Heute um 10 Uhr machte die Scheuerwehr Station in Kiel. Als Redner traten zwei Oppositionspolitiker auf. Seitens der Landesregierung äußerte sich der Leiter der Staatskanzlei. Besorgniserregend sind die medialen Aussagen zweier Vertreter der Regierungsparteien FDP und CDU am Vortag der Mahnwache.
Die gestrige Schweriner Enttäuschung, als sich kein Politiker bei der dortigen Mahnwache vor der Staatskanzlei zeigte, hatte sich heute Vormittag in Kiel nicht wiederholt, denn mit Dirk Schrödter, Kai Vogel und Lorenz Gösta Beutin haben gleich drei Politiker vor der Kieler Staatskanzlei Stellung bezogen. Schrödter leitet die Staatskanzlei, Vogel ist verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Gösta-Beuthin ist Abgeordneter des deutschen Bundestags und klima- und energiepolitischer Sprecher der Linken. SPD und die Linke bilden aktuell die Opposition in Schleswig Holstein.
Die derzeitige Regierung in Schleswig Holstein setzt sich aus einer so genannten Jamaika-Koalition (CDU, Grüne, FDP) zusammen. Der FDP-Verkehrsminister Bernd Buchholz ist Mitglied der von Andreas Scheuer ins Leben gerufenen PBefG-Findungskommission.
Schrödter machte deutlich, dass die Landesregierung von Schleswig Holstein aktuell noch keine Positionierung hinsichtlich der geplanten Änderungen des PBefG eingenommen habe. Vogel gestand ein, dass er sich bisher – obwohl mit dem Thema Verkehrspolitik sehr vertraut – mit der Taxithematik noch nicht auseinandergesetzt habe, sich aber seit gestern in die komplexe Materie einarbeite. An diesem Punkt regte Vogel an, sowohl der Bundesverband Taxi als auch die Landesverbände sollten die Thematik bei aller Komplexität doch möglichst einfach auf ihrer Homepage darstellen, damit man sich wie in seinem Falle leichter tue, sich einen Überblick zu verschaffen, worum es bei der geplanten Änderung des PBefG eigentlich gehe.
Vogel gab zu, dass sich seine Landespartei (SPD) zu diesem Gesetzentwurf bisher nicht positioniert habe. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass seine Partei den jetzigen Vorschlägen zustimmen wird. „Als Oppositionsfraktion haben wir die Möglichkeit, einen Antrag in den Landtag einzubringen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass meine Partei den so formuliert, dass wir die Landesregierung bitten, sich im Bundesrat dafür stark zu machen, dass dieses Gesetzvorhaben nicht wie von Herrn Scheuer geplant realisiert wird.“
Lorenz Gösta Beutin von den Linken mahnte in seiner kurzen Ansprache, dass man politisch die Grundsatzentscheidung zu treffen habe, was öffentlich und was privat sein solle. Die letzten Jahrzehnte hätten gezeigt, dass die Versprechen des freien Marktes, mit einer Liberalisierung würde alles besser und günstiger werden, nicht funktionieren. Trotzdem wolle Herr Scheuer nun auch den Personenbeförderungsbereich liberalisieren und damit durchsetzen, dass Scheinselbständigkeit auch in dieser Branche Einzug hält. Die Folgen dieser prekären Arbeitsverhältnisse (niedrige Löhne, keine Rentenabsicherung etc.) müssen verhindert werden. „Deshalb ist es so wichtig, dass ihr heute hier auf der Straße steht“, wendete sich Gösta Beuthin direkt an die rund 15 erschienenen Taxiunternehmer.
Thomas Krotz vom Landesverband Taxi und Mietwagen Schleswig Holstein zeigte sich erleichtert, dass in dieser Diskussion auch die gesellschaftspolitischen Aspekte wahrgenommen werden. Krotz zog den Vergleich zum sozialen Wohnungsbau. Den hätte man vor Jahren aus der staatlichen Verantwortung rausgenommen, was heute zu massiven Problemen führe. Deshalb dürfe sich dieser Fehler bei der Daseinsvorsorge hinsichtlich der Mobilität nicht wiederholen.
Michael Müller, Präsident des Bundesverbands Taxi und Mietwagen e.V., der in seiner Einleitungsrede neben der Schallerstudie auch auf eigene Studien des Bundesverkehrsministeriums verwiesen hatte, in denen ebenfalls eine Zunahme des Verkehrs durch neue Mobilitätsdienste nachgewiesen wird, zog ein positives Fazit der Kieler Mahnwache. „Wir hatten drei Politiker vor Ort und die Möglichkeit, nach jedem Vortrag noch kurz in die Diskussion einzusteigen.“ jh
Anmerkung der Redaktion: Gut, dass die Scheuertour auch den Weg in den hohen Norden gefunden hat. Das Thema PBefG-Änderung war dort bisher noch nicht angekommen, das haben sowohl der Staatskanzlei-Chef als auch der SPD-Vertreter offen eingeräumt. Politisch besteht hier also noch ein sehr hoher Aufklärungsbedarf, gerade bei der CDU und der FDP. Das wird auch an den medialen Aussagen deutlich, die gestern von den beiden Politikern Kay Richert (FDP) und Lukas Kilian (CDU) getätigt wurden. „Wieso soll ein Wagen leer durch die Stadt fahren, wenn stattdessen Bürger schnell von A nach B gebracht werden können“, plädiert Richert gegenüber den Kieler Nachrichten für die Abschaffung der Rückkehrpflicht. Auch Kilian hält die Rückkehrpflicht für „nicht mehr zeitgemäß“ und für „ökologisch sehr fragwürdig“.
Die heutige Mahnwache war daher eine gute Gelegenheit, auch die andere Seite der Medaille zu erklären. Von daher wäre es sicher eindrucksvoller gewesen, wenn anstatt fünfzehn Taxiunternehmer und Fahrer fünfzig vor der Staatskanzlei gewesen wären.
Es wäre eine tolle Rückendeckung für den Taxi-Landesverband gewesen, dessen Vorstand nun dringend in die politischen Gespräche mit den Landespolitikern gehen muss. Denn sollte der Bundestag tatsächlich eine Novellierung des PBefG beschließen, in der die Rückkehrpflicht für Mietwagen aufgehoben wird, hätten die 16 Bundesländer im Bundesrat noch die Möglichkeit, dagegen ein Veto einzulegen. Davon sollte auch die Jamaika-Koalition in Schleswig Holstein überzeugt werden.
Andernfalls droht eine Existenzvernichtung des Taxigewerbes. „,Wir reden hier davon, ob das Taxigewerbe überhaupt noch eine Zukunft hat, wenn Herr Scheuer mit seinem Gesetzesvorhaben Erfolg hat”, sagt der Schleswig Holsteiner Taxiunternehmer und Teilnehmer an der Mahnwache Olaf Völker. jh
Warum der Bundesverband Taxi und Mietwagen
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