Seit letztes Jahr – und damit lange vor Corona – kämpfen Taxiunternehmer in New York um eine Erleichterung ihrer Darlehens-Schuld, die durch kriminelle Manipulation der Konzessionspreise entstanden ist. Nun hat der größte Inhaber von New Yorker Darlehen für Taxikonzessionen (‘Medallions’) einen weiteren Rettungsanker geworfen. Doch vielen Taxifahrern reicht das nicht.
Die Investmentfirma Marblegate Asset Management LLC in Greenwich, Connecticut, hat seit Mitte März etwa 2.000 Medaillonbesitzern eine Stundung für die monatliche Rückzahlung) von Darlehen gewährt. Schon im vergangenen Jahr begann der Schuldenschnitt von Medaillon-Darlehen, indem man in einigen Fällen Hunderttausende von Dollar abzog und eine Schulden-Obergrenze von etwa 300.000 US-Dollar (€ 253.000) festsetze.
Andrew Milgram, Finanzmann von Marblegate, sagte in einem Interview, dass Marblegate bisher Schulden in Höhe von insgesamt 285 Millionen US-Dollar (240 Mio. Euro) für 483 Medaillons erlassen habe. Etwa die Hälfte dieser Schulden, sagte Milgram, wurde umstrukturiert, nachdem New York City wegen der Coronavirus-Pandemie lahmgelegt worden war. Milgram sagte, dass die durchschnittlichen monatlichen Zahlungen für die umstrukturierten Kredite von 2.800 USD (2.350 Euro) auf etwa 1.500 USD (1.260 Euro) gesenkt wurden.
„Wir arbeiten ständig an der Restrukturierung von Krediten, da wir der Ansicht sind, dass dies der beste Ansatz ist, um die Branche zu stabilisieren, die langfristigen wirtschaftlichen Aussichten der Fahrer zu verbessern und unseren Investoren einen Mehrwert zu bieten“, sagte Milgram.
Sein Unternehmen Marblegate war vor die Pandemie im März zum größten Inhaber von Taximedaillon-Darlehen in New York City geworden, als man diese mit einem riesigen Rabatt kaufte. In New York gibt es ungefähr 13.500 Medaillons. Marblegate besitzt rund 4.000 Kredite für Medaillons.
Ein ‘Medaillon’ ist ein Metallschild, das auf der Motorhaube jedes Taxis in New York City festgenagelt ist. Diese Konzessionen galten jahrelang als sichere Investition und als Weg für Fahrer mit Migrationshintergrund zur Verwirklichung des typischen amerikanischen Traums („vom Tellerwäscher zum Millionär“).
Viele Fahrer liehen sich im Gegenwert ihres Medaillons Geld, um ein Haus oder ein neues Taxi zu kaufen und ihre Kinder aufs College zu schicken. Zwischen 2002 und 2014 stiegen die Medaillonwerte von 200.000 USD (169.000 Euro) auf 1,3 Mio. USD (1.095 Mio. Euro). Die riskanten Kreditvergabepraktiken, Insider-Manipulation, welche die Preise hochtrieben, sowie die Konkurrenz durch Zehntausende von App-Taxis (Uber, Lyft etc.) führten jedoch dazu, dass die Werte unter 200.000 US-Dollar fielen.
Die Interessenvertreter der Fahrern stehen den Maßnahmen des Hedgefonds skeptisch gegenüber. Ende Juli fuhren mehr als 100 Taxis im Konvoi zu Marblegates Büros in Greenwich und forderten die Firma auf, die Kredite auf 125.000 USD (105.300 Euro) zu kürzen und die monatlichen Rückzahlungen auf etwa 750 USD (630 Euro) zu reduzieren.
Bhairavi Desai, Geschäftsführerin der New Yorker Taxi Workers Alliance, sagte, 300.000 US-Dollar seien eine Summe, welche sich die Fahrer nicht leisten könnten. „Sie haben das Gefühl, mit dieser Schuld eine lebenslange Haftstrafe erhalten zu haben“, sagte Desai. Marblegat’s Milgram entgegnete darauf, die Umstrukturierung der Schulden auf maximal 300.000 US-Dollar sei für Fahrer angesichts ihres Verdienstpotenzials überschaubar.
Die Taxi- und Mietwagenindustrie verzeichnete einen massiven Rückgang der Fahrgastzahlen während der Pandemie. Laut einem Bericht der Taxi- und Limousinenkommission der Stadt (TLC) fuhren bis April mehr als drei Viertel der New Yorker Taxis nicht mehr. Der durchschnittliche wöchentliche Brutto-Fahrergewinn für diejenigen, die in Juni unterwegs waren, war 813 USD (685 Euro), ein Rückgang von 37 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
Der 63-jährige Medaillon-Besitzer Balwinder Singh sagte, er könne es sich nicht leisten, sein Darlehen umzustrukturieren, selbst wenn er dies wolle. Derzeit verdient er nach Ausgaben etwa 1.500 US-Dollar (1.265 Euro) pro Monat, verglichen mit rund 3.500 US-Dollar (2.949 Euro) pro Monat vor der Pandemie.
Singh kaufte sein Medaillon 1996 für 170.000 US-Dollar (143.245 Euro). Als der Wert des Medaillons stieg, belieh er es, um ein Haus zu kaufen und seine drei Kinder aufs College zu schicken. Somit schuldete er (seiner damaligen Bank 800.000 Dollar.
Herr Singh sagte, ein im Auftrag von Marblegate handelnder Kreditservice-Agent habe angeboten, seine Schulden von 600.000 auf 300.000 Dollar zu senken. Die Umschuldung hätte die monatlichen Kreditrückzahlungen von Herrn Singh von 4.300 USD (3.620 Euro) auf 1.700 USD (1.432 Euro) gesenkt. Aber Singh fehlten die 25.000 Dollar (21.063 Euro), die zur Finanzierung der Umstrukturierung benötigt wurden. Selbst wenn Singh diese Summe auftreiben könnte, sei er nicht daran interessiert zu zahlen, weil er glaubt, dass sein Medaillon weniger als 100.000 Dollar (84.254 Euro) wert sei.
Das erklärt, warum Medaillon-Besitzer wie Singh mit der Schuldenreduzierung nach wie vor nicht zufrieden sind. Hunderte von ihnen (Mitglieder der New Yorker Taxi Workers Association (NYTWA) fuhren letzte Woche zum Hauptquartier von Marblegate und blockierten kurze Zeit eine der wichtigsten und bekanntesten Brücken in New York City. Demonstrationen sind auch in den kommenden Wochen zu erwarten, da die NYTWA der Ansicht ist, dass die Entschädigung von Marblegate für Taxibetreiber unzureichend ist. wf