Das Gerichtsurteil zur Unrechtmäßigkeit der 30-Minuten-Karenzzeit auf den Balearen ändert wenig: Uber hat die Vorbestellfrist laut Taxiverbänden schon vorher systematisch missachtet.
Dass Daseinsvorsorge für Uber ein Fremdwort ist und Mietwagen eben bei weitem nicht „so etwas wie Taxi“ ist, zeigt sich auf Mallorca besonders deutlich. Das durchschnittliche Einkommensniveau der Bevölkerung auf den Balearen ist deutlich niedriger als bei denen, die dort Urlaub machen. Während Taxitarife sich in der Regel zumindest grob an der Kaufkraft der Bevölkerung orientieren, hat Uber in der spanischen Region von vornherein auf zahlungskräftige Touristen gesetzt und Fahrpreise aufgerufen, die deutlich über denen im Taxi liegen und für Einheimische kaum erschwinglich sind.
In der Regel versucht Uber seine seriöse Konkurrenz durch Dumpingpreise auszuhungern. Dass das auf den Balearen nicht nötig scheint, liegt daran, dass laut dem spanischen Online-Portal „Mallorca Services“ rund 80 Prozent der Uber-Fahrgäste auf Mallorca Ausländer sind, die bereits aus ihren Herkunftsländern an die Benutzung der Uber-App gewöhnt sind, was sie im Urlaub einfach ab dem Moment der Ankunft am Flughafen fortsetzen. Nach Nationalität soll die größte Gruppe der dortigen Uber-Nutzer aus Großbritannien stammen, gefolgt von Amerikanern, Spaniern, Italienern und Franzosen.
Uber bietet erst seit dem Frühsommer letzten Jahres auf Mallorca Fahrten im Mietwagen (VTC) an. Vorausgegangen waren ein jährlich wiederkehrender Mangel an verfügbaren Taxis und ein langer Kampf zwischen Gewerbeverbänden und Behörden über den Umgang mit Mietwagen. Nachdem die Verbände sich mit ihrer Forderung nach einer Vorbestellfrist für Mietwagen hatten durchsetzen können, ließen die Klagen dagegen nicht lange auf sich warten, doch wurde die Rechtmäßigkeit der Karenzzeit in zweiter Instanz zunächst bestätigt, bevor das spanische Verfassungsgericht sie vorletzte Woche für nichtig erklärte.
Ungeachtet des laufenden Verfahrens hatte Uber seine Aktivitäten auf Mallorca in diesem Sommer bereits vervierfacht. Mit dem neuen Gerichtsurteil ist eines der Haupthindernisse weggefallen, teilweise begünstigt durch Preissenkungen in Zeiten geringer Nachfrage. So sei eine Beispielfahrt zum Flughafen in Palma aus dieses Jahr nur noch geringfügig teurer gewesen als die entsprechende Taxifahrt. Tendentiell seien die Preise aber unverändert hoch und werden bei hoher Nachfrage auch vervielfacht, wie es weltweit bekannte Geschäftspraxis bei Uber ist. Ein Taxiunternehmer aus Palma hat „Mallorca Services“ berichtet, am Tag des Endspiels der Fußball-Europameisterschaft hätte die gleiche Fahrt in einem Uber-Mietwagen 80 Euro gekostet.
Obwohl Antoni Bauza, Präsident der Agrupación Empresarial de Taxis, nach eigenen Angaben über Beweise verfügt, dass die nun gekippte Karenzzeit für Mietwagen ohnehin systematisch missachtet wurde, befürchten die Verbände, dass von dem Verfassungsgerichtsurteil ein verheerendes Signal ausgeht, dass nun eine Schleuse geöffnet worden ist. „Sie kommen durch die Hintertür, und niemand hat sie bisher aufhalten können. Es gibt drei oder vier Unternehmen, die die VTCs kontrollieren, gegenüber 2.000 Selbstständigen“, wird der Unternehmer aus Palma zitiert.
Laut „Mallorca Services“ hält die Regierung derzeit ein Moratorium für neue VTC-Lizenzen aufrecht und muss den Sektor regulieren, insbesondere nach dem Verfassungsurteil. Es liege ein Antrag auf 10.000 Lizenzen auf dem Tisch, während es derzeit 3.000 gibt. „Sie müssen reguliert werden“, so der Unternehmer. Er beruft sich auf ein weiteres Verfassungsgerichtsurteil vom Juni über eine analoge Verordnung für die Hauptstadt Madrid, das nach seiner Interpretation den Balearen und den Kanarischen Inseln die volle Zuständigkeit für die Regulierung der Personenbeförderung in Autos einräumt. Auch sie fordern mehr Kontrollen. Auch in den beiden größten Städten Spaniens, Madrid und Barcelona, kämpfen das Taxigewerbe und zum Teil die Behörden gegen illegalen taxiähnlichen Verkehr mit Mietwagen, meist durch Uber und/oder Cabify angeboten, wobei sie mal vor Gericht Erfolge erzielen, mal Rückschläge erleiden. ar
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