Wenn man Märchen oft genug wiederholt, werden sie von immer mehr Menschen irgendwann als Wahrheit angesehen – nach diesem Motto agiert die Mietwagenlobby. Jetzt hat sie es mit zwei „wissenschaftlichen“ Auftragsarbeiten versucht, die beide eklatante Mängel aufweisen. Die erste ist von einem Studenten.
Am 30. September veröffentlichte die Mietwagenunternehmer-Initiative „Wir fahren“ eine knapp dreiseitige „Analyse“ mit dem Titel „Taxi-Tarif ist überproportional gestiegen“. Autor ist ein Student der Technischen Universität Berlin, Auftraggeber die Initiative „Wir fahren“. Auf deren Internetseite sind im Impressum als Hauptverantwortliche Thomas Mohnke und Monji Lachiheb genannt. Der einstige Taxiunternehmer Mohnke ist bekannt als Deutschlands Uber-Generalbevollmächtigter.
Die Arbeit befasst sich mit der „Entwicklung der Fahrpreise für verschiedene Verkehrsmittel“ von 1991 bis 2023, wobei einer der Vergleichswerte die Preise für Taxifahrten von jeweils zehn Kilometer Länge sind. Es wird allerdings keine Entwicklung betrachtet, sondern lediglich Werte aus dem Jahr 1991 mit denen aus dem Jahr 2023 verglichen, ohne zu berücksichtigen, was sich in diesem Zeitraum in der Personenbeförderung in Deutschland veränderte und entwickelte.
In der Einleitung heißt es: „Durch den Vergleich dieser Tarifentwicklung mit den Indizes für andere Einzelhandelsgüter kann das Preisverhalten der Taxiunternehmen in diesem Zeitraum beurteilt werden.“ Mit dieser Formulierung verlässt der Autor bereits im zweiten Satz seiner Arbeit die wissenschaftliche Ebene. Ob aus Unkenntnis oder um bewusst zu täuschen: In der Formulierung „Preisverhalten der Taxiunternehmen“ steckt die unzutreffende Aussage, Taxiunternehmen könnten ihre Preise selbst bestimmen.
Die anderen zwei Vergleichswerte sind zum einen ein „Durchschnittstarif der Deutschen Bahn (DB) für Entfernungen von mehr als 101 km“ und zum anderen „eine Einzelfahrt in Berlin mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG)“. Hier werden demnach Taxifahrten und Fahrten mit dem Linienverkehr eines städtischen Verkehrsverbundes mit denen für Fernfahrten verglichen, das ist der zweite Makel.
Zum Dritten stecken bereits Fehler im Ansatz: 1991 gab es die Deutsche Bahn AG noch nicht. In Westdeutschland gab es noch die Deutsche Bundesbahn und in den Neuen Bundesländern die Deutsche Reichsbahn. Letztere war ein Staatsunternehmen, das von 1920 bis 1945 dem Deutschen Reich, dann bis zur Deutschen Wiedervereinigung der DDR, und schließlich der Bundesrepublik Deutschland gehörte. Am 1. Januar 1994 wurde sie mit der Deutschen Bundesbahn (Rechtsform: Sondervermögen des Bundes) zur Deutschen Bahn AG vereinigt. Zum Zeitpunkt 1991 waren Bahnfahrten noch hochsubventionierte staatliche Dienstleistungen. Ein Vergleich mit heutigen Bahnfahrten, die die DB Fernverkehr eigenwirtschaftlich anbietet, erscheint – vorsichtig ausgedrückt – gewagt.
Auch die Nahverkehrsgesellschaften von West- und Ost-Berlin waren 1991 noch getrennte Eigenbetriebe des Landes Berlin und in ihrer Struktur nicht mit der heutigen BVG, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, gleichzusetzen. Auch hier hinkt demnach der Vergleich der Fahrpreise von 1991 mit denen von 2023.
In der Studie werden dann noch Preisunterschiede von Kraftstoffen, Speisefett, Gemüse und Kraftstoffen herangezogen, mit Inflationsindizes des Statistischen Bundesamtes in Zusammenhang gebracht, und das Ergebnis sind mehrere eindrucksvolle Balkendiagramme, in denen Taxifahrten stets den höchsten Preiszuwachs aufweisen.
