, erklärt, wie er seinen Einflussbereich sein Geschäft mehr als verdoppelt hat. „1987 kaufte ich in Buffalo (Stadt im Bundesstaat New York an der kanadischen Grenze, Anm. d. Autors), ein Taxiunternehmen mit drei Taxis. Jetzt sind es 387. Gerade Corona war eine schwierige Zeit.“
Was Yuhnke in die Karten spielte, war die Ausschreibung für Medicaid – millionenschwere Verträge für medizinische und soziale Unterstützung für einkommensschwache Gruppen – im Bundesstaat New York, der geografisch in 17 Gebiete unterteilt wurde. „Mehr als 100 Unternehmen haben sich angemeldet, aber 86 Unternehmen, die keinen Medicaid-Vertrag erhalten haben, fragten mich, ob ich ihnen helfen könnte. Ich hatte nicht genügend Kapazität für meine eigenen Verträge. In einer Woche habe ich meinem eigenen Unternehmen 60 Unternehmen hinzugefügt, für die ich mein Geschäftsmodell anpassen musste. Jede Woche füge ich jetzt einen Fahrer oder eine Firma zu meinem hinzu.“ wf
Bisher erscheinen in dieser „Reisetagebuch-Reihe“:
Teil 1: Marrakesch mit Erfahrungsberichten von Ägypten, Dänemark, Deutschland, Österreich und aus der EU-Arbeit.
Teil 2: Marrakesch mit einem Ausblick auf Ubers neue Strategie
Teil 4: USA: In den USA seien die Taxiregeln zu streng, findet ein Vertreter der IATR.
Teil 5 London: Beim ERTA-Treffen kommen die Chefs großer Europäischer Taxizentralen zusammen. Unter anderem berichtete die Pariser Zentrale G7, warum man die Quote der Taxifahrerinnen steigert.
alle Fotos: Wim Faber