Taxi-Times-Auslandskorrespondent Wim Faber hat jüngst an mehreren internationalen Taxi-Veranstaltungen teilgenommen. Wie in einem Reisebericht gibt er in mehreren Teilen die Ideen und Entwicklungen im weltweiten Taxigewerbe wieder. Seine dritte Station war die Zusammenkunft von Zentralenchefs großer europäischer Städte mit einem gemeinsamen Blick auf die Europäische Taxiwelt – die Nachfrage steigt, doch am Steuer und in den Buchungszentren fehlen viele Hände.
Tagebuch-Eintrag 5, London, 28. bis 29. September: In der Welt der Taxis ist die European Radio Taxi Association ERTA (Europäischer Funktaxi-Verband) trotz ihres etwas altmodischen Namens eine besonders aktuelle Gruppe. Normalerweise treffen sich die Geschäftsführer einer Vielzahl führender Taxizentralen und Taxiunternehmen in Europa einmal im Jahr, um sich kollegial über die Besonderheiten ihres Unternehmens und der Branche in ihrem Land auszutauschen. Doch wo vor viereinhalb Jahren – kurz vor Corona – in Berlin noch über 40 Vertreter am Tisch saßen, waren es dieses Mal in London 25, die zusammen neun europäische Länder vertraten.
Als Sponsoren fungierten das Londoner Taxiunternehmen und die auf Geschäftskunden ausgerichtete App Gett, die niederländische Dencom (die mit der neuen Anwendung von WhatsApp für Taxibuchungen großes Interesse erregte) und taxi.eu (Einladender Partner zum nächsten Treffen).
Dass diese Treffen, bei denen Vertreter aus dem Taxigewerbe direkt aktuelle Geschäftsinformationen austauschen, nützlich sind, beweist der Kommentar von Steve McNamara von der Londoner Fachgruppe Licensed Taxi Drivers Association (LTDA) – sozusagen der Londoner „Black Cabs“ – zu Beginn dieses Treffens: „Unsere Welt hat sich um 180 Grad gedreht. Aber das ist überall so, habe ich den Eindruck. Mittlerweile ist mir klar geworden, dass wir unsere internationalen Kollegen zu wenig treffen. Deshalb sind diese Treffen so wertvoll.“
Das Besondere an diesem ERTA-Treffen war von Anfang an, dass der Gründer der Gruppe, Geoffrey Riesel, ehemaliger Geschäftsführer einer der größten Londoner Taxizentralen (Radio Taxis Group), zurücktrat und neue Vorsitzende gewählt wurden: Vinny Kearns, Der Geschäftsführer von Xpert Taxis in Dublin, wurde nun zum Interimsvorsitzenden bis zum nächsten Treffen (23.-24. Mai) gewählt. Hedy Borreman von der Taxicentrale Amsterdam (TCA) wurde als neue Vollzeitvorsitzende gewählt. Beide bereiten gemeinsam mit Hermann Waldner von taxi.eu die nächste Sitzung vor. Sie findet diesmal im Ausland statt, so dass die Teilnehmer dort das externe Call-Center besuchen können.
Der Hauptzweck dieses Treffens: alte Mitglieder, die nach Corona nicht zurückgekehrt sind, stärker in ERTA einzubeziehen und mehr Mitglieder in anderen europäischen Ländern zu gewinnen, damit sich die Geschäftsführer „live“ über neue Entwicklungen im Geschäft in anderen europäischen Ländern informieren können und selber von neuen Innovationen profitieren können. Nach dem „Live“-Treffen in der Türkei kommt vielleicht später im Jahr noch eine aktuelle Videokonferenz hinzu, um die letzten Entwicklungen austauschen zu können.
Laut Vinny Kearns (NXT Dublin) gibt es in seiner Stadt etwa 30 Prozent weniger Fahrer und 2.000 Taxis weniger als vor Covid (obwohl es dank großzügiger Subventionen mittlerweile 3.206 Rollstuhltaxis gibt). Aufgrund des Mangels an Taxifahrern wurde in Dublin sogar ein Nachtbusdienst eingerichtet. Wer nachts Taxi fährt – Dublin hat ein reges Nachtleben – schaltet seine App aus, weil auf der Straße genug Geld zu verdienen ist. Und auch tagsüber ist die Nachfrage gestiegen, so dass die Wartezeiten allmählich zunehmen.
Die Regulierung des Sektors ist ein Problem, nachdem die Genehmigungsbehörde aufgelöst wurde. Die Zahl der Beschwerden über elektronische Zahlungen und Wucherpreise nimmt zu, während die Free-Now-App völlig illegal Buchungsgebühren von fünf bis zehn Euro pro bestellter Taxifahrt erhebt. Wer sein Taxi storniert, bekommt diesen Betrag nicht zurück. Keines der traditionellen Taxiunternehmen folgt diesem Weg, aber die Regierung ergreift keine Maßnahmen gegen die Apps.
Die Pariser Taxibranche freut sich bereits auf die Olympischen Spiele nächstes Jahr. Die größte Taxizentrale in Paris, Taxis G7, hat es sich zur allgemeinen Aufgabe gemacht, „die Mobilität für alle zu verbessern und den Fahrern bestmögliche Unterstützung zu bieten – auch hinsichtlich des Einkommens.“
Laut G7- Geschäftsführer Armand Joseph Oudin liegt die Zahl der Fahrten mit 15 Millionen pro Jahr derzeit bereits 20 Prozent über dem Niveau von 2019. „Der Wettbewerb findet heutzutage hauptsächlich über die Qualität und nicht über den Preis statt. Aber es ist ein dynamischer Markt, der mehr Konzessionen gebrauchen könnte.“ G7 hat eine neue Version der App herausgebracht, die nun 70 Prozent der Aufträge entgegennimmt. Der Schwerpunkt bei G7 liegt auf einer Vielfalt an Fahrzeugen, Buchungs- und Qualitätsoptionen. „Indem man die Nachfrage intern bestmöglich steuert und versucht, die Fahrer davon zu überzeugen, auch zu anderen Zeiten zu arbeiten, kann die wachsende Nachfrage bewältigt werden.“ Ein wichtiger Punkt ist das motivierende Treueprogramm für Fahrer mit eigenem Videokanal und Newsletter.“
G7 möchte die Vielfalt im Unternehmen fördern und durch eine Politik der „Feminisierung“ insbesondere mehr Frauen hinter das Lenkrad bringen. „Die Frauen, die in diesem typisch männlichen Beruf als Taxifahrerinnen fahren – mittlerweile drei Prozent der 20.000 Fahrer in Paris – sind sehr zufrieden. Ein weiterer Punkt, der hervorzuheben ist, ist die geringe Anzahl von Rollstuhltaxis (220), für die es wie in anderen Ländern keine spezifische Förderpolitik gibt. Für die Olympischen Spiele muss es mehr Rollstuhltaxis geben – wir arbeiten kontinuierlich daran und organisieren Schulungen für Rollstuhltaxifahrer – und auch für unsere Taxis muss der Zugang zu allen Bereichen der Spiele innerhalb von Paris gewährleistet sein. Das ist ein weiterer Punkt, der Anlass zur Sorge gibt.“
Wo sich in den letzten Jahren Taxis und Mietwagen von Uber und anderen Apps direkt gegenüberstanden – oft auf der Straße – haben sich die Beziehungen nun verbessert, nachdem letztere Gruppe ein eigenes Statut, eine eigene Lohnstruktur und eine Gewerkschaft erhielt. „Wir haben festgestellt, dass viele dieser App-Fahrer (schätzungsweise 25.000 bis 30.000) gerne Taxi fahren würden und keinen Teilzeitjob mehr anstreben”, so Oudin. wf
Teil 2 zum ERTA-Treffen folgt in Kürze
Bisher erscheinen in dieser „Reisetagebuch-Reihe“:
Teil 1: Marrakesch mit Erfahrungsberichten von Ägypten, Dänemark, Deutschland, Österreich und aus der EU-Arbeit.
Teil 2: Marrakesch mit einem Ausblick auf Ubers neue Strategie
Teil 3 USA: Wie sich das amerikanische Taxigewerbe aus seiner Kleinteiligkeit löst
Teil 4: USA: In den USA seien die Taxiregeln zu streng, findet ein Vertreter der IATR.
Beitragsbild: Das erste ERTA-Treffen nach Corona. Neun europäische Länder tauschen Eindrücke über ihre Märkte aus. Foto: Wim Faber