Auf der Internetseite der Initiative „Wir fahren“ wird das als wissenschaftlicher Beweis für die Geldgier des Taxigewerbes gefeiert: Unter der Überschrift „Beiträge zur Dekonstruktion des Taxi-Opfernarrativs (Teil 1: Tarife)“ ist von „explodierenden Taxi-Tarifen seit 1991“ und von der „Erzählung der ‚leidenden’ Taxibranche“ die Rede. Im Absatz „Wer ist hier wirklich das Opfer?“ wird behauptet, die Studie des Studenten entlarve ein „weitverbreitetes Missverständnis“, nämlich die „Vorstellung, dass Taxifahrer in Deutschland von unfairen Bedingungen und neuer Konkurrenz gedrückt werden“. Das sei „schlichtweg falsch“. Vielmehr zeige die Preisentwicklung, „dass die Taxiindustrie ihre Preise über Druck auf die Kommunen erheblich erhöht hat, und zwar weit über das Maß hinaus, das in anderen Verkehrsbranchen üblich ist. In einem Satz: Taxianbieter haben ihre Monopolstellung ausgenutzt. Die Verbraucher wenden sich ab. Anstatt weiterhin ein Bild von sich als Opfer zu malen, sollten sich die Taxiunternehmen fragen, ob es nicht an der Zeit ist, die eigene Preisstrategie zu überdenken und transparenter zu gestalten.“
Einen Hinweis zur Frage nach der Glaubwürdigkeit der Initiative „Wir fahren“ gibt auch eine Textpassage auf ihrer Internetseite zum Thema Rückkehrpflicht: „Was befürchten die Taxi-Vertreter? Ohne die Rückkehrpflicht würden Mietwagen nach Kunden suchend durch sie Stadt fahren, an attraktiven Plätzen warten und Personen an sprechen, ob sie eine Fahrt brauchen. Doch die Vermittlung von Mietwagen-Fahrten findet über Smartphone-Apps statt. Es ist Fahrern gar nicht möglich, auf einem anderen Weg, zum Beispiel durch Heranwinken, Aufträge zu erhalten.“ Das ist eine so plumpe Leugnung der Realität, die in Großstädten für jedermann sichtbar ist, dass man es nur als absurd bezeichnen kann, die Leser derart für dumm zu verkaufen.
À propos für dumm verkaufen: Leider ist nicht dokumentiert, ob der Student sich getraut hat, seine „Analyse“ als Arbeit seinen Dozenten an der Uni vorzulegen, und falls ja, wie sie benotet wurde. Die Interpretation des Auftraggebers „Wir fahren“ jedenfalls ist das genaue Gegenteil von Wissenschaft: unhaltbare, manipulative Verfälschung von Tatsachen. Der Taxi- und Mietwagenverband Deutschland e. V. (TMV) hat recherchiert, dass der Autor der „Studie“ kein wissenschaftlicher Mitarbeiter der TU Berlin ist, und auch kein herkömmlicher Student, der unbedarft und ergebnisoffen an das Thema herangegangen wäre. Er war bis Ende September Mobilitätsanalyst und Geschäftsentwickler bei – große Überraschung – der SafeDriver Group von Thomas Mohnke, dem Uber-Generalunternehmer in Deutschland.
TMV-Hauptgeschäftsführer Patrick Meinhardt äußerte sich entsprechend deutlich zu der „Analyse“. Er bezeichnet die „Auslassungen von Herrn Mohnke und seiner Initiative“ als „hanebüchen“. Die „sogenannte Analyse“ verschweige, „dass das Taxigewerbe in Deutschland immer noch im ‚real existierenden Sozialismus’ lebt. Alle Tarife werden in der Regel von Landkreisen und kreisfreien Städten in den Kommunalparlamenten festgelegt – und das meist mit einer Verzögerung um Jahre.“ Genau darüber freuten sich die Vertreter von Uber & Co. am meisten, „um in einem ruinösen Wettlauf mit frechen Preisunterbietungen den anständigen Mittelständlern des Taxigewerbes das Leben schwer zu machen und damit alle Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft mit Füßen zu treten“. Er hoffe, dass bald die Kommunen so mutig sind, in ganz Deutschland Mindesttarife für Mietwagen einzuführen, „um den zügellosen Raubtierkapialisten von Uber & Co. endlich die rote Karte zu zeigen.“ Mohnke „und seine Freunde von Uber & Co.“ sollten sich nach Meinhardts Meinung „lieber mal um die 1700 illegalen Mietwagen in Berlin kümmern“. ar
Hinweis der Redaktion: Über die zweite „wissenschaftliche“ Auftragsarbeit berichten wir in dieser Meldung.
Beitragsbild: Foto und Collage Axel Rühle
Diese wissenschaftliche Arbeit, von wem auch immer erstellt, ist das Papier nicht wert…., einfach erstaunlich, wie sich die Drahtzieher verhalten. In München sowie auch in anderen Städten muss enno savedriver(Mohnke) aushelfen, weil hier kaum einer die defizitären Fahrten ausführt.
Nur von Taxi-Unternehmern hörte ich, das bei allen Vermittlungsplattformen steigend hohe Taxi-Fahrtanfragen seit Einführung der Festpreise zutreffen…!?
…. auch erstaunlich, wie sich manche TAXI-Unternehmer verhalten, statt sich mit besserer Konzentration auf ihr Kerngeschäft und gute Fahrt-Erlebnisse dem Fahrgast bieten